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Von wegen Puppenkiste

Tobias Oelmaier18. Dezember 2013

Augsburg ist vor allem für sein Puppentheater bekannt. Aber inzwischen ist der FCA zu einer angenehmen Erscheinung in der Bundesliga geworden. Trotz bescheidener Möglichkeiten.

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Themenbild Kolumne Flügelzange
Bild: DW

Golfspieler sind ja häufig gut situierte, intelligente Menschen. Um ihren Sport, ihr Wettspiel, interessant und spannend zu halten, haben sie sich eine Regelung einfallen lassen, die es auch Schwächeren erlaubt, an einem guten Tag mit einem Erfolgserlebnis nach Hause zu gehen: das Handicap. So ähnlich haben wir das auch früher auf dem Bolzplatz gehandhabt. Die Kleinen bekamen damals drei Tore Vorgabe. Das geschah natürlich nicht ohne Eigennutz. Wir hatten damals schnell erkannt, dass es keinen Spaß macht, Sport ohne Herausforderungen zu treiben, zumindest dann nicht, wenn am Ende ein Sieger stehen soll.

Im Hochleistungssport sind solche Vorgaben natürlich nicht gewollt. Hier zählt der brachiale Kampf Mann gegen Mann, Team gegen Team oder inzwischen immer mehr: Unternehmen gegen Unternehmen. Oder wie sollte man eine Aktiengesellschaft mit 430 Millionen Euro Jahresumsatz sonst nennen? Das ist der aktuelle Wert des Branchenprimus FC Bayern München für das Jahr 2012.

Kleiner Umsatz, große Leistung

Clubs wie dem FC Augsburg möchte man da gerne eine kleine Vorgabe einräumen. Ein Tor pro Spiel oder 20 Punkte pro Saison. Denn räumlich nur 60 Kilometer von München entfernt, liegt der Umsatz der Augburger Welten unter dem der Bayern. Nicht einmal ein Zehntel haben sie in der Saison 2011/2012 erwirtschaftet, die Zahlen für die letzte Saison stehen noch aus. Und doch schafft es der FCA seit zweieinhalb Jahren, in der Bundesliga mitzumischen. Anfangs nur mit Mühe, inzwischen richtig erfolgreich.

Die Augsburger stehen in der aktuellen Tabelle auf Rang acht, haben in 16 Spielen schon 23 Punkte angesammelt - von Abstiegskampf keine Spur. "Die Tabelle ist gerade eine wunderbare Momentaufnahme. Es ist wirklich sensationell, dass wir 13 Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz haben", bleibt Trainer Markus Weinzierl bescheiden. Im vorigen Jahr hatte der FCA zum gleichen Zeitpunkt gerade mal acht Zähler auf der Haben-Seite, schien hoffnungslos verloren, aber dann kam plötzlich alles anders.

Markus Weinzierl
Als Profi 2. Liga, als Trainer erstklassig: Markus WeinzierlBild: Thorsten Wagner/Bongarts/Getty Images

Die Augsburger legten eine beeindruckende Rückrunde hin und schafften den Klassenerhalt. Addiert man die Punktausbeute des gesamten Kalenderjahres 2013, dann findet man die bayerischen Schwaben mit 47 Punkten gar auf Platz sieben. Die Suche nach den Gründen für den Aufschwung gestaltet sich schwierig. Denn der reflexartige Blick auf die Trainerbank verrät: Hier hat sich nichts geändert. Immer noch sitzt, wie schon seit anderthalb Jahren, der junge Markus Weinzierl sicher im Sattel. Und auch im Spielerkader hat es keine großartigen Star-Einkäufe gegeben. Die Neuzugänge Raul Bobadilla, Rafael Holzhauser oder Halil Altintop haben solides Bundesliga-Niveau, Holzhauser sogar vielleicht Potenzial. Aber sonst ist es der Stamm aus dem Vorjahr.

Ein Weltmeister übt sich in Bescheidenheit

Aber vielleicht liegt gerade hier das Geheimnis: in der Kontinuität. Das macht der FC Bayern vor, das leben sie in Dortmund. Keine Panikkäufe, keine Totalumbrüche. Teams müssen wachsen. Und das scheinen sie auch in Augsburg zu beherzigen. Die spektakulärste Verpflichtung war eindeutig die von Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter im letzten Winter. Als 1990er-Weltmeister und ehemaliger Bayern-Profi hat er das Sieger-Gen nach Augsburg gebracht, auch wenn er sich nach außen hin in punkto Bescheidenheit schnell akklimatisiert zu haben scheint: "Wir sind und bleiben realistisch. Wir wollen in der Liga bleiben, mehr nicht", sagte er jüngst in einem Zeitungsinterview.

Nun darf man gespannt sein, wie lange sie diese Einstellung durchhalten. Zu häufig sind zunächst vernünftig und weitsichtig angelegte Projekte im Profifußball an den geänderten Ansprüchen gescheitert. Dann, wenn plötzlich die Großmannssucht um sich greift, wenn der internationale Wettbewerb winkt. Wenn abgehalfterte Stars ihre Dienste scheinbar günstig anbeiten, ist die Versuchung zuzugreifen groß. Und wenn drei Spiele in Folge verloren werden und die Trainerdiskussion ihre übliche Dynamik etwickelt. Davon muss sich der FCA möglichst lange freimachen. Die Punktvorgabe, das Handicap, sollten die Funktionäre, aber auch die Fans in ihren Köpfen behalten. Für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist es großartig, was da in Augsburg geleistet wird.