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Politik

"Zum Tango gehören zwei"

Jens Thurau Belgrad
12. April 2017

Sigmar Gabriel besucht Serbien. Zehn Tage nach dem umstrittenen Sieg des bisherigen Regierungschefs Vucic zum neuen Präsidenten. Den will Deutschland weiter stützen - trotz der Massenproteste auf Belgrads Straßen.

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Serbien Außenminister Gabriel in Belgrad | Aleksandar Vucic
Bild: picture alliance/dpa/M. Skolimowska

Der Händedruck ist herzlich, die Atmosphäre entspannt und freundlich: In der noblen Villa "Mir" ("Frieden"), dem Gästehaus der serbischen Regierung, trifft Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel den serbischen Regierungschef Alexandar Vucic. Und gleich zu Anfang beglückwünscht er Vucic zu dessen Wahl zum neuen serbischen Präsidenten Anfang des Monats. Gleich im ersten Wahlgang mit 55 Prozent der Stimmen. "Das heißt dann aber auch: Sie haben jetzt eine größere Verantwortung". Vucic nickt, ohne die Mine zu verziehen. Im Mai tritt er sein Amt an.

Proteste dauern an

Derweil werden sie auch heute wieder zu Tausenden auf die Straße gehen in Belgrad gegen diese Wahl, Oppositionelle aus allen Lagern. Sie wollen nicht glauben, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist dabei, sprechen davon, dass Wahlzettel Verstorbener für Vucic in den Wahlurnen landeten. Davon, dass die staatlichen Medien nur über den 47 Jahre alten konservativ-wirtschaftliberalen Politiker berichteten, während die Opposition nur in den sozialen Medien Gehör bekam. Gabriel hat davon natürlich auch gehört: "Ich will keine Ratschläge geben, wie Sie auf die Demonstrationen reagieren sollen", sagt er und spricht von einer "innerserbischen Angelegenheit". Und überhaupt: "Demonstrationen gegen Regierungen gibt es auch in Deutschland". Dass dieser Vergleich vielleicht doch etwas hinkt, merkt Gabriel schnell: "Aber die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit sind natürlich wichtig, wenn man Mitglied der EU sein will."

Serbien als wichtiger Stabilitätsfaktor

Dass es "Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl gab, wird in Gabriels Umgebung nicht bestritten. Aber für die deutsche Diplomatie bleibt etwas anderes wichtiger: Serbien gilt als Stabilitätsanker auf dem Balkan, Deutschland unterstützt den Weg des Landes in die EU. Bis 2020, vielleicht auch erst bis 2022 etwa will Vucic, wie er Gabriel berichtet, die Reformen des Rechtswesens EU-kompatibel abgeschlossen haben. "Oh, das ist ja quasi übermorgen", bricht es da aus Gabriel heraus. Das scheint er dem starken Mann Serbiens dann doch noch nicht zuzutrauen.

Dauerstreit mit dem Kosovo

Baustellen gibt es genug: Die Arbeitslosigkeit in Serbien ist hoch, die Korruption auch. Und noch immer ist das Land nicht mit der Unabhängigkeit des Kosovo einverstanden, die die dortige Regierung vor neun Jahren erklärte. Eine solche Anerkennung ist aber eine der Bedingungen für einen serbischen EU-Beitritt, die meisten EU-Staaten haben das kleine Land, einst eine autonome Provinz, anerkannt. Wieder einmal sind Gespräche über eine Lösung zur Zeit auf Eis gelegt, Vucic schiebt die Schuld dafür der Regierung in der kosovarischen Hauptstadt Pristina zu: "Wir sind bereit, zum Tango gehören immer zwei".

Gabriel schweigt dazu. Nach seinem Besuch bei Vucic in Belgrad wird er in Pristina erwartet. "Das ist aber Zufall und hat nichts mit Ihrer Wahl tu tun. Wir Außenminister der EU wollen uns jetzt wieder stärker um den Balkan kümmern, um alle Länder dort", versichert Gabriel. Am kommenden Montag fliegt er deshalb auch noch nach Albanien.

Treffen mit Oppositionellen als klares Zeichen

Neben Vucic trifft Gabriel in Belgrad nur Außenminister Dacic, die Anfragen weiterer serbischer Minister hat der deutsche Gast, so ist aus seiner Umgebung zu hören, abgewiesen. Stattdessen trifft er sich nach seinem Gespräch in der Villa "Mir" mit "Vertretern der Zivilgesellschaft", sprich: Mit Oppositionellen, in der Residenz des deutschen Botschafters. Das ist dann doch ein klares Zeichen, die Proteste ernster zu nehmen, als Vucic das tut.