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Politik

Zu wenige Feuerwehrleute in Griechenland

21. Juli 2022

Überall in Europa brennt es. Auch vor den Toren Athens kämpfen Feuerwehrleute gegen die Flammen. Doch anstatt massiv in den Brandschutz zu investieren, kümmert sich die Regierung lieber um die Polizei.

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Griechenland Waldbrände in der Nähe von Athen
Ein Feuerwehrmann ruft nach Unterstützung beim Kampf gegen die Flammen in Penteli bei AthenBild: Kostas Tsironis/EPA-EFE

Flammen erhellen den Nachthimmel von Athen. Hinter dem 2500 Jahre alten Parthenon, dem Wahrzeichen der berühmten Athener Akropolis, bilden die Flammen einen apokalyptisch anmutenden Hintergrund. Eigentlich war es nur ein kleiner Flächenbrand im Vorort Penteli, nordöstlich der griechischen Hauptstadt. Doch der Ort ist dem eng bebauten Zentrum so nah, dass die Feuer in der Stadt gut sichtbar sind. Angefacht von starken Winden, die immer wieder die Richtung wechselten, breitete sich der Brand über große Teil des bewaldeten Hügels aus.

Um die Flammen zu bekämpfen und von Athen fernzuhalten waren drei Löschflugzeuge im Einsatz, fünf Hubschrauber, 120 Löschhelikopter und 485 Feuerwehrleute, unterstützt von der freiwilligen Feuerwehr. Als der Brand am Mittwoch Mittag (20.07.2022) unter Kontrolle war, waren etliche Häuser von den Flammen zerstört worden. Die griechische Tageszeitung Kathimerini berichtete, dass mindestens 34 Menschen mit Atemproblemen oder Brandwunden ärztlich versorgt werden mussten. Insgesamt waren etwa 40.000 Menschen betroffen.

Waldbrände verdunkeln den Himmel über der Akropolis in Athen
Rauchwolken von den nahen Waldbränden über der Akropolis in Athen Bild: Petros Giannakouris/AP/picture alliance

Jedes Jahr brennt es in Griechenland. Doch Umweltschützer warnen schon lange, dass es immer öfter brennt und die Feuer durch langanhaltende Hitzeperioden intensiver werden. Schon in den ersten drei Monaten des Jahres hat sich die Anzahl der Waldbrände laut einer Studie des Europäischen Waldbrandinformationssystems (EFFIS) im Vergleich zu den Jahren 2008 bis 2021 drastisch erhöht. Die Menschen in Griechenland spüren den Unterschied. Die Feuer rücken näher an das Leben heran, das hat das vergangene Jahr gezeigt. Der Journalist Thodoris Chondrogiannis schreibt in einem Erlebnisbericht, wie er den Rauch in seinem Schlafzimmer riechen kann: "Zum ersten Mal frage ich mich ganz praktisch: Was muss ich, oder viel besser, was kann ich mitnehmen, wenn mein Haus in Flammen aufgeht?"

Die Brände des Sommers 2021 haben den bewaldeten Norden der Insel Euböa zu großen Teilen zerstört. Die Feuer um die Hauptstadt Athen wüteten wochenlang und zerstörten Häuser und Wälder. Noch immer führen die Straßen und Bahntrassen gen Norden durch viele Hektar, auf denen ascheschwarze Baumstämme davor warnen, wie es nun auch in Penteli aussehen wird, oder in Rethimno auf Kreta, wo es letzte Woche brannte. Damals berichteten die Medien von landesweit 51 Waldbränden innerhalb von 24 Stunden.

Immer mehr Polizei - auf Kosten der Feuerwehr?

Doch die Regierung scheint den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben - oder sie hat andere Prioritäten. Statt zusätzliche Feuerwehrleute einzustellen, beschäftigt sie mehr Polizisten und staatlich bezahlte Priester. Seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Premierminister Kyriakos Mitsotakis haben die Investitionen in die Sicherheitskräfte überproportional zugenommen. Heute kommen in Griechenland 500 Polizeibeamte auf 100.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt liegt bei knapp über 300. Auch deswegen kritisieren User in den sozialen Netzwerken den griechischen Bürgerschutzminister, Takis Theodorikakos. Dieser twitterte am Dienstag ein Foto von Polizisten, die einen kleinen Brand löschen und gratulierte ihnen zu ihrer Arbeit.

