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Von einem Provisorium ins nächste

Panagiotis Kouparanis18. März 2016

Das Flüchtlingslager in Idomeni soll aufgelöst werden, doch sind die neuen Unterkünfte in Griechenland bereit? Panagiotis Kouparanis berichtet aus Hersos, wo ein weiteres Aufnahmelager entsteht.

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Demonstration von Kindern und Jugendlichen im griechischen Flüchtlingslager in Hersos (Foto: DW)
Bild: DW/P. Kouparanis

Das griechische Verteidigungsministerium gab grünes Licht. Zum ersten Mal durften am Donnerstag ausländische Pressevertreter das neu errichtete Flüchtlingslager in der nordgriechischen Ortschaft Hersos besuchen. Schnell sprach sich herum, dass Journalisten der Deutschen Welle und ein finnischer Kollege im Lager sind. Kaum eine halbe Stunde später fand schon eine Demonstration statt. Etwa 50 Jugendliche und Kinder zogen herum, hielten Pappschilder hoch: "Wir fordern Humanität", stand da etwa auf Englisch geschrieben und eindeutig war neben Rufen auf Arabisch zu verstehen "Merkel, Merkel" und "Germany, Germany".

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch bei ihrer Rede im Bundestag den Flüchtlingen in Griechenland geraten, hierhin in die neu geschaffenen Unterkünfte zu gehen. Sie seien "deutlich besser" als das Lager im nahe gelegene Ort Idomeni. Jeder, der die Bilder von dieser Schlammoase gesehen hat, weiß, dazu gehört nicht viel.

Das Flüchtlingslager in Hersos ist ein 6,5 Hektar großes ehemaliges Militärgelände (Foto: DW)
Das Flüchtlingslager in Hersos ist ein 6,5 Hektar großes ehemaliges MilitärgeländeBild: DW/P. Kouparanis

Holpriger Start

Das Aufnahmelager Hersos hat seinen Namen von dem nahe gelegenen gleichnamigen Dorf. "Hersos" bedeutet auf Griechisch "brachliegend". Und das war dieses 6,5 Hektar ehemalige Militärgelände lange Zeit auch. Ende Februar erging an Oberstleutnant Thomas Gavranopoulos die Order, darauf ein Flüchtlingslager zu errichten. Am Morgen des 28. Februar begannen seine Soldaten die Zelte aufzubauen. Bevor der Tag zu Ende ging, zählte das Camp 1159 Flüchtlinge. Am nächsten Tag kamen weitere 699 hinzu, am Tag darauf noch einmal 129. Am Donnerstag dieser Woche waren im Lager Hersos 3815 Menschen registriert. Davon haben etwa drei Viertel syrische Papiere und ein Viertel irakische. Maximal könnten auf diesem Areal 4800 Personen unterkommen. Bislang, so der Oberstleutnant im gleich bleibend nüchternen Ton, seien die Flüchtlinge direkt aus Athen oder von der nordgriechischen Hafenstadt Kavala ins Camp gekommen – kaum einer aus Idomeni. Allerdings würden Flüchtlinge sehr wohl Hersos in Richtung Idomeni verlassen.

Syrische Jugendliche spielen Volleyball im Aufnahmelager für Flüchtlinge bei Hersos (Foto: DW)
Syrische Jugendliche spielen Volleyball im Aufnahmelager für Flüchtlinge bei HersosBild: DW/P. Kouparanis

Wenn die Flüchtlinge in Hersos ankommen, müssen sie als erstes ihre Registrierungsbescheinigung vorzeigen, die sie in den Hotspots auf den griechischen Inseln erhalten haben. Sind die Daten eingetragen, bekommen sie eine Grundausstattung zu der auch Decke und Schlafsack gehören. Als nächstes wird ihnen ein Platz zugewiesen - entweder in den zwei großen Zelten des Flüchtlingshilfswerks UNHCR oder in einem der 400 Acht-Personen-Zelten. Ab diesem Punkt wird es für die Flüchtlinge ungemütlich. Das entscheidende Manko dieser Zelte ist, dass sie unten offen sind. Das heißt, die Flüchtlinge liegen auf blanker Erde, mitunter auf schlammigem Boden. Hinter vorgehaltener Hand wird als Entschuldigung vorgebracht, die Zelte habe nicht das Militär, sondern die Behörde für Katastrophenschutz geliefert. Den Flüchtlingen helfen solche Zuständigkeitsfragen herzlich wenig. "Wir sind keine Tiere, wir sind Menschen", empört sich der Syrer Amar.

Ein Lager im Aufbau

Nicht alles ist beklagenswert in Hersos. Bis Freitag letzter Woche waren es die Militärköche, ab Samstag versorgt im Auftrag der Armee eine Cateringfirma die Flüchtlinge drei Mal am Tag mit Essen. En anderes Unternehmen ist mit der Sauberkeit der 27 Toiletten und der fünf Duschen beauftragt. Elektriker sind dabei auf den drei zentralen Wegen, die das Aufnahmelager durchqueren, Lampen zu installieren und wie versichert wird - in den nächsten Tagen soll auch der Maschendrahtzaun angebracht werden. Von Beginn an sorgte das Griechische Rote Kreuz für die medizinische Betreuung. Diese Arbeit werden jetzt deutsche und finnische Ärzte vom Internationalen Roten Kreuz übernehmen. Zu diesem Team in Hersos gehört der finnische Kinderchirurg Kari Vanamo. Er erwartet in den nächsten Tagen die notwendige Ausrüstung aus Deutschland und Finnland, so dass man nächste Woche mit vier Ärzten die medizinischen Grundversorgung des Flüchtlingslagers starten kann.

Finnischer Kinderchirurg Kari Vanamo vom Internationalen Roten Kreuz (Foto: DW)
Kinderchirurg Kari Vanamo (l.) vom Internationalen Roten Kreuz im Aufnahmelager HersosBild: DW/P. Kouparanis

Nach und nach werden in den nächsten Tagen auch andere Hilfsorganisationen wie der UNHCR ihre Arbeit aufnehmen. Zur Zeit sind es Freiwillige aus der Kreisstadt Kilkis, die aushelfen. Gemeinsam mit Vertretern der Kommune, Behörden und Initiativen gehören sie einem Koordinationsrat an, der sich um die Flüchtlingsarbeit kümmert. Nicht ohne Not. Im Landkreis Kilkis befindet sich neben Hersos auch das Flüchtlingslager Polykastro. Nimmt man noch Idomeni hinzu, dann halten sich in diesem Kreis fast die Hälfte der in Griechenland lebenden Flüchtlinge auf. Man versuche gerade, so der freiwillige Helfer Stephanos, Familien mit Kleinkindern oder auch Schwangere in Privathäusern der Umgebung unterzubringen. Die Bereitschaft der griechischen Einwohner sei groß. Sie haben selbst Flüchtlingserfahrungen. Ihre Großeltern mussten in den 1920er Jahren zwangsweise die Türkei verlassen. Das präge. Die Helfer haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, alle Flüchtlinge privat unterzubringen. Man habe damit schon angefangen.

Der Grieche Stephanos engagiert sich freiwillig in Hersos (Foto: DW)
Der Grieche Stephanos engagiert sich freiwillig in HersosBild: DW/P. Kouparanis

Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Militär? "Einwandfrei", sagt Stephanos. Auch Oberstleutnant Thomas Gavranopoulos scheint keine Berührungsängste mit den Freiwilligen und Mitarbeitern der Nichtregierungsorganisationen zu haben. Das passiere heutzutage überall auf der Welt, zum Beispiel bei Militärmissionen der UN, der NATO oder auch der EU – "kein Problem".