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Politik

Das Gremium, das den US-Präsidenten wählt

Jon Shelton
3. November 2020

Das Wahlkollegium in den USA wurde geschaffen, um das Volk zu repräsentieren. Doch in den vergangenen 20 Jahren hat es zwei Präsidenten gewählt, die in der Gesamtzahl der Wählerstimmen nur auf Platz zwei lagen.

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USA Pennsylvania | Electoral College in Harrisburg
Das Wahlkollegium von Pennsylvania kam 2016 in Harrisburg zusammenBild: Bastiaan Slabbers/Zuma/picture-alliance

Es ist nur schwer zu verstehen und trotzdem eines der wichtigsten Elemente des US-amerikanischen Wahlsystems: das Wahlkollegium oder Electoral College. Denn dieses Gremium wählt letztlich den US-Präsidenten.

Das Wahlkollegium wurde schon 1787 in der Verfassung verankert. Derzeit besteht es aus 538 ernannten Wahlleuten, auch Delegierte genannt. Jeder Staat stellt so viele Personen, wie sie Repräsentanten in beiden Häusern des US-Kongresses haben. Der Bundesstaat mit der kleinsten Bevölkerung, Wyoming, hat drei Delegierte, Kalifornien, der bevölkerungsreichste Staat, 55.

"Wenn man in der US-Präsidentschaftswahl seine Stimme abgibt, wählt man eigentlich eine Kandidatenliste der Wahlleute", sagt Ken Kollman, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Michigan und Direktor des dortigen Zentrums für Politische Studien (CPS). "Wenn man also die Republikanische oder Demokratische Partei wählt, stimmt man für eine Liste von entweder republikanischen oder demokratischen Wahlleuten." Diese wiederum wählen später den US-Präsidenten.

Infografik US-Wahl wie funktioniert Electoral College DE

Der Kompromiss

Das Wahlkollegium war in der US-Verfassung ein Kompromiss zwischen denen, die wollten, dass der Kongress den Präsidenten bestimmt, und jenen, die ein dezentrales System befürworteten, das ihrer Meinung nach vor einer Machtkonzentration schützt.

Das Gremium ist also ein Mittelweg zwischen einer Direktwahl durchs Volk, in der jede Stimme einer Person zählt, und der Ernennung eines Staatsoberhaupts durch das Parlament.

In 48 US-Bundesstaaten bekommt der Kandidat mit den meisten Stimmen aus dem Volk alle Delegiertenplätze zugesprochen - die sogenannte "unit rule" oder das "Der Gewinner bekommt alles"-Prinzip. Maine und Nebraska sind die einzigen beiden Staaten, in denen die Wahlleute zwischen den Kandidaten aufgeteilt werden können. Viele Staaten sind seit langer Zeit überwiegend demokratisch oder republikanisch geprägt. In einigen Staaten ist vor der Wahl aber nicht klar, ob die Demokraten oder die Republikaner die Mehrheit bekommen. Deshalb sind die sogenannten "Swing States" bei jeder Wahl hart umkämpft, da man nur mit ihnen die Wahl gewinnen kann.

Aufgrund der "unit rule" ist es möglich, dass ein Kandidat genug Stimmen im Gremium gewinnt (270) und Präsident werden kann, obwohl er landesweit vom Volk nur auf Platz zwei gewählt wurde. Das geschah in diesem Jahrhundert zweimal: Die Republikaner George W. Bush und Donald Trump gewannen im Jahr 2000 und 2016 die Präsidentschaftswahl, obwohl sie beim sogenannten "popular vote" verloren hatten.

Bevorteilung dünnbesiedelter Gegenden?

Verfechter des Systems sagen, es zwinge die Kandidaten, mehrere Teile des Landes zu besuchen. Bei einer Direktwahl würden sie sich auf die bevölkerungsreichsten Gegenden und große Städte konzentrieren, so das Argument. "Es ist aber etwas komplizierter", sagt Kollman. "[Die Kandidaten] ignorieren schon jetzt weite Teile der ländlichen Gegenden. Es hängt davon ab, ob Sie in einer ländlichen Gegend in einem Swing State leben. Dann beachten sie Sie."

USA Colorado | Zertifikat des Electoral College
Jeder Delegierte unterschreibt: So sah 2016 das Zertifikat des Wahlkollegiums aus Colorado ausBild: Brennan Linsley/AP Photo/picture alliance

Kritiker des Prinzips Wahlkollegium sagen, es entziehe Millionen Menschen quasi ihr Wahlrecht und gebe Wählern in bevölkerungsärmeren, ländlichen Staaten unverhältnismäßig viel Gewicht. Nach Angaben der US-Bundeswahlkommission entspricht die Stimme eines Delegierten in Wyoming ungefähr 190.000 Personen, während in Kalifornien auf fast 720.000 Menschen eine Delegiertenstimme kommt.

"Mehr als die Hälfte der Bundesstaaten haben durch das Wahlkollegium mehr Einfluss als durch die eigentlichen Wählerstimmen", sagt Ken Kollman. Doch er ergänzt: "Der Senat ist das viel größere Problem, wenn es darum geht, Gebieten mit geringer Bevölkerung mehr politisches Gewicht zu geben". Jeder Bundesstaat stellt unabhängig von der Bevölkerung oder anderen Faktoren zwei Senatoren. "Der US Senat ist als Gremium extrem unverhältnismäßig besetzt. Kleine Staaten sind im Vergleich zu großen Staaten erheblich überrepräsentiert.

2016 gewann Donald Trump in den Swing States Wisconsin, Pennsylvania und Florida mit hauchdünnem Vorsprung. Doch wegen des Prinzips "Der Gewinner bekommt alles" konnte er alle ihre 75 Delegiertenstimmen für sich verbuchen. In diesem Jahr ist seine Hauptzielgruppe - weiße Wähler ohne College-Abschluss - in den meisten der hart umkämpften Staaten überdurchschnittlich vertreten: in Arizona, Georgia, Florida, Michigan, Minnesota, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin.

Wie geht es weiter?

Auf die Frage, wie die Verteilung der Wahlleute in den USA langfristig aussehen könnte, sagt Kollmann: "Das Land ist geografisch immer stärker zwischen den Parteien gespalten. Ich gehe nicht davon aus, dass sich das irgendwann bald ändern wird."

Am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember geben die Wahlleute in ihren Bundesstaaten ihre Stimme ab. In diesem Jahr ist das der 14. Dezember. Die Stimmen werden dann an den Kongress geschickt. Beide Kammern treffen sich in der ersten Januarwoche zu einer gemeinsamen Sitzung, um die Stimmen auszuzählen. Der amtierende Vizepräsident liest - in seiner Rolle als Senatspräsident - den Namen des Gewinners vor. Dies übernimmt am 6. Januar Mike Pence.

Das Schwerwiegendste, das den USA und dem Parteiensystem bevorsteht, ist nach Ansicht des Politikwissenschaftlers die Frage, wie sich die Republikanische Partei nach Donald Trump entwickelt, sei es ab Januar oder in vier Jahren. Trump habe die Partei in eine "isolationistische, protektionistische und nativistische Richtung" entwickelt, sagt Kollman, wobei mit nativistisch eine Politik mit einer starken Betonung auf die Rechte der im Land Geborenen und gegen Einwanderung gemeint ist.

"Ich denke, die Hauptfrage ist, ob die Partei den Kurs beibehält oder sich dorthin zurückbewegt, wo sie vor fünf bis sechs Jahren stand", so Kollman. Alles Weitere werde sich daraus ergeben. "Aber wenn die Republikaner politisch dort bleiben, wo sie sind, und dauerhaft oder zumindest eine weitere Generation lang eine Trump'sche Partei bleiben, glaube ich, sind ihre Aussichten düster, nationale Ämter zu gewinnen."

Adaption: Uta Steinwehr