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VW: Unterstützung nach dem Schock

Peter Dahl2. Oktober 2015

Im Abgasskandal bemüht sich Volkswagen, sein ramponiertes Image zu retten. Unterstützung erhält der Autobauer dabei von Kunden, berichtet unser Reporter Peter Dahl in Berlin.

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VW-Händler in Berlin
Bild: DW/P. Dahl

Hinter der Glassfassade eines der größten VW-Autohäuser in Berlin werden die Kunden von einer Girlande blauer und weißer Luftballons begrüßt. Doch Volkswagen hat in diesen Tagen keinen Grund zu feiern.

Zwei Wochen ist es her, dass US-Behörden einen der größten Betrugsfälle in der jüngeren Automobilgeschichte aufgedeckt haben. Der deutsche Autoriese hatte versucht, bei Abgastests zu tricksen - mit Hilfe einer Software, die in bis zu elf Millionen Dieselfahrzeugen in Betrieb ist.

Das Nachbeben des Skandals ließ manche schon vom Ende des VW-Konzerns sprechen. Das Schuldeingeständnis habe die Totenglocke für Europas größten Autokonzern geläutet, behaupteten einige Analysten.

"VW ist unschlagbar"

Doch während viele enttäuschte Kunden außerhalb Deutschlands schon den Abgesang auf Volkswagen anstimmen, hoffen viele VW-Kunden in den deutschen Hauptstadt auf eine rasche Erholung.

Deutschland EU Auto-Neuzulassungen steigen weiter
Bild: picture-alliance/dpa

Zu ihnen gehört der 48-jährige Michael, ein leicht aufbrausender Berliner, der eine Reinigungsfirma betreibt. Er ist wie viele Deutsche überzeugt, dass die ganze Aufregung nur politisches Theater ist.

"Normalen Kunden sind doch ein paar zusätzliche Milligramm Emissionen völlig egal. Denen ist viel wichtiger, dass sie für ihr Geld auch das beste Auto bekommen. Und da ist VW unschlagbar", sagt er dem DW-Reporter vor dem Autohaus und zieht an seiner Zigarette. "In sechs Monaten ist über die Sache Gras gewachsen."

Langsam lässt er dann seine Hand über die glänzend-weiße Motorhaube eines neuen VW Transporters streichen. Genau diese Bewegung war auch das Markenzeichen des geschassten VW-Chefs Martin Winterkorn – sie galt als Zeichen für dessen Liebe zum Detail. Dann sagt Michael einen Satz, den man in letzter Zeit häufiger zu hören bekommt in Deutschland: "Die schummeln doch alle. Volkswagen war nur so dumm, sich erwischen zu lassen."

Für ihn ist es keine Überraschung, dass VW ausgerechnet in den USA erwischt wurde. "Wirtschaftliche ist Deutschland doch eine große Konkurrenz für die USA. Deshalb wollen sie uns ruinieren. Was mich dabei wirklich aufregt ist die Ironie an der Sache: Der weltgrößte Umweltverschmutzer - ein Land, wo sogar die Hundehütten beheizt sind - will uns jetzt Lektionen in Sachen Umweltbewusstsein geben."

Dann schnippt er die Zigarette weg und geht in Richtung Eingang. "Ich habe immer deutsche Autos gekauft", sagt er. "Diesmal wird es ein VW Caddy. Ein Diesel." Er grinst und verschwindet hinter den Ballons.

Der Skandal wird persönlich genommen

Ein junger Verkäufer sagt, das Geschäft laufe seit dem Skandal unverändert. "Wir müssen uns jetzt ein paar mehr dumme Spruche anhören. Aber niemand wirft uns die Scheiben ein."

In Wolfsburg, Volkswagens Heimatstadt, haben nicht alle so viel Glück. Mitarbeiter seien auf dem Weg zur Fabrik angegriffen worden, so einige Berichte. Viele Arbeiter sind seit Generation bei VW und stolz darauf; einige haben sich sogar ihre Mitarbeiternummer tätowieren lassen. Der Skandal wird hier sehr persönlich genommen.

Auch in anderen Ecken des Landes. Einige Deutsche reden über ihren Volkswagen wie über ein Familienmitglied: warme Erinnerungen, zärtliche Gefühle; Höhen und Tiefen. Schwer zu sagen, für wen sie sich entscheiden würden, müssten sie zwischen dem Familienhund und dem VW Passat wählen.

Jetzt erst recht

Auch nach zwei Wochen sind viele Deutsche noch geschockt. Viele verweigern einen Kommentar zum VW-Skandal. Selbst die Verkäuferin in einem Jeep-Autohaus gegenüber der VW-Niederlassung sagt, sie habe strikte Anweisung, nicht über den Skandal zu sprechen. Ähnlich sind die Reaktionen bei den Händlern von Daimler, Infiniti und Maserati um die Ecke.

Und doch scheint es eine Gegenreaktion zu geben, eine Bereitschaft, jetzt erst recht für Volkswagen Partei zu ergreifen. Sebastian Lorenz sagt, der Abgasskandal habe nicht die geringsten Auswirkungen auf den Absatz. Er ist Vizepräsident Marketing bei Autoscout24.de, einem der größten Autoportale für Neu- und Gebrauchtwagen in Europa.

"Die Nachfrage nach VW-Dieselfahrzeugen, egal ob neu oder gebraucht, ist nicht zurückgegangen. Auch die Preise sind seit dem Skandal nicht gesunken."

"Abgaswerte sind egal"

Dem Kundenandrang in der Audi-Niederlassung gegenüber nach zu urteilen wird sich das so bald nicht ändern. Auch die VW-Tochter ist wegen manipulierter Dieselautos in die Schlagzeilen geraten. Die Kunden im vollen Laden scheint das nicht zu stören.

"Abgaswerte sind doch allen egal", sagt ein Mann, der sich gerade einen weißen Q3-SUV mit zwei Liter Dieselmotor zum Startpreis von 32.000 Euro anschaut. "Das interessiert vielleicht die Firmen und die Umweltbehörden. Aber ich interessiere mich nur für Leistung." Ein Herr Mitte 50 wirft ein: "Es gibt so viele Modelle. Wenn man keinen Diesel mag, nimmt man einfach was anderes."