Wem gehört der Wald in Honduras?
4. Dezember 2012Wem gehört der Wald? Vor dieser Frage steht die Garífuna-Gemeinschaft an der Nordküste Honduras jeden Tag aufs Neue. Laut des honduranischen Institute of Forestry (ICF) macht der derzeitige Waldbestand 59 Prozent der Landesfläche aus und das entspricht circa 6,59 Millionen Hektar. 47 Prozent der Waldfläche gehört dem Staat, 14 Prozent den Gemeinden und 39 Prozent befindet sich in Privatbesitz. Der Wald, den die Garífuna als ihren Lebensraum begreifen und schützen, wird jeden Tag kleiner. Einerseits, weil der Wald für den Emissionshandel im Rahmen von REDD – einem Klimaschutzprogramm der UN, das den globalen Schutz der Wälder fördern soll – privatisiert wird. Andererseits, weil der Staat Lizenzen für den Betrieb von Wasserkraftwerken und Minen vergibt, denn das zentralamerikanische Land ist reich an Silber, Zink und Blei.
Eine große Rolle spielt auch der Anbau von Ölpalmen zur Produktion von Biokraftstoffen. Vor allem Großgrundbesitzer und Investoren stecken hier Geld in die Produktion, das Geschäft boomt. Weltweit werden mehr als 50 Millionen Tonnen im Jahr produziert – Tendenz steigend. Nicht selten wird dabei Gemeindeland von Großgrundbesitzern illegal besetzt. Zuletzt im nordhonduranischen Verwaltungsbezirk Colón, in dem Dorf Vallecito. Die 1600 Hektar Land befinden sich seit 1997 eigentlich im Besitz von sechs Garífuna Gemeinden. Trotz eines Urteils des Obersten Gerichtshofs Ende 1999 zugunsten der Garífuna können diese seit 2005 ihren eigenen Grund und Boden nicht mehr betreten. Der Großgrundbesitzer verwehrt sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem staatlichen Agrarinstitut INA den Zutritt. Schwerbewaffnete Sicherheitskräfte überwachen das Gebiet.
Miriam Miranda setzt sich für die Rechte der Garífuna in Honduras ein. Sie leitet die Organización Fraternal Negra Hondureña (OFRANEH). Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer Enteignung der afro-karibischen Gemeinschaft im Norden des Landes: „Die Entwaldung Honduras ist nicht durch indigene Bevölkerungsgruppen verursacht worden“, sagt Miranda. Die Lebensweise der Garífuna trage kaum zur Zerstörung der Natur bei. Vielmehr würden sie sich aus dem Wald nur nehmen, was sie an Nahrung, Heilpflanzen und Baumaterialien zum Leben bräuchten.“ Die Missachtung der Rechte von Indigenen sei das größte Problem bei der Zusammenarbeit mit internationalen Projekten wie REDD, so Miranda. Dabei ist das Recht auf Gemeindeland sogar in einem international gültigen Vertrag, der ILO-Konvention 169 festgeschrieben, die auch von Honduras unterzeichnet wurde. Sie garantiert den Ureinwohnern rechtsverbindlich Schutz und Anspruch auf Grundrechte.
Einen ungehinderten Zugang zu Informationen auf allen Entscheidungsebenen haben die Garífuna aber nicht, beklagt die Menschenrechtlerin. Das gelte beispielsweise auch für die indigene Gemeinschaft der Miskito, die an der Atlantikküste im Grenzgebiet von Nicaragua und Honduras lebt.
Modell der „kommunalen Waldwirtschaft“
Doch es gibt auch Projekte, die Hoffnung machen. Bereits 2005 hat die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Honduras PRORENA ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, den Wald in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren zu verwalten und die Nutzung der natürlichen Ressourcen zu verbessern. Das System ist so effektiv wie simpel: Über einen langjährigen Nutzungsvertrag mit der Forstbehörde haben Wald-Gemeinschaften auf ihrem Gebiet das Recht, Holz aus dem Staatswald zu schlagen. Nachhaltigkeit ist dabei das oberste Ziel. Fällt also heute ein honduranischer Bauer einen Baum, muss er eine Gebühr beim Gemeindevorstand entrichten. Außerdem verpflichtet er sich, den Wald zu erhalten, also neue Bäume zu pflanzen oder Brandschutzschneisen anzulegen. Die Forstbehörde bezahlt diese Tätigkeiten, indem sie die Gebühren aus dem Holzeinschlag reinvestiert.
Dr. Gerhard Jansen koordiniert das Programm, er spricht von einer „echten Win-Win-Situation“. Auf der einen Seite erhält der Staat nun Einnahmen aus seinem Wald, auf der anderen sichert das den Bestand des Waldes. Damit das so bleibt, bildet PRORENA Waldschützer aus und schafft so neue Einkommensquellen für die Bevölkerung. „Eine Studie zeigt, dass jede Familie allein durch die Holznutzung jährlich zusätzliche Einnahmen von rund 2.600 € erzielt“, sagt Jansen. Das entspricht ungefähr der Höhe des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens in Honduras.
Das Balaire-Projekt – selbst ist die Frau
Auch das Garífuna Emergency Committee of Honduras (CEGAH) zeigt einen nachhaltigen Weg: Als 1998 Hurrikan Mitch an Honduras Nordküste enorme Schäden anrichtete, gründeten Frauen das CEGAH, zunächst als reine Katastrophenhilfe. Über die Jahre entwickelte die Initiative Maßnahmen, um für zukünftige Umweltkatastrophen besser gerüstet zu sein. Damals zerstörte Mitch rund 70 Prozent der Ernte. “Wir zeigen unseren Leuten, wie sie die traditionellen, hier heimischen Pflanzen anbauen können. Dazu gehören die Yucca- und die Kokospalme, die Tannia - eine stärkereiche Nutzpflanze - sowie Bananen und Süßkartoffeln.” Außerdem würden traditionelle Anbaumethoden helfen, sich gegen Naturkatastrophen und den Klimawandel zu wappnen, sagt Nilda Hazel Gotay, Leiterin des Komitees. Neuestes Positiv-Beispiel ist die Balaire-Palme, eine Art Wunderbaum, der sich vielfältig verwerten lässt - ob bei der Herstellung von Körben oder der Fertigung des traditionellen Garífuna-Werkzeug "La culebra", mit dem die Garífuna die Wurzeln der nahrhaften Yucca-Palme schälen, um ihr traditionelles Cassava-Brot herzustellen. Zu guter Letzt: Die Balaire ist eine Kletterpalme, die sich um andere Bäume rankt: Damit gibt sie zusätzlichen Halt gegen den nächsten Hurrikan.
Autorin: Wiebke Feuersenger
Redaktion: Klaus Esterluß