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Von der Front nach Hause

Volker Wagener28. Mai 2016

100 Jahre nach der Schlacht von Verdun werden sie wieder gelesen: Soldatenbriefe. Sie sind ein Spiegel der Zeit und Zeugnisse des Seelenzustandes zwischen Leben und Tod. Eine Archivauswahl.

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Deutschland Feldpost 1.WK
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

"Mehrere verwundete Soldaten teilen Ihnen mit, dass, wenn Sie uns nochmals so blödsinnigerweise ins Feuer jagen, wie Sie dies schon öfter mit uns gemacht haben, dann werden wir Ihnen eine Portion Kugel(n) in den Hintern jagen, dass Sie auch wissen, wie diese schmecken."

(Anonymer Brief vom 21. Februar aus Stuttgart, vermutlich aus einem Lazarett heraus abgeschickt und adressiert an das kaiserliche Hofmarschallamt in Berlin.)

"Wir liegen den Franzosen ziemlich nahe gegenüber …….. Auch werfen die Franzosen Zettelchen herüber wo sie uns anzeigen, dass von ihrer Seite ein Sturmangriff bevorsteht und uns bitten, stärker Feuer zu eröffnen, damit der Ansturm unterbleibt."

(Brief des Gefreiten Adolf Benedict vom Juni 1915 an seine Eltern.)

"Ich weiß gar nicht, wofür weiter gekämpft werden soll, vielleicht, weil die Zeitungen die Geschichte in einem anderen Lichte erscheinen lassen, als es in Wirklichkeit eigentlich ist…….Wer für den Krieg weiter ist, der ist überhaupt kein Mensch mehr. Die Not könnte nicht grösser sein im Feindesland und auch daheim. Es können das nur Leute sein, die von allem keine Ahnung haben."

(Brief von der Westfront vom 17. Oktober 1914. Ein Beispiel für die Kluft zwischen dem eigenen Fronterleben und der offiziellen Darstellung in den deutschen Zeitungen.

Deutschland Verladen von Feldpost 1.WK (Foto:+++ (C) picture-alliance/akg-images)
Von der Eisenbahn auf den Feldpostwagen: Briefe deutscher Soldaten an die Familien im Ersten WeltkriegBild: picture-alliance/akg-images

"Ein Meldereiter brachte die Nachricht, dass unsere Maschinengewehre und Bagage von Einwohnern, die vorher ganz freundlich zu uns waren, angeschossen worden seien. Kehrt Marsch, in die Häuser geschossen, das Nest angezündet und bald loderte eine fürchterliche Brandfackel zum abendlichen Himmel empor. Droben auf der Höhe sammelten sich die Greise und sonstigen, hauptsächlich weiblichen Bewohner des verbrannten Nestes; letztere streckten uns kniend ihre Kinder entgegen, Soldaten brachten junge Leute, die mit dem Gewehr in der Hand getroffen wurden. Diese wurden standrechtlich erschossen."

(Feldpostbrief von der belgischen Front bei Lüttich, der am 18. September 1914 im "Schwäbischen Merkur" veröffentlicht wurde. Sie belegen Kriegsverbrechen deutscher Soldaten an belgischen Zivilisten. Zuvor kursierten Gerüchte, wonach Gräueltaten an Deutschen verübt worden sein sollen, die aus Belgien ausgewiesen wurden.)

"……Während ich diese Zeilen an Euch schreibe, 8 Uhr abends, werden auf dem Friedhofe da drüben acht Soldaten in ein gemeinsames Grab hinabgesenkt. ....... heute durch die Brust geschossen, morgen in das kühle Grab! Ein Volltreffer schlug in ihren Unterstand. Von 15 braven Soldaten waren diese acht, eh' sie es dachten, zerfleischt. Tägliches Erlebnis…."

(Offener Brief des katholischen Lehrers Schäfer vom 6. April 1916 an seine ehemaligen Schüler der Klasse 8 seiner Hauptschule. Abgedruckt in der Freiburger Tagespost. Ein Beispiel dafür, wie vor allem in konfessionell geprägten Zeitungen der Versuch gemacht wurde, "der heranwachsenden Generation den ganzen Ernst der Zeit zu zeigen".)

"Das Kommando kam: 'Sprung auf, marsch, marsch!' Wir wurden von einem Hagel von feindlichen Geschossen überschüttet. Als wir wieder lagen, sagte Heinrich, der nur einige Meter von mir entfernt lag: 'Ich bin von zwei Kugeln getroffen'. Ich bat ihn, sich von mir verbinden zu lassen; aber er sagte: 'Es hat keinen Zweck mehr, grüße, bitte, meine Eltern und grüße Tulla.' ……..Ich rief noch einige Male laut Heinrichs Namen, er antwortete aber nicht mehr, sondern lag ganz still. Plötzlich kam für uns der Befehl: 'Vorrücken!'. Ich durfte leider nicht zurückbleiben."

(Brief eines jungen Kriegsfreiwilligen vom 23. Oktober 1914)