Wald schafft grünen Mehrwert
11. November 2013Klatsch! Dann ein Rascheln. Stimmen dringen aus dem Xate-Haus im Dorf Carmelita im Norden Guatemalas. Auch am Samstag arbeiten die Frauen. Die Wedel der Xate-Palme kommen frisch aus dem Regenwald und müssen für den Export verpackt werden. In Mexiko und in den USA sind sie als Grün für Blumengestecke und als Dekoration gefragt.
"Wir prüfen die Farbqualität, achten auf Flecken und Schimmel und entfernen Schädlinge, wenn es welche gibt", erklärt Marta Julia, eine der Arbeiterinnen der Kooperative von Carmelita. Ihr Blick ist konzentriert auf die Blätter gerichtet, doch neben der Arbeit unterhält sie sich mit den anderen Frauen. Rundherum spielen die Kinder, die ihre Mütter zur Arbeit im Xate-Haus mitgenommen haben.
Bearbeitete Produkte statt Rohstoffe
Mit ihrer Arbeit erhöhen die Frauen in Carmelita den Wert der Palmwedel. Das Sortieren ist ein einfaches Beispiel dafür, dass es sich lohnt, die Rohstoffe vor dem Export zu bearbeiten. So bekommt die Kooperative einen deutlich besseren Preis für die Xate-Blätter und die Arbeiterinnen haben eine neue Einkommensquelle erschlossen.
Das Xate-Haus steht auf dem Produktionsgelände der Kooperative, das von einem Zaun umgeben ist und bewacht wird. Das Tropenholz, das ordentlich gestapelt auf Käufer wartet, ist zu kostbar, um es unbeaufsichtigt zu lassen. Es ist der Hauptexportartikel der Kooperative und wird ebenfalls im Dorf verarbeitet, bevor es verkauft wird. Im eigenen Sägewerk werden die Stämme von der Rinde befreit, zerlegt und klassifiziert.
Gemeinschaftlich zu wirtschaften und die Produkte zu bearbeiten, statt nur die Rohstoffe zu verkaufen: Das sind die Erfolgsrezepte der Kooperativen in El Petén - nicht nur in Carmelita, sondern auch in den anderen Gemeinschaften, die in der nördlichsten Provinz Guatemalas Waldkonzessionen erhalten haben. So bleibt die erste Verarbeitung im Dorf, schafft Arbeitsplätze und ein Einkommen.
Strenge Umweltschutzauflagen
Stolz zeigt Orlando Martinez Molina, der Präsident der Kooperative Carmelita, auf die Holzstapel im Sägewerk. Nach einem ausgeklügelten Wirtschaftsplan, der über 40 Jahre angelegt ist, werden Bäume nur dann gefällt, wenn der Wald dadurch keinen Schaden nimmt. Um das Holz abzutransportieren, werden Schneisen geschlagen, die nicht breiter als drei Meter sein dürfen. Sind die Stämme fortgeschafft, werden die Korridore wieder bepflanzt. Denn nur wenn sie die strengen Umweltauflagen einhält, erhält die Kooperative das Nachhaltigkeitssiegel der Forest Stewardship Council, FSC. Das Siegel ist eine Bedingung für die von der guatemaltekischen Regierung vergebene Konzession.
Doch die Mühe lohnt sich, erklärt Iliana Monterroso. Seit 13 Jahren besucht die Mitarbeiterin der internationalen Nichtregierungsorganisation Rights and Ressources Initiative die Kooperativen in El Petén. In dieser Zeit hat sie miterleben können, wie die Dörfer Schulen, Wasserversorgung oder Gesundheitszentren aufgebaut und viel Geld in die Infrastruktur investiert haben: "Davon profitiert das ganze Dorf, nicht nur die Mitglieder der Kooperativen."
Technologie für die Kooperativen
Dass es in El Petén gelungen ist, soziale Entwicklung und nachhaltigen Waldschutz zu verbinden, liegt auch an der Zusammenarbeit mit Partnern aus dem In- und Ausland. "Das hat Technologie und Expertise in die lokalen Kooperativen gebracht", erklärt Luis Philipe Duchicela, Berater für indigene Angelegenheiten bei der Weltbank. Anfangs hätten nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen dabei geholfen, die Angestellten der Kooperative auszubilden. Mittlerweile laufe die Qualifizierung hauptsächlich in Eigenregie. "Was am besten funktioniert, ist Training on the Job - also Lernen im Arbeitsalltag", erklärt Iliana Monterroso.
Durch ihre Arbeit bei der Rights and Ressources Initiative, einer Nichtregierungsorganisation, die sich weltweit für die Rechte indigener Völker einsetzt, ist sie mit den Geschichten lokaler Kooperativen auch in anderen Teilen der Welt vertraut. Eine wichtige Voraussetzung für die Erfolgsgeschichte von El Petén, erklärt sie, seien die Konzessionen gewesen, die die Regierung der lokalen Bevölkerung erteilt habe: "Das unterscheidet sie von Gemeinschaften in Asien und Afrika. Dort kämpfen die lokalen Gemeinschaften vielfach immer noch um ihre Nutzungsrechte."
Doch ausgerechnet die Konzession macht der Gemeinde von Carmelita große Sorgen. Denn in neun Jahren läuft sie aus. Ob sie verlängert wird, ist ungewiss. Schon jetzt will die Kooperative deshalb in Verhandlungen mit der Regierung treten. Sie will die Waldrechte längerfristig sichern - nicht nur, um den derzeitigen Mitgliedern der Kooperative ein Einkommen zu sichern, sondern auch, um den Wald für kommende Generationen als Wirtschafts- und Schutzraum zu erhalten.