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Walesa ruft zu Neuwahl-Referendum in Polen auf

23. Dezember 2015

"Diese Regierung macht uns in der ganzen Welt lächerlich", sagt der frühere Solidarnosc-Chef, der am Fall des Kommunismus mitwirkte. Die Bevölkerung müsse auf Neuwahlen dringen. Es drohe Gefahr für die Demokratie.

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Lech Walesa (Archivbild: Reuters)
"Gegen alles, was wir erreicht haben": Ex-Präsident Lech Walesa (Archivbild)Bild: Reuters/M. Schreiber

Der frühere polnische Präsident Lech Walesa hat die neue nationalkonservative Regierung seines Landes als eine Gefahr für die Demokratie kritisiert und zu Neuwahlen aufgerufen. "Diese Regierung handelt gegen Polen, gegen das, was wir erreicht haben, Freiheit, Demokratie - ganz zu schweigen davon, dass sie uns in der ganzen Welt lächerlich macht", sagte Walesa dem Rundfunksender Zet. Er rief dazu auf, ein Referendum zu organisieren, in dem die Bevölkerung ihren Unmut mit der Regierung manifestieren und vorgezogene Parlamentswahlen fordern sollte.

Walesa hat keine Funktion mehr im Staat. Allerdings hat der ehemalige Chef der Gewerkschaft Solidarität noch großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Als Solidarnosz-Chef hatte er in den 1980er-Jahren maßgeblich am Wandel Polens von einem kommunistischen zu einem demokratischen Land mitgewirkt. Von 1990 bis 1995 war er polnischer Staatspräsident.

Radikaler Systemumbau

Die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat bei der Parlamentswahl im Oktober die absolute Mehrheit gewonnen und baut seither das politische System des Landes radikal um. Am Dienstagabend brachte die Regierung nach heftigen Debatten im Parlament eine umstrittene Gesetzesänderung zum Verfassungsgericht durch, die nach Einschätzung des Gerichts dessen Unabhängigkeit beendet. In den vergangenen Wochen hatten landesweit tausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen und euroskeptischen PiS demonstriert.

Die Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft forderte die EU-Kommission auf, die polnische Regierung nach Brüssel vorzuladen. "Die Einschränkung der Rechte des Verfassungsgerichts ist nicht akzeptabel", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn der Nachrichtenagentur Reuters. "Es geht um die Grundrechte nicht nur Polens, sondern der EU, die hier verletzt werden. Deshalb müssen EU-Kommission, das Europäische Parlament und notfalls auch der EU-Rat handeln", verlangte Asselborn.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (Archivbild: dpa)
"Es geht um die Grundrechte der EU": Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Auch in Deutschland regt sich Kritik am politischen Kurs des Nachbarlandes. Die EU-Kommission müsse die umstrittenen Gesetzesänderungen "rechtlich und politisch zum Thema machen", erklärte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer im Reuters-Interview. Es müsse geprüft werden, ob die neue polnische Regierung nicht gegen europäische Grundwerte verstoße. "Wir können und wollen uns kein zweites Ungarn erlauben", sagte Schäfer mit Blick auf ebenfalls antidemokratische Entwicklungen in Budapest.

"Alle rechtlichen Mittel ausschöpfen"

Schäfer forderte die polnische Opposition und die Bürger auf, alle rechtlichen Mittel gegen die Gesetzesänderung der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auszuschöpfen. Die Regierungszusammenarbeit mit Polen solle aber "in normaler Form" fortgesetzt werden. Zudem sei es wichtig, zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen den beiden Ländern zu stärken.

Der polnische Präsident Andrzej Duda verteidigte dagegen die nationalkonservative PiS und wies die Kritik der Gegner zurück. Diese griffen die Regierung vor allem deshalb an, weil sie ihre eigene Wahlniederlage nicht akzeptieren wollten, erklärte Duda in einem Interview mit dem britischen Rundfunksender BBC. Der Politiker hatte im Mai als Kandidat der PiS die Präsidentenwahl gewonnen.

jj/kle (dpa, rtr)