Wahlen in Indien: Parteien werben um Expats
19. April 2024"Wenn ich könnte, würde ich die BJP (Bharatiya Janata Party) wählen", erklärt der 26-jährige Robin S. Aufmerksam verfolge er, was in seiner Heimat Indien passiere, sagt der derzeit in Würzburg lebende Luftfahrttechniker der DW. "Denn ich bin Inder, wo immer ich lebe."
Gefragt, warum er die BJP unterstütze, hält Robin S. kurz inne. Dann nennt er die Initiativen der hindu-nationalistischen Partei zur Verbesserung der nationalen Sicherheit, der wirtschaftlichen Digitalisierung und der Infrastruktur in seinem Heimatland.
"Trotz Krisen wie der COVID-19-Pandemie und des Russland-Ukraine-Krieges hat die BJP die Inflation wirksam unter Kontrolle gebracht", sagt Robin S. Gleichzeitig, räumt er ein, gebe es noch Raum für Verbesserungen.
Wahlhelfer aus dem Ausland
Am 19. April haben im bevölkerungsreichsten Land der Welt, die sich über Monate hinstreckenden Parlamentswahlenbegonnen. Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Premierminister Narendra Modi, der Frontmann der BJP, hofft auf eine dritte Amtszeit.
Modi wie auch seine Rivalen hoffen auch auf die Unterstützung der indischen Gemeinden im Ausland. Allerdings dürfen nicht ortsansässige Inder (NRI) wie Robin S. nach indischem Recht nicht im Ausland wählen. Sie müssen sich für die Wahl registrieren lassen und am Wahltag physisch in Indien präsent sein.
Nur um der Wahlen willen in die Heimat zu reisen, stellt für viele Inder einen enormen Aufwand dar. Viele seien allerdings bereit, in ihrem jeweiligen Aufenthaltsland Kundgebungen, Gemeindeversammlungen oder religiöse Aktivitäten wie Gebete für Modis dritte Amtszeit zu organisieren, sagt Vijay Chauthaiwale, der BJP-Chefkoordinator für Auslandsangelegenheiten.
"Indische Gemeinschaften mobilisieren derzeit Autokorsos in Frankreich, London sowie in zehn Städten in den USA", so Chauthaiwale zur DW. "Durch London sind rund 250 Autos gezogen, geschmückt mit der indischen Flagge und Bildern von Premier Modi."
Einige NRIs seien auch bereit, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich am Wahlkampf der BJP zu beteiligen, so der Politiker. "Die meisten von ihnen haben immer noch eine starke Bindung an das Mutterland. Sie glauben, dass eine Machtübernahme durch die BJP gut für das Land und damit auch für sie selbst ist", fügt er hinzu.
Nationalisten gewinnen an Einfluss
In der Wahlsaison sei die indische Diaspora von mehr als nur symbolischer Bedeutung, sagt Sanjay Ruparelia, Professor an der Universität von Toronto.
"In der Diaspora lebende indische Staatsbürger können etwa eine Finanzierungsquelle für Parteien sein", sagt er im DW-Gespräch.
Zwar sei der Einfluss der Diaspora über lange Zeit marginal gewesen, räumt der Politologe ein. Das habe sich allerdings seit der Machtübernahme durch Modi im Jahr 2014 geändert. Denn inzwischen erhielten die BJP und die "Sangh Parivar" - ein Netzwerk nationalistischer Hindu-Organisationen - politische und finanzielle Unterstützung von Gruppen in der Diaspora.".
"Darüber hinaus steuert die Diaspora jährlich Milliardenbeträge an Überweisungen bei", so der Analyst. Ein erheblicher Teil dieser Gelder fließ in kulturelle, von politischen Parteien gesponserte Initiativen.
Modi beliebt bei Auslandsindern
Chauthaiwale von der BJP hingegen bestreitet vehement, dass die Partei nennenswerte Mittel von im Ausland lebenden Indern erhalte.
"Die BJP organisiert keine Spendenkampagnen für die NRIs", sagt er. Akzeptiert würden nur individuelle Kleinstspenden. "Die größten Beiträge, die die Diaspora-Inder der BJP zukommen lassen, sind Zeit, Energie und Fachwissen".
Auf die indische Diaspora hat Modi erheblichen Einfluss. Die im Ausland lebenden Inder kämen häufig zusammen, um Modis Reden während der diplomatischen Reisen des Premierministers persönlich zu hören, sagt Ruparelia.
"Modis internationalen Reisen, seine Treffen mit ausländischen Staatsoberhäuptern und großen Versammlungen tragen dazu bei, sein Image als beeindruckender Staatsmann innerhalb und außerhalb Indiens zu festigen."
Indien "ausgesprochen polarisiert"
Kritiker werfen dem indischen Premier vor, er verfolge eine hindu-nationalistische Agenda. Diese drohe Indiens säkulares Fundament zu untergraben, den Raum für religiöse Minderheiten, insbesondere Muslime, zu verkleinern und das Land näher an eine hinduistische Nation heranzuführen.
Indiens "lebendige Demokratie" werde im Westen oft einer unfairen Prüfung unterzogen, sagt demgegenüber die in Hamburg lebende Politologin Amrita Narlikar. Dadurch werde auch die Diaspora in die Defensive gedrängt.
Junge und gebildete indische Auswanderer wie Robin S. sind sich der Kritik, die die BJP im Westen erfährt, durchaus bewusst. Doch Robin bleibt ein BJP-Anhänger und hofft, dass seine Familie, die ebenfalls die BJP unterstützt, in Indien wählen geht. Denn bei den Wahlen stehe viel auf dem Spiel.
Dennoch hat er jetzt einige Vorbehalte gegenüber der Regierungspartei. "Mir ist klar geworden, dass die Partei nicht ohne Fehler ist", sagt Robin S. "Seit der BJP gibt es einen Anstieg extremistischer Stimmungen religiöser ebenso wie auch politischer Art. Unsere Gesellschaft ist im Moment ziemlich polarisiert."
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.