Völkermord-Prozess: BGH will härtere Strafe
21. Mai 2015Der Völkermord-Prozess gegen den ehemaligen ruandischen Bürgermeister Onesphore Rwabukombe muss in Teilen neu aufgerollt werden, das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe jetzt entschieden und damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main von 2014 gekippt. 14 Jahre Haft lautete damals der Richterspruch. Jetzt droht dem Angeklagten lebenslänglich.
Der 58-jährige ehemalige Hutu-Politiker Rwabukombe habe aktiv am sogenannten Kirchen-Massaker von Kizigure mitgewirkt - und nicht nur Beihilfe geleistet. Das ergibt sich laut den obersten deutschen Richtern vom BGH aus der Beweisaufnahme des Frankfurter Gerichts.
"Helft" und "arbeitet"
Es sei erwiesen, so der BGH, dass Rwabukombe die Einwohner von Kiziguro im April 1994 aufgefordert habe, Menschen zu ermorden, die auf das Kirchengelände der ostruandischen Gemeinde geflüchtet waren. Er selbst, damals Bürgermeister, sei zur Kirche gefahren, um das Massaker zu überwachen und zu organisieren.
Und er gab Befehle zum Töten wie "Helft!" oder "Arbeitet!". Dabei handelte es sich um Codewörter. Tatsächlich gemeint war das Abschlachten der Menschen mit Macheten, Äxten, Beilen und Messern. Mindestens 400 Menschen, fast ausschließlich Tutsi, wurden auf grauenvolle Weise ermordet.
Wie der BGH jetzt mitteilte, müssen die Beweise für den neuen Prozess nicht noch einmal erhoben werden. Im ersten Verfahren 2014 hatte das Frankfurter Gericht das Kirchenmassaker rekonstruiert. In 120 Verhandlungstagen befragten die Richter mehr als 100 Zeugen, 40 von ihnen reisten extra aus Ruanda an, viele andere wurden per Videoschalte vernommen. Rwabukombes Anwälte hatten damals auf Freispruch plädiert, da sie die Belastungszeugen der Anklage für unglaubwürdig hielten.
Völkermord-Verbrechen werden geahndet - überall
Das Urteil von 2014 war das zweite Völkermord-Urteil auf deutschem Boden seit den Nürnberger Prozessen vor gut 70 Jahren. Menschenrechtler und Opfervertreter sprachen von einem Richterspruch mit Signalwirkung: "Es ist eine wichtige Botschaft nicht nur an Ruanda, sondern an die gesamte Menschheit", sagte Tom Ndahiro, der sich in Ruanda für die Aufarbeitung des Völkermords einsetzt, damals im DW-Interview. Das Urteil in Deutschland zeige: Wenn jemand solch eine schwerwiegende Straftat wie Genozid verübe, könne er sich der Gerechtigkeit nicht entziehen, so Ndahiro.
Patrick Kroker von Amnesty International sprach 2014 von einer Stärkung des Weltrechtsprinzips durch Verfahren dieser Art. Dieses Prinzip besagt, dass Völkermord-Verbrechen unabhängig von Tatort und Aufenthalt der Täter überall verfolgt werden können. "Wir hoffen, dass man in Ruanda wahrnimmt, wenn jemand wegen einer Beteiligung an schlimmen Verbrechen nicht davonkommt", so Kroker. Der Prozess in Deutschland sei dabei nur "ein einzelnes Puzzleteil" - aber es sei zu hoffen, dass das weltweite Strafrecht davon profitiere.
1999 hatte der BGH zum Völkermord in Ex-Jugoslawien entschieden, dass auch Verbrechen, die von Ausländern im Ausland an Ausländern begangen wurden, in Deutschland verfolgt werden können - wenn etwa der Täter in Deutschland lebt. So war es auch im Fall Rwabukombe. Der Ruander war 2002 nach Deutschland geflüchtet, hatte erfolgreich Asyl beantragt und lebte bis zu seiner Festnahme unauffällig in Hessen.