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Stillstand an deutschen Flughäfen

27. Juli 2022

Deutschlandweit streikt seit dem frühen Morgen das Bodenpersonal der Lufthansa. Hunderte Flüge wurden gestrichen. Allerdings gab es am Mittwoch auch schon eine erste kleine Einigung.

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Deutschland Verdi-Warnstreik bei Lufthansa – Frankfurt/Main
Deutschland: Verdi-Warnstreik bei Lufthansa – Leere Schalter am Flughafen Frankfurt/MainBild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

In vielen Bereichen des Frankfurter Flughafens herrschte am Mittwochmorgen zunächst gähnende Leere. Wie angekündigt streikt seit dem frühen Morgen das Lufthansa Bodenpersonal, dazu gehören beispielsweise Schalterpersonal, Flugzeugtechniker oder die Fahrer der Schlepper, die Flugzeuge am Flughafen auf die richtigen Positionen schieben.

Im vorwiegend von Lufthansa genutzten Terminal 1 sei es sehr ruhig gewesen, sagte der Sprecher des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport. Die meisten Schalter sind geschlossen. Später bildeten sich am Vormittag vor den wenigen besetzten Schaltern lange Schlangen von Reisenden. Es handelte sich Augenzeugen zufolge meist um ausländische Touristen, die ihren Weiterflug umbuchen wollten.

Am größten deutschen Airport Frankfurt wurden für den Tag 725 von 1160 geplanten Flügen abgesagt, wie der Sprecher von Fraport erklärte. Damit sind auch Flüge anderer Gesellschaften betroffen, die üblicherweise vom Lufthansa-Bodenpersonal mit betreut werden. Lufthansa selbst hatte angegeben, dass aufgrund des Streiks 646 Flüge abgesagt würden.

Betroffen sind neben den Drehkreuzen Frankfurt und München auch Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart und Köln. Der Lufthansa-Konzern unterhält dort meist kleinere Einheiten, die ihre Dienstleistungen auch anderen Airlines anbieten. Insgesamt wurden rund 1000 Flüge gestrichen wurden. Betroffen sind nach Angaben der Lufthansa insgesamt rund 134.000 Passagiere. Die Airline hat auf einer Webseite alle relevanten Informationen zusammengestellt.

Der von der Gewerkschaft Verdi initiierte Warnstreik der rund 20.000 Bodenbeschäftigten soll sich bis sechs Uhr am Donnerstagmorgen hinziehen. Allerdings wird auch in den darauffolgenden Tagen mit Auswirkungen des Streiks auf den Flugverkehr gerechnet.

Deutschland Verdi-Warnstreik bei Lufthansa – Frankfurt/Main
Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann kritisierte im Vorfeld des Streiks: "Die frühe Eskalation nach nur zwei Verhandlungstagen in einer bislang konstruktiv verlaufenden Tarifrunde richtet enorme Schäden an". Das belaste die Fluggäste und auch die Mitarbeitenden in einer ohnehin schwierigen Phase des Luftverkehrs zusätzlich stark.Bild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Lufthansa hat schon am Dienstag betroffenen Passagieren davon abgeraten, zu den Flughäfen zu kommen, weil dort die meisten Schalter ohnehin nicht besetzt seien. Fluggästen, die an deutschen Drehkreuzen einen Weiterflug gebucht hatten, wird geraten, wenn der Anschlussflug nicht bestätigt wurde, nicht an die deutschen Drehkreuze zu fliegen. Es bestehe die Gefahr, dass sie Gäste für mehrere Stunden oder Tage nicht weiterreisen könnten.

Durchbruch in Stuttgart

Erste Erfolge konnte Verdi und der Dienstleister SGS bereits am frühen Mittwoch am Flughafen Stuttgart erzielen. Hier einigte man sich auf einen Tarifabschluss. Die rund 300 am Boden Beschäftigten sollen stufenweise 18 Prozent mehr Lohn erhalten, wie Verdi am Mittwoch mitteilte. Dieser Verhandlungsdurchbruch sei möglich gewesen, weil der Arbeitgeber in Stuttgart, "auch unter dem Eindruck des Warnstreiks bei der Lufthansa" verstanden habe, "wie ein Tarifergebnis im Jahr 2022" aussehen müsse, erklärte Verdi-Verhandlungsführer Jan Bleckert.

Die Tarifeinigung in Stuttgart sieht laut Verdi vor, dass die Löhne ab August um acht Prozent erhöht werden. Zum Jahreswechsel sollen sie um weitere zehn Prozent steigen. Der Tarifvertrag läuft bis Ende Juni 2023.

Bodenpersonal "das Sparschwein der Lufthansa" 

Kritisiert wurde vor allem, dass der Warnstreik inmitten der Sommerreisezeit stattfindet. Zur Verteidigung sagte die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Christine Behle, am Mittwoch im RBB Inforadio, das Bodenpersonal "war wirklich das Sparschwein der Lufthansa". Die Situation an den Flughäfen und auch bei den Beschäftigten sei "extrem angespannt", deswegen sei "keine Zeit" gewesen, "über Monate hin zu verhandeln".

Die Lufthansa habe in den vergangenen Jahren nicht mehr in das Personal investiert, so Behle. Der Personalabbau während der Corona-Pandemie sei "nur die Spitze des Eisbergs". Auch davor sei nicht genug für das Personal getan worden. "Man muss auch ernsthaft fragen, wenn