Bereits im vergangenen Jahr kritisierten viele Betroffene das Überaufgebot der Polizei, während Feuerwehrleute an allen Ecken und Enden fehlten. Im November kam es vor dem Generalsekretariat für Bürgerschutz in Athen zu einer symbolreichen Szene. Hunderte saisonal beschäftigte Feuerwehrleute, die von der Regierung für ihren Einsatz im Sommer noch als Helden gefeiert wurden, demonstrierten gegen ihre Entlassung.

Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der gefürchteten MAT, der Spezialeinheit der Polizei, die gegen die Demonstranten mit Wasserwerfern vorging: "Sie wollten eine Festanstellung und wurden von einem riesigen Polizeiaufgebot zurückgedrängt", erinnert sich Tony Rigopoulos, Reporter bei der regierungskritischen Zeitung Documento.

Priester statt Feuerwehrleute

"Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel. Wir hören: Das Brandschutzsystem wird im nächsten Jahr besser sein", kritisiert Rigopoulos. Seit 2011 kursiert die Zahl 4000 in der Diskussion um die Brandschutzprävention. Damit gemeint ist die Anzahl der Feuerwehrleute, die zusätzlich eingestellt werden müssten. Doch nur 500 weitere Stellen wurden in der Feuerwehr geschaffen. Stattdessen wurde der Zypriot Christos Stylianides eingebürgert und zum ersten Klimaschutzminister Europas ernannt, ein Mann, der zuvor EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz war.

Feuer wüten in den nordöstlichen Vororten von Athen im Juli 2022
Feuer wüten in den nordöstlichen Vororten von Athen im Juli 2022Bild: Lefteris Partsalis/Xinhua News Agency/picture alliance

Am Mittwoch Morgen teilte er einen Tweet der griechischen Staatspräsidentin zum Jahrestag der türkischen Invasion seiner Heimat Zypern, just in den Stunden, in denen Menschen vor den Toren Athens vor den Feuern fliehen mussten. Erst am Abend meldete er sich zu Wort und lobte die eigene Strategie: "Koordination, Zusammenarbeit und rechtzeitiges Eingreifen waren vom ersten Moment an das Herzstück unserer neuen Strategie", teilte er der Presse mit. Für viele Griechen ist die Schwerpunktsetzung ihrer Regierung ein Rätsel, beispielsweise auch, warum 3266 neue Priester auf Staatskosten ihre Arbeit aufnehmen konnten, während dringend benötigte Feuerwehrleute auf eine Festanstellung verzichten müssen.

Viele Worte - wenig Taten

Vor kurzem berichtete die Deutsche Welle über die Sorgen der Umweltorganisation WWF und der freiwilligen Feuerwehr in Vyronas bei Athen hinsichtlich der Waldbrandgefahr. Kaum etwas sei geschehen in puncto Prävention, gerade was die dringend notwendige Vorbereitung der empfindlichen Wälder betrifft: "Ich habe mit Anwohnern im brennenden Penteli gesprochen, die gesagt haben, dass sie als Freiwillige die Wälder von leicht entzündlichem Unterholz befreien wollten, dafür aber keine Genehmigung erhielten", berichtet Documento-Reporter Tony Rigopoulos.

Ein Feuerwehrmann richtet seinen Schlauch auf die Flammen in Penteli, einem Vorort von Athen
Mit Löschwasser gegen die Flammen, die Athen bedrohenBild: Thanassis Stavrakis/AP Photo/picture alliance

Die Regierung von Premierminister Mitsotakis versprach, die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und sich für den Kampf gegen die jährlichen Waldbrände zu wappnen. Einer der Kritikpunkte im vergangenen Jahr war, dass Athen den Europäischen Katastrophenschutz zu spät aktivierte und dringend benötigte Hilfe zu spät kam. Das sollte in diesem Jahr anders werden. Bereits seit Anfang Juli trainieren griechische Feuerwehrleute an der Seite von Kolleginnen und Kollegen aus sechs europäischen Ländern an kritischen Punkten in Griechenland. Eine gute Maßnahme, doch lange nicht ausreichend: "Feuerwehrleute müssen bei Waldbränden die Umgebung gut kennen, sonst können sie praktisch nichts tun", erklärt Stavros Salayiannis von der Freiwilligen Feuerwehr in Vyronas gegenüber der Deutschen Welle.

Porträt eines Mannes mit braunen Haaren und Bart
Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland