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Chance für Versöhnung

Ana Lehmann25. September 2013

Er hat 25 Jahre gedauert und bis zu 100.000 Menschen das Leben gekostet: Vier Jahre nach dem blutigen Bürgerkrieg in Sri Lanka wurde erstmals im Norden eine Provinzregierung gewählt.

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Tamilen geben bei der Provinzwahl im Norden ihre Stimme ab (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

Die Regionalwahl in der Nordprovinz Sri Lankas, früher Hochburg der Separatisten und Schauplatz des blutigen Bürgerkrieges, war eine Premiere. Rund 750.000 Wähler haben über die Zusammensetzung der neuen halbautonomen Provinzversammlung entschieden.

Siegerin der Wahl ist die aus fünf tamilischen Parteien bestehende Tamil National Alliance (TNA). Sie gewann mehr als 78 Prozent der Stimmen und sicherte sich damit 30 der 38 Sitze im Provinzrat. Die von der regierenden United People's Freedom Alliance (UPFA) geführte Koalition errang 20 Prozent der Stimmen und sieben Sitze.

Endlich Teil-Autonomie

"Es war sehr wichtig für die Menschen in dieser Provinz, vier Jahre nach dem Bürgerkrieg endlich die Chance zu haben, ihre eigenen Vertreter zu wählen", sagt Dinesha Da Silva, Sri-Lanka-Expertin bei der Nichtregierungsorganisaton Asia Foundation. "Der neu gewählte Provinzrat kann nun grundlegende Regierungsaufgaben übernehmen, wie beispielsweise Verordnungen verabschieden, Steuern erheben oder Dienstleistungen erbringen. Es ist außerdem ein Fortschritt, dass mit dieser Wahl endlich die seit 1987 verfassungsmäßig vorgesehene Teil-Autonomie für die Nordprovinz verwirklicht werden kann."

Der 25 Jahre dauernde Bürgerkrieg wurde zwischen der Separatistengruppe Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) und der srilankischen Regierung ausgetragen. Die LTTE forderte, aus den tamilischen Siedlungsgebieten im Norden und Osten der ansonsten singhalesisch dominierten Insel einen unabhängigen Staat unter dem Namen "Tamil Eelam" zu bilden. Bis zu 100.000 Menschen wurden nach UN-Schätzungen in dem Konflikt getötet. 2009 beendete eine Offensive der Armee den Bürgerkrieg, bei der allein in den letzen Wochen 40.000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen.

"Vernünftige Wahlen"

Noch immer sei das Misstrauen zwischen Singhalesen und Tamilen groß, sagt S. I. Keethaponcalan, früherer Leiter des Instituts für politische Wissenschaften an der Universität Colombo gegenüber der Deutschen Welle. "Viele Tamilen hatten große Zweifel, ob die Wahlen frei und fair verlaufen würden. Sie erwarteten, dass die Regierung etwas unternehmen würde, um das Ergebnis zu beeinflussen."

Ein Polizist hält vor einem Wahllokal Wache (Foto: AP) ***FREI FÜR SOCIAL MEDIA***
Die Tamilenpartei TNA fordert weniger Präsenz von Armee- und Sicherheitskräften in der NordprovinzBild: picture-alliance/AP

Tatsächlich hatten Nachrichtenagenturen in den letzten Wochen immer wieder Versuche des Militärs gemeldet, Politiker und Parteiaktivisten der Tamilen einzuschüchtern. Die Armee, die im Norden Sri Lankas Tausende von Soldaten stationiert hat, bestreitet die Vorwürfe. Die Wahlen seien jedoch einigermaßen frei und fair abgelaufen, so Keethaponcalan: "Wenn man sich das Wahlergebnis ansieht, muss man davon ausgehen. Die Regierung hat vernünftige Wahlen abgehalten. Es hat viele überrascht, dass Colombo zugelassen hat, dass die TNA gewinnt."

Dennoch - das Ergebnis der Wahl bereitet der Regierung Sorgen. Sie fürchtet, dass ein Sieg der Tamilen-Allianz, die einst der LTTE-Rebellenorganisation nahestand, den weiterhin stark verbreiteten separatistischen Tendenzen unter den Tamilen des Landes erneut Auftrieb geben könnte. "Deshalb möchte sie die militärische Präsenz im Norden und eine gewisse Kontrolle nicht aufgeben."

Colombo solle dem Provinzrat nun gestatten, die Provinz ohne Behinderung und Einschränkungen selber zu verwalten, fordern die 30 Tamilen-Abgeordneten im Provinzrat. Doch trotz des deutlichen und sicheren Mandats ist noch unklar, wie viel Macht sie letztlich haben werden. Denn bisher liegt die Entscheidungsgewalt bei dem von der Zentralregierung eingesetzten Gouverneur - ein Konstrukt mit erheblichem Spannungspotential, sagt Keethaponcalan. "Wenn Colombo nun darauf besteht, dass dieser Gouverneur - er ist ein Angehöriger des Militärs - auch nach vier Jahren weiterhin im Amt bleibt, dann könnte es zu Problemen kommen."

Schritt zur Versöhnung?

Die Wahl der Provinzregierung im Norden war im Vorfeld von internationalen Beobachtern als ein Schritt in Richtung Versöhnung zwischen den ethnischen Bevölkerungsgruppen gelobt worden. Doch Politikwissenschaftler Keethaponcalan mahnt zur Zurückhaltung. "Die Wahl war laut Verfassung erforderlich und eigentlich hätte die Regierung sie schon viel früher zulassen müssen", sagt er. Viele Tamilen glauben zudem, dass die Regierung sie nicht aus eigenem Antrieb, sondern aufgrund des massiven internationalen Drucks hat durchführen lassen. Dennoch sei sie eine Chance: "Eine Versöhnung hängt nun davon ab, wie die Regierung und die TNA in Zukunft miteinander umgehen. Ich würde also nicht voreilig Schlüsse ziehen und sagen, jetzt gab es die Wahlen und nun wird es auch eine Versöhnung geben. Ich würde abwarten, welchen Spielraum Colombo der TNA einräumt."

C.V. Wigneswaran, Führer der Tamil National Alliance, und zukünftiger Chef des Provinzrats (Foto: Getty Images)
C.V. Wigneswaran, Führer der Tamil National Alliance, und zukünftiger Chef des ProvinzratsBild: Lakruwan Wanniarachchi/AFP/Getty Images

Auch die TNA, die im Wahlkampf stark auf nationalistisch-separatistische Rhetorik gesetzt hatte, sei in der Pflicht: Sie müsse ihrerseits mit der Regierung zusammenarbeiten, Versöhnung propagieren und sich dabei einer gemäßigteren Sprache bedienen, so Keethaponcalan.

Große Herausforderungen

Die neue Provinzregierung steht nun vor großen Herausforderungen: es wird erwartet, dass sie die großen politischen Differenzen zwischen der Regierungspartei UPFA und der siegreichen TNA ausbalanciert und mit dem mächtigen Gouverneur zusammenarbeitet, der einen beträchtlichen Einfluss auf das politische Tagesgeschäft haben wird. Außerdem muss sie den Menschen eine realistische Entwicklungsperspektive bieten. Noch hat die TNA, die jahrzehntelang Oppositions- und Protestpolitik betrieben hat, wenig Erfahrung mit Realpolitik und Administration.

Doch trotz aller Schwierigkeiten ist sich Sri-Lanka-Expertin Dinesha de Silva sicher: "Die Wahl der neuen Provinzregierung ist ein Meilenstein für die Zukunft des südasiatischen Landes und die Ergebnisse werden sich positiv auf den Versöhnungsprozess auswirken."