Finanztransaktionssteuer
14. Februar 2013Die Idee einer Finanztransaktionssteuer ist in der Europäischen Union spätestens seit Beginn der Finanz- und Schuldenkrise 2008 ernsthaft im Gespräch. Der Grundgedanke dahinter: Die Finanzbranche soll einen Teil der Kosten tragen, für die sie mitverantwortlich ist. Auch soll der sogenannte Hochfrequenzhandel abgebremst werden. Er gilt als wichtiger Auslöser von Börsenturbulenzen. Die Kommission und viele Abgeordnete des Europaparlaments schielen aber noch auf einen möglichen Nebeneffekt: Sie wollen das Geld aus der Steuer in die Kassen der EU lenken und der Gemeinschaft damit Eigeneinnahmen verschaffen.
Elf wollen nicht ewig warten
Die Kritiker haben von Anfang an vorgebracht, eine Finanztransaktionssteuer müsse weltweit eingeführt werden, sonst erleide Europa einen Wettbewerbsnachteil. Außerdem habe der Kunde das Nachsehen, weil die Steuer Finanzprodukte verteuere. Vor allem Großbritannien mit dem mit Abstand wichtigsten Finanzplatz Europas, aber auch Schweden haben deshalb die Steuer abgelehnt.
Die Befürworter unter den EU-Mitgliedsstaaten wollten sich davon aber nicht aufhalten lassen. Es gibt in der EU den Weg der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit von willigen Staaten, die bestimmte Projekte nur für sich durchsetzen. Elf EU-Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, wollen nun diesen Weg bei der Finanztransaktionssteuer gehen. Die Länder machen zwei Drittel der EU-Wirtschaftsleistung aus. EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta hat für den Plan jetzt neue Vorschläge ausgearbeitet. Es sind bereits die zweiten. Darin hat er versucht, bereits einige Kritikpunkte zu berücksichtigen.
Deutliche Ausweitung der Fälligkeit
Einer der Kritikpunkte ist, dass Mitgliedsländer mit Finanztransaktionssteuer einen Teil des Geschäfts an die Länder ohne die Steuer verlieren werden. Georg Fahrenschon, Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, das Vorgehen werde "die Wettbewerbsfähigkeit erheblich beschädigen".
EU-Kommissar Semeta will deswegen gegenüber seinen ersten Vorschlägen die Steuer stark ausweiten. Sie soll gelten, "solange es eine wirtschaftliche Verbindung zur Transaktionssteuerzone gibt, entweder durch den Ansässigkeitsstaat eines der Handelspartner oder wenn das gehandelte Finanzprodukt in der Transaktionssteuerzone herausgegeben wurde."
Im Klartext: Nicht nur, wenn mindestens einer der beiden Handelspartner in einem der elf Staaten sitzt, würde die Steuer erhoben, sondern auch, wenn das Finanzprodukt in einem der elf Staaten herausgegeben und dann irgendwo auf der Welt zwischen beliebigen Partnern gehandelt wird. Dadurch, so Semeta, haben "die Staaten, die die Steuer einführen, einen starken Schutz gegen Geschäftsverlagerung und Steuervermeidung."
Wer soll das Geld bekommen?
Um Finanzprodukte nicht allzu sehr zu verteuern, sehen die Kommissionspläne Steuersätze von 0,1 Prozent für Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent für Derivate vor. Semeta erwartet jährliche Einnahmen von 30 bis 35 Milliarden Euro. Trotzdem meinte Sparkassenpräsident Fahrenschon, es sei "weit übers Ziel hinausgeschossen worden." Jürgen Klute von der Linksfraktion im Europaparlament dagegen jubelt: "Die Steuer ist längst überfällig, um die Finanzmärkte am Steueraufkommen zu beteiligen und den Umfang unnützer Geschäfte einzudämmen."
Wie die Steuer nun ausgestaltet wird, liegt nun an den Teilnehmerländern. Sie müssen sich überlegen, wie hoch die Steuer sein, für was sie gelten soll und wer die Einnahmen bekommt. Sven Giegold, Finanzfachmann von den Grünen im Europaparlament, empfiehlt als zusätzliche Schutzmaßnahme ein ständiges Komitee, das Steuerumgehungs- und -hinterziehungsversuche aufspüren und verhindern soll: "Das erhöht die Unsicherheit schon bei der Entwicklung von Steuerumgehungsmodellen und macht sie somit wirtschaftlich unattraktiv." Giegold wie auch die Hilfsorganisation Oxfam wollen die Einnahmen auf europäischer Ebene einsammeln und dann in die Armutsbekämpfung und den Klimaschutz stecken.
Doch die Mitgliedsstaaten, die die Steuer einführen wollen, dürften sie eher für sich selbst haben wollen. Als möglichen Start der Steuer sieht Semeta bereits den 1. Januar 2014. Allein schon wegen des erwarteten Gezerres um die Details dürfte das Datum wohl nicht zu halten sein.