Wandern in der Wallonie
27. August 2012Malerisch eingebettet in eine grüne Hügellandschaft der Ardennen, knapp 35 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, liegt die vielleicht schönste Rennstrecke der Welt: Spa-Francorchamps. Rekordweltmeister Michael Schumacher erklärte den legendären Kurs mit den charakteristischen Kurven zu seinem Wohnzimmer. "Durch Eau Rouge oder Blanchimont zu fahren, setzt ganz spezielle Gefühle frei - Gefühle der enormen Zufriedenheit und der Bestätigung, ein Rennauto am Limit bewegen zu können", schwärmte Schumacher, der 1991 in der Formel 1 als 22-Jähriger auf der fast sieben Kilometer langen Rennstrecke debütierte. An diesem Wochenende kehrte der siebenmalige Champion zurück, um beim Großen Preis von Belgien im Mercedes sein 300. Rennen in der Königsklasse zu bestreiten. Bereits am Donnerstag (30.08.2012) hatte "Schumi" die Gelegenheit, die nur fünf Kilometer entfernte, historische Kurstadt Spa zu besuchen. Dort wurde dem 43-Jährigen die Ehrenbürgerwürde verliehen - "wegen seiner Verdienste um das Ansehen des Automobilsports und der Region."
Die Mutter aller Kurorte
"Perle der Ardennen" und "Café Europas": Mit diesen Beinamen schmückte sich einst Spa, das 10.000-Einwohnerstädtchen in der Wallonie, dem französischsprachigen Süden Belgiens. "Wir sind ungefähr 30 Kilometer von Aachen entfernt, aber man ist in einer anderen Welt", erklärt Stadt- und Naturführer Albert Warnimont. "Spa ist sehr alt, die erste Kurstadt in Europa. Der Begriff Spa kommt von hier. Dafür ist unser Name überall bekannt."
Und tatsächlich: Weltweit steht Spa als Synonym für Hotel- Kur- und Thermalanlagen. Das liegt an den 300 Mineralwasserquellen, die rund um Spa gezählt wurden und denen eine heilende Wirkung nachgesagt wird. Schon im 16. Jahrhundert gab es hier Kuraktivitäten. 200 Jahre später traf sich die europäische Aristokratie in Spa, um sich mit Kuren verwöhnen zu lassen oder im Casino zu amüsieren. "Der ganze Adel Europas ist nach Spa gekommen, weil hier immer Frieden herrschte", betont Warnimont.
Der Glanz von einst ist zwar ein wenig verblasst, doch hat sich Spa einer Verjüngungskur unterzogen. Das neue Thermalzentrum auf einem Hügel der Stadt, spektakulär mit einer Standseilbahn zu erreichen, wirbt mit einer wundervollen Panoramasicht. Daneben locken der Rennsport, aber vor allem auch das Rockmusikfestival "Francofolies" überwiegend junge Besucher in die Ardennen. Und nicht zu vergessen: "Das Essen ist besonders gut, wir haben die französische Küche", verweist Warnimont voller Stolz auf eine unverfälschte Regionalküche, die auch wegen des würzigen Ardenner Schinkens und des Trappistenbiers gerühmt wird.
"Ein echtes Wanderparadies"
Spa ist umgeben von einer abwechslungsreichen Landschaft und somit idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in romantischen Flusstälern und tiefen Wäldern. "Das sind schöne Buchen- und Eichenwälder, kaum Tannen", betont Gästeführer Warnimont. "Das ist ein echtes Wanderparadies."
Ein 14 Kilometer langer Rundwanderweg bei Spa führt von der Barisart-Quelle an Bachläufen entlang zum Moorgebiet Fagne de Malchamps. Der Pfad windet sich durch Mischwälder, vorbei an kleinen Kaskaden, hoch zum Naturzentrum Bérinzenne samt Museum. Dahinter beginnt die geheimnisvolle Moorlandschaft, die auf hölzernen Stegen sicher erkundet werden kann. "Alle Wege sind gut beschildert", so Warnimont. "Entsprechende Karten sind im Touristenbüro erhältlich. Und es gibt auch Radwanderwege." Von einem Aussichtsturm im Moor lassen sich die Ausläufer des Hohen Venn überschauen, der Blick reicht bis ins Lütticher Land.
Die Haupt-Wandersaison in der Wallonie geht von März bis in den Oktober hinein. Neben Proviant, Trinkwasser und wetterfester Kleidung sind wasserdichte Wanderschuhe unerlässlich - vor allem auch bei der Tour durch das Tal der Feen bei Achouffe. Während es auf dem Hinweg eher lieblich und gemächlich zugeht, erfordert der Rückweg durch das tief eingeschnittene Tal des Martin-Moulin-Baches eine gewisse Trittsicherheit. Der schmale Pfad führt über viele Wurzeln und Steine, an manchen Stellen muss man über kleine Felsbrocken auf dem im Sommer aber flachen Wasser balancieren. Krönender Abschluss sollte ein Besuch der kleinen Bierbrauerei Brasserie d'Achouffe sein.
Für erfrischende Abwechslungen sorgen aber auch eine Kanufahrt auf der Lesse oder eine Kajaktour auf der wildromantischen Ourthe bei La-Roche-en-Ardenne. Auch im Winter kommen Sportbegeisterte nach den Worten von Warnimont auf ihre Kosten. "Wir sind nicht in den Alpen. Aber die Berge sind 600 Meter hoch. Und da gibt es reichlich Langlaufloipen", wirbt der Stadt- und Naturführer.
Sport- und Kunststadt Lüttich
Als Stadt für Sportbegeisterte erweist sich Lüttich, das kulturelle Zentrum der Wallonischen Region. "Wir haben hier viele Lauf-Wettbewerbe sowie den Rad-Klassiker Lüttich - Bastogne - Lüttich", erklärt Pierre Tiereliers vom Verkehrsamt der 200.000-Einwohner-Stadt am Rande der Ardennen. "In diesem Jahr startete hier auch die erste Etappe der Tour de France." Empfehlenswert sei es, ein Spiel des Fußball-Traditionsvereins Standard Lüttich zu besuchen oder aber beschaulich an der Ourthe wandern zu gehen, "die schöne Täler geschaffen hat." Die Ourthe mündet in Lüttich in die Maas. "Und dieser Fluss ist die Autobahn des Mittelalters und auch heute noch", sagt Tiereliers. "Wir haben den drittgrößten Binnenhafen Europas."
Lüttich befindet sich im Wandel. Lebte die Stadt einst vom Bergbau und der wallonischen Schwerindustrie, so erlebt sie heute nach der Strukturkrise eine Renaissance. "Lüttich ist eine wichtige kulturelle Stadt im Euregio-Dreieck mit vielen Museen. Ein sehr angenehmer Ort, um Spaß zu haben", betont Tiereliers. Eine Besonderheit seien die Halden der ehemaligen Steinkohle-Bergwerke, "die neuen Berge" rings um Lüttich. Stolz ist die Universitätsstadt mit französischem Flair auf den 10.000 Quadratmeter großen Museumskomplex Grand Curtius am Ufer der Maas. Kernstück ist ein prächtiges Kantorgebäude im Stil der maasländischen Renaissance. Tireliers erinnert auch an die enge Verbundenheit Lüttichs mit der deutschen Kultur: "Wir waren einst ein Teil des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation."
Charakteristisch für das moderne Lüttich ist der futuristische Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge, EuroLiège. Entworfen hat ihn Stararchitekt Santiago Calatrava. Für 2017 hat die "Cité ardente", die feurige Stadt, Großes vor. Im Wettbewerb mit Astana in Kasachstan bewirbt sie sich um die Ausrichtung der Weltausstellung. Zum Savoir vivre in Liège, so Lüttichs offizieller französischer Name, gehören die vielen volkstümlichen Feste und Umzüge. "Im September feiern wir das Nationalfest, und zum Ende des Jahres eröffnen wir unser Weihnachtsdorf. Das ist für die Lütticher von großer Bedeutung", erklärt Stadtführer Tireliers. Sehenswert sei auch der sonntägliche Wochenmarkt "La Batte" am Ufer der Maas, der sich über mehrere Kilometer erstreckt. Ihn abzuwandern ist fast schon eine sportliche Herausforderung.