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Vor allem Sicherheit

Marc Engelhardt, tagesschau.de1. September 2002

Notwendige Maßnahmen oder Einschüchterung? Beim Thema Sicherheit gehen in Johannesburg die Meinungen auseinander.

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Ihr Blick geht starr ins Nichts. Die königsblauen Uniformen sind geputzt. Gürtelschnallen und Revolver glänzen in der Sonne. In ihrem martialischen Outfit wirken die Johannesburger Polizisten bedrohlicher als die Umgebung. Sie sind überall. Hundertschaften entlang der Betonbarrieren, die den Gipfel vom Stadtgeschehen isolieren. Johannesburg gilt als gefährlichste Stadt der Welt. Dass ihren Staatsgästen etwas zustösst, will Südafrikas Regierung um jeden Preis verhindern.

Tausende Polizisten sind in Johannesburg aufmarschiert. Über die genaue Zahl schweigen die Behörden. Hundertschaften aus allen Landesteilen wurden nach Johannesburg verlegt, spezielle Hundestaffeln ausgebildet. Hubschrauber sind im Dauereinsatz. Wer auf das Konferenzgelände will, lässt sein Gepäck durchleuchten und prüfende Blicke über sich ergehen. Notwendige Vorsichtsmaßnahmen, sagt die Regierung. Einschüchterung, sagen andere. "Der Gipfel ist eine Festung", regt sich Gabriel Rivas auf. "Die Zivilgesellschaft soll ausgeschlossen werden. Damit bloss kein Schatten auf den Hochglanzgipfel fällt."

Proteste verboten

In Costa Rica arbeitet Gabriel Rivas als Fremdenführer und für ein Umweltnetzwerk. Nach Johannesburg ist er gekommen, um für die Regulierung von Öl-Konzernen zu demonstrieren. "Ein paar von uns haben Photos ausgestellt. Zehn grosse Tafeln mit Bildern von Öl-Katastrophen", sagt er. "Wir standen an einem Parkplatz, einen Kilometer vom Konferenzzentrum entfernt." Zehn Minuten passierte nichts. Dann hörten sie Sirenen. "Es ging schnell. Mindestens zwanzig Polizisten, die alles eingeladen haben. Mir haben sie gesagt, vergiss die Ausstellung. Verschwindet, oder ihr kommt in den Knast." Eine Genehmigung für die Aktion gab es nicht.

Die südafrikanischen Behörden haben kaum eine Protestveranstaltung zugelassen. Die meisten gelten als illegal und werden unterbunden. Noch bevor der Gipfel begann, wanderten die ersten Demonstranten ins Gefängnis. Die Athmosphäre ist angespannt. "Rio, das war der Gipfel, bei dem Aktivisten wie wir zum ersten Mal beteiligt wurden", sagt Lucia Ortiz aus Brasilien. "Dass gerade hier beim zehnjährigen Jubiläum alles rückgängig gemacht wird, ist ein Skandal!"

Eintritt verwehrt

Besonders gross ist die Wut auf dem Alternativgipfel. In Rio kamen häufig Politiker, um die Meinung der Verbände kennen zu lernen. In Johannesburg ist das anders. Wer vom einen zum anderen Gipfel fährt, braucht im dichten Verkehr gut anderthalb Stunden. Kaum ein Politiker nimmt sich die Zeit. Die Teilnehmer des Alternativgipfels fühlen sich ausgeschlossen. Sie wollen ihrem Ärger auf Grossdemos Luft machen.

Auch beim offiziellen Erdgipfel wächst der Unmut. Wer kein Delegierter ist, muss Angst haben, draussen zu bleiben. Yuri Onodera vertritt einen japanischen Umweltverband. Stundenlang hat er für Sonderpässe angestanden. Obwohl er von der UN eingeladen wurde. "Als ich endlich die Karte hatte, wurde das Verfahren geändert. Die Karte ist wertlos. Jetzt müssen wir täglich ab halb acht für einen Platz im Konferenzgebäude anstehen." Und das Schlimmste, glaubt Yuri, steht noch bevor. "Wer weiss, wer von uns noch rein darf, wenn erst die Regierungschefs da sind." Von den Nichtregierungsorganisationen, so fürchten viele, gar niemand mehr.