Deutschland bleibt für die USA stabiler Partner
25. September 2017Das Fazit der Bundestagswahl für außenpolitische Beobachter in den USA lautet: Es geht so weiter wie bisher. Das mag überraschend erscheinen, schließlich erreichte die rechtspopulistische AfD ein historisch gutes Ergebnis und zieht als drittstärkste Kraft ins Parlament ein. Und die konservative CDU von Kanzlerin Angela Merkel, ihre bayrische Schwesterpartei CSU sowie die Sozialdemokraten (SPD) wurden von den Wählern abgestraft.
Aber die Garantie für deutsche Stabilität, sowohl was die Rolle des Landes in der Welt, als auch die transatlantischen Beziehungen angeht, heißt Angela Merkel. Obwohl ihre Partei deutlich an Zustimmung verloren hat, wird sie wohl zum vierten Mal hintereinander zur Kanzlerin gewählt werden.
"Meiner Meinung nach steht Merkel für Stabilität in den transatlantischen Beziehungen, und ihre Wiederwahl ist ein wichtiges Zeichen, dass es damit weitergeht", sagt Ivo Daalder, Leiter des Chicago Council on Global Affairs und ehemaliger NATO-Botschafter der USA unter Barack Obama.
Keine großen Veränderungen in der Außenpolitik
"Obwohl wir die Komplexität der Koalitionsbildung nicht genau verstehen, erwarte ich nicht, dass sich an der deutschen Außenpolitik viel ändern wird", sagt Charles Kupchan, der Obamas Chefberater für Europa war und jetzt für den Council on Foreign Relations, einen amerikanischen Think Tank, arbeitet.
Das ist eine Einschätzung, die in Washington häufig geäußert wird. "Ich glaube nicht, dass [das Wahlergebnis] die deutsch-amerikanischen Beziehungen besonders beeinflussen wird", sagt James Carafano von der Heritage Foundation, die Donald Trump während des US-Wahlkampfes in außenpolitischen Fragen beriet.
Das gute Ergebnis der AfD, der ersten rechtspopulistischen Partei im Bundestag seit mehr als einem halben Jahrhundert, sei besorgniserregend und sollte ernst genommen werden. Amerikanische Wahlbeobachter betonen aber auch, die deutsche politische Landschaft reflektiere einen breiteren, internationalen Trend.
"Man kann das als historische Entwicklung für Deutschland sehen, weil das Land jetzt eine rechtsextreme Partei im Parlament hat, oder als eine Anpassung an den breiteren europäischen Trend", sagt Jeff Rathke, Vizedirektor des Europaprogramms des Center for Strategic and International Studies.
Möglicher Rechtsruck
Da alle anderen deutschen Parteien im Bundestag es ablehnen, mit der AfD zusammenzuarbeiten, wird sie wohl eine Außenseiterrolle einnehmen. Trotzdem, so Rathke, habe die AfD "das Potenzial, die Mainstream-Parteien, besonders die CDU, die CSU und die FDP, weiter nach rechts zu ziehen".
So ein möglicher Rechtsruck, in Kombination mit der sogenannten Jamaika-Koalition aus den drei Mitte-Rechts-Parteien und den Grünen, könnte das Regieren im In- und Ausland für Merkel schwieriger machen, analysiert Rathke.
Merkels bisheriger Regierungspartner in der großen Koalition, die SPD, steht im politischen Spektrum auf der Mitte-Links-Position und hat bereits den Gang in die Opposition angekündigt.
Der Politikwissenschaftler nimmt an, dass trotz aller Schwierigkeiten bei den Verhandlungen eine Koalition zustande kommen wird, die Wert auf gute Beziehungen zu Washington legt - so gut, wie das mit einem Präsidenten, der Merkel und Deutschland bereits mehrfach wegen Handels- und Migrationsfragen offensiv kritisiert hat, eben geht.
In Ermangelung einer besseren Alternative
"Ich glaube, in gewisser Weise wird Merkel das bleiben, was einige als 'Führerin der freien Welt in Ermangelung einer besseren Alternative' nennen", sagt Kupchan. "Das Wahlergebnis hat sie zwar geschwächt, aber wenn man sich Präsident Trumps unberechenbare Außenpolitik ansieht, oder die Tatsache, dass Großbritannien die EU verlässt, dann gibt es sonst einfach keinen für diesen Job."
Daalder sagt, dass Komplikationen in der amerikanisch-deutschen Beziehung eher von US-Seite ausgehen: "Wegen der Anforderungen der Koalitionsbildung in Deutschland könnte es zu Problemen in der amerikanisch-deutschen Beziehung kommen."
Eine erste wichtige Prüfung für die Außenpolitik der neuen Bundesregierung könnte schon bald anstehen, und sie hätte globale Bedeutung: Die Zukunft des Atomdeals mit dem Iran, den Berlin erhalten möchte, steht auf dem Spiel. Trump hat mehrfach angedeutet, dass die USA durchaus bereit wären, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen. Der Atomdeal sei eine Blamage für sein Land. Bis zum 15. Oktober hat Trump Zeit, den Kongress zu alarmieren, wenn er glaubt, dass sich der Iran nicht an das Abkommen hält.