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Brasiliens Rindfleisch-Dilemma

Tobias Käufer Bogota
19. April 2023

Die Branche jubelt über neue Exportrekorde, die Ökobilanz bleibt umstritten. Brasiliens Rindfleischindustrie steht stellvertretend für die Schwierigkeit, den richtigen Weg zu finden zwischen Wachstum und Klimaschutz.

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Treck von Nelore-Rindern in Pantanal, Brasilien
Treck von Nelore-Rindern in Pantanal, BrasilienBild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO/J. Bitzer

Die Produktion von Rindfleisch gilt als einer der größten Treiber für den menschengemachten Klimawandel. In Deutschland nahmen deshalb während der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro zwischen 2019 und 2022 große Supermarktketten die Produkte aus Brasilien aus dem Sortiment, weil die Abholzung des Regenwaldes zur Schaffung neuer Weideflächen unter Bolsonaro noch zugelegt hatte. "Als internationale Händler mit globalen Lieferketten wollen wir unseren Teil der Verantwortung wahrnehmen, um der Zerstörung bedrohter Waldgebiete entgegenzuwirken", hieß es in einer Pressemitteilung des Lebensmittelkonzern Aldi vor gut zwei Jahren.

Brasilianisches Rindfleisch weltweit gefragt

Doch während in Deutschland die Abnehmer auf Distanz gingen, kann Brasilien auf internationalem Parkett bemerkenswerte Erfolge erzielen. Das Wirtschaftsmagazin Valor berichtete vor einigen Tagen: "Die brasilianischen Rindfleischexporte dürften in diesem Jahr drei Millionen Tonnen Schlachtkörperäquivalent überschreiten." Die Prognose basiert auf Daten des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA). Sollten diese Schätzungen tatsächlich Realität werden, dann läge das Liefervolumen fast vier Prozent über dem von 2022 und entspräche fast 25 Prozent des globalen Rindfleischexports.

Keine Änderung der Rindfleischstrategie

Aus rein ökonomischer Sicht baut die neue Regierung des linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva damit die Rindfleischpolitik des Vorgängers Bolsonaro aus. "Brasilien zeigt die Stärke und Größe seines Viehbestands, und die Erweiterung der Märkte wird zu einer großen Chance, das Wachstum dieses Wirtschaftszweigs wieder aufzunehmen", wird der brasilianische Landwirtschaftsminister Carlos Favaro nach dem erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen mit Mexiko in den lokalen Medien zitiert. Rindfleisch aus Brasilien ist künftig wieder (nach einer Unterbrechung wegen Rinderwahnverdachtsfällen) oder erstmalig in Mexiko, China und in weiten Teilen des arabischen Raumes willkommen.

Rinder stehen auf einer Farm in Itapua do Oeste, Bundesstaat Rondonia, Brasilien.
Rinder stehen auf einer Farm in Itapua do Oeste, Bundesstaat Rondonia, Brasilien.Bild: Mario Tama/Getty Images

Ausdehnung von Weideflächen Hauptgrund für Entwaldung

Umweltschutzorganisationen betrachten die aktuelle Rindfleisch-Expansionsstrategie in Brasilien allerdings sehr kritisch: "Die derzeitige Situation ist besorgniserregend und weit davon entfernt, mit dem Regierungsziel der Null-Abholzung und dem breiteren Engagement im Rahmen der UN-Klima- und Biodiversitätsforen übereinzustimmen. Die Ausdehnung von Weideflächen schreitet kontinuierlich fort und ist nach wie vor der Hauptgrund für die Entwaldung im Amazonasgebiet", sagt Cristiane Mazetti, Waldexpertin von Greenpeace Brasilien, auf Anfrage der DW.

Fleischkonzerne und Händler, die sich verpflichtet hätten, Produkte in Zusammenhang mit Abholzung aus ihren Lieferketten zu verbannen, hätten ihre Versprechen gebrochen und die Zielvorgaben für vollständige Rückverfolgbarkeit immer wieder aufschoben. "In der Praxis sind gerade indirekte Lieferketten schlecht überwacht und oft mit Abholzung und Menschenrechtsverletzungen verbunden. Und das EU-Mercosur-Handelsabkommen, sollte es in Kraft treten, wird den Druck auf die Natur noch weiter verstärken", so Mazetti.

Hoffnung auf den Aktionsplan gegen Entwaldung

Die brasilianische Regierung erwähne zwar in der vorläufigen Fassung des Aktionsplans zur Bekämpfung und Verhinderung der Entwaldung im Amazonasgebiet die Absicht, ein Rückverfolgbarkeitssystem zur Überwachung von landwirtschaftlichen Produkten sowohl direkt als auch indirekt einzuführen, aber es sei noch zu früh zu beurteilen, ob dies erfolgreich sei. "Wenn es gut strukturiert wird, transparent ist und verpflichtend eingeführt wird, könnte es ein großer Schritt sein, um der Abholzung durch Viehzucht wirksam zu begegnen", sagt Mazetti.

Wo früher Regenwald war, sind heute Weideflächen für Rinder
Wo früher Regenwald war, sind heute Weideflächen für RinderBild: DW/V. Fischer

Wie eng der Export von Agrarexporten aus Brasilien mit der Waldabholzung verbunden ist, zeigt eine jüngste Untersuchung, die die Tageszeitung Folha veröffentlichte. Daraus geht hervor, dass die Hälfte der Sojaexporte nach China aus Flächen abgeholzten Atlantikwaldes stammen. Das alles tut den Erfolgen der brasilianischen Agrarindustrie keinen Abbruch. Der vom Zentrum für Agribusiness-Studien der Getulio-Vargas-Stiftung (FGV Agro) berechnete Index der agroindustriellen Produktion (PIMAgro) stieg im Januar um 1,3 Prozent - das ist das beste Januar-Ergebnis seit fünf Jahren.

Unterdessen gehen allerdings auch andere Zahlen nach oben. Die Abholzung im Amazonas nahm im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr deutlich zu. Das Nachrichtenportal G1 berichtete vor wenigen Tagen über einen Anstieg der Abholzung um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die neue Regierung Lula da Silva macht dafür die Vorgänger-Regierung Bolsonaro verantwortlich.