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Diskussion um Waffenlieferungen

Nils Naumann18. Juni 2013

"Wir brauchen Waffen." Wie ein Mantra wiederholt Syriens Opposition diesen Satz. Einige westliche Staaten können sich Waffenlieferungen vorstellen. Kritiker befürchten, dass sie in die falschen Hände geraten könnten.

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Ein syrischer Widerstandskämpfer hinter einer Barrikade - Foto: Khalil Ashawi
Bild: Reuters

Für Baschar al-Assad ist die Sache klar. Wenn westliche Staaten Waffen an die syrische Opposition liefern, dann unterstützen sie damit Terroristen. "Dann wird der Hinterhof Europas terroristisch", warnte Syriens Präsident in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Europa wird den Preis dafür bezahlen. Terrorismus bedeutet hier Chaos; Chaos führt zu Armut; und Armut bedeutet, dass Europa einen wichtigen Markt verliert." Früher oder später, so Assad, würden sich die "Terroristen" gegen den Westen wenden: "Terroristen werden kampferfahren und mit extremistischer Ideologie ausgerüstet zurückkehren". Deswegen gebe es für Europa keine Alternative zu einer Kooperation mit der syrischen Führung.

Kritik an Waffenlieferungen auch im Westen

Baschar al-Assad ist selbstverständlich alles andere als ein neutraler Gesprächspartner. Doch Kritik an der Unterstützung der syrischen Opposition mit Waffen gibt es auch im Westen. Die deutsche Regierung und viele Experten stehen Waffenlieferungen skeptisch gegenüber.

Dagegen erwägen die USA, Großbritannien und Frankreich, die Opposition aufzurüsten. Die USA liefern bisher vor allem sogenannte "nicht-tödliche" Ausrüstung wie zum Beispiel Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte. Die Amerikaner wollen ihre Unterstützung aber ausbauen. US-Präsident Barack Obama rechtfertigt das mit dem angeblichen Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime.

Pieter Wezemann ist Waffenverbreitungsexperte beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Er kritisiert die Pläne von Amerikanern, Briten und Franzosen: "Ich glaube nicht, dass Waffenlieferungen helfen, den Konflikt zu beenden." Wezemann rechnet in diesem Fall eher mit einer weiteren Eskalation.

Beiden Seiten werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen: Das Bild soll die Opfer einer Massenhinrichtung zeigen - Foto: Thomas Rassloff (dpa)
Trauer um Opfer des Bürgerkriegs: Beiden Seiten werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfenBild: picture-alliance/dpa

Es bestehe die Gefahr, dass die Rebellen mithilfe der gelieferten Waffen Menschenrechtsverletzungen begehen oder Massaker verüben. Viele der Gruppen würden sich nicht an das Kriegs- und Völkerrecht halten. Befürworter von Waffenlieferungen glauben, dieses Risiko durch eine gewissenhafte Auswahl der unterstützten Rebellengruppen ausschalten zu können.

SIPRI-Experte Wezemann widerspricht. Es sei möglich, dass die Waffen weitergegeben werden. "Es gibt ein deutliches Risiko, dass diese Waffen in die falschen Hände geraten". Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik sieht das ähnlich: "Die Rebellen sind nicht einig, es gibt viele unterschiedliche Gruppen. Alles, was nach Syrien geliefert wird, könnte auch in die Hände von islamistischen Gruppen geraten." Und dann könnten die Waffen tatsächlich eines Tages auch gegen den Westen eingesetzt werden.

Negativbeispiel Libyen

Die Erfahrung hat gezeigt, dass in Kriegsgebieten häufig Waffen verschwinden. In Libyen waren es vor allem die Bestände des Gaddafi-Regimes. Doch auch von Frankreich an die Rebellen gelieferte Anti-Panzer-Raketen, sagt Pieter Wezemann, seien nach dem Ende des Bürgerkriegs verschollen. "Wir wissen nicht wirklich, was mit diesen Waffen geschehen ist." Möglicherweise sei ein Teil davon in den Händen der Rebellen in Mali gelandet. Außerdem gibt es immer wieder Berichte über Lieferungen libyscher Waffen an die syrischen Rebellen.

Am meisten Sorge löst bei Beobachtern die mögliche Lieferung von Boden-Luft-Raketen aus. Diese könnten zwar mit Sicherungsmechanismen ausgestattet werden. Denkbar wäre, die Raketen per Fernsteuerung unbrauchbar zu machen, wenn sie in die falschen Hände geraten. Trotzdem bleibt ein großes Restrisiko. "Wenn die Rebellen mit modernen Waffen wie Boden-Luft-Raketen ausgestattet werden, dann besteht die Gefahr, dass diese Gruppen damit zivile oder militärische Flugzeuge angreifen", glaubt Wezemann. Besonders Israel mache sich darüber Sorgen.

Mitglieder der Freien Syrischen Armee mit einer selbstgebauten Rakete - Foto: Khalil Ashawi Reuters)
Mitglieder der Freien Syrischen Armee: Raketen oftmals selbstgebautBild: Reuters

Deswegen schrecken die USA und Großbritannien noch vor der direkten Lieferung solcher Raketen zurück. Saudi-Arabien aber soll angeblich bereits vor zwei Monaten schultergestützte Flugabwehrraketen an Rebellen geliefert haben. Das berichtet zumindest die oppositionelle syrische Webseite "Zaman al Wasi". Die arabische Tageszeitung "Al-Sharq Al-Awsat" meldet sogar die Lieferung von insgesamt 250 "Konkurs"-Panzerabwehrraketen aus sowjetischer Produktion aus einem "Land der Region". Samir Naschar, ein führendes Mitglied der oppositionellen Nationalen Syrischen Koalition, ist fest davon überzeugt, "dass die Amerikaner befreundeten Staaten grünes Licht für die Lieferung dieser Waffensysteme gegeben haben."

Das Bonner Konversionszentrum, ein Friedens- und Konfliktforschungsinstitut, hat in einer Studie den Einsatz von Boden-Luft-Raketen gegen die zivile Luftfahrt untersucht. Seit 1973 zählten die Forscher rund 50 Angriffe. Viele der Attacken scheiterten. Immer wieder aber gab es auch Tote. "Diese schultergestützten Flugabwehrraketen sind in der Tat ein großes Problem", sagt Rolf Nikel, Abrüstungsbeauftragter der Bundesregierung. "Sie gefährden den zivilen Luftverkehr." Die Waffenlieferungen nach Syrien dürften dieses Problem wohl weiter verschärfen.