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Inflation immer noch nicht hoch genug

Rolf Wenkel mit dpa, afp, rtrd
11. August 2017

Nahrungsmittel, Reisen und Mieten sind im Juli die Preistreiber in Deutschland gewesen. Trotzdem sieht die Europäische Zentralbank keinen Grund zur Zinswende. Das macht den Banken zunehmend Probleme.

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Symbolbild Eurobonds
Bild: picture alliance/dpa/Bildagentur-online/HRI-McPhoto

Die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel haben auch im Juli die Inflation in Deutschland angetrieben. Die Teuerungsrate stieg um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte. Lebensmittel wurden überdurchschnittlich um 2,7 Prozent teuer - Butter sogar um 64 Prozent.

Die Inflationsrate zog damit den zweiten Monat in Folge leicht an, wie die Statistiker mitteilten. Eine etwas höhere Rate mit 2,0 Prozent hatte es im April gegeben. Der Preisanstieg für Nahrungsmittel lag wie im Juni schon deutlich über der Gesamtteuerung. Auch die Nettokaltmieten zogen im Juli mit 1,8 Prozent überdurchschnittlich stark an. Bei den Pauschalreisen konnten die Veranstalter sogar Preiserhöhungen von durchschnittlich 4,3 Prozent durchsetzen.

Dämpfend wirkten sich dagegen wie im Juni schon die Energiepreise aus. Sie waren im April noch um rund fünf Prozent und im Mai um zwei Prozent gestiegen, blieben im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat dagegen unverändert und kletterten im Juli nur um 0,9 Prozent.

Keine Wende in Sicht

Auf die Geldpolitik und das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) wird diese Preisentwicklung jedoch keinen Einfluss haben. Die EZB strebt für den Euro-Währungsraum eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent an, die sie für die Konjunkturentwicklung als ideal ansieht. Sie erwartet trotz einer sich verbreiternden wirtschaftlichen Erholung keinen schnellen Anstieg der Verbraucherpreise. Zuletzt lag die Teuerungsrate im Euro-Raum mit 1,3 Prozent weit vom EZB-Ziel entfernt.

Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters zufolge voraussichtlich im September Veränderungen an ihren umstrittenen Anleihekäufen in Aussicht stellen. Von 50 befragten Volkswirten rechnen 28 damit, dass die Währungshüter dies bereits im September ankündigen. 15 Experten gehen von Oktober aus. Reuters hatte die Ökonomen zwischen dem 7. und 9. August befragt.

Die EZB und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder erwerben bereits seit März 2015 in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Mit den Käufen sollen Banken dazu angeregt werden, weniger in diese Titel zu investieren und stattdessen mehr Kredite an die Wirtschaft auszureichen. Ziel ist es, die Konjunktur und die aus Notenbank-Sicht unerwünscht niedrige Inflation anzuschieben. Die Käufe sollen noch bis Ende 2017laufen und dann ein Gesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte zuletzt gesagt, im Herbst werde es eine Diskussion zu den Käufen geben.

Diskussion imOktober?

Insidern zufolge erachten die EZB-Ratsmitglieder die Zinssitzung im Oktober als den wahrscheinlichsten Termin. Die Option, über ein Herunterfahren der Transaktionen erst im Dezember zu entscheiden, werde als zu spät angesehen. Die nächste Zinssitzung ist am 7. September angesetzt. Im Monat darauf ist das Treffen am 26. Oktober geplant.

Die Nullzinspolitik und die Strafzinsen, die Banken der Zentralbank zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, führen unterdessen nur in geringem Maße zu konjunkturellen Impulsen. Die Kreditinstitute in Deutschland versuchen einer Umfrage zufolge, diese Strafzinsen zunehmend an Unternehmenskunden weiterzugeben. Fast jede fünfte Firma sei bereits mit Negativzinsen auf Guthaben konfrontiert worden, berichtet das Münchner Ifo-Institut.

Geringe Konjunktureffekte

Die meisten Unternehmen versuchen die Negativzinsen zu umgehen, wie aus der Ifo-Umfrage unter 4000 Firmen aus Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen hervorgeht. An erster Stelle stehen demnach Verhandlungen mit der Bank sowie ein Wechsel zu einem anderen Institut, das noch keine Strafzinsen erhebt. Manche Unternehmen schichteten Finanzanlagen um, und nur elf Prozent erhöhten ihre Investitionen oder zogen sie vor, was bedeutet, dass vom erwünschten konjunkturellen Impuls der EZB nur elf Prozent in der Wirtschaft ankommen.

In der Zinsflaute werden Verbraucher und Unternehmen, die Geld anlegen, zunehmend zur Belastung für Banken und Sparkassen. Wichtigste Ertragsquelle der Institute in Deutschland ist traditionell der Zinsüberschuss - die Differenz zwischen dem, was die Geldhäuser zum Beispiel für Kredite kassieren und auf der anderen Seite ihren Kunden etwa als Sparzinsen zahlen. Weil die EZB die Zinsen im Euroraum faktisch abgeschafft hat, brechen die Erträge weg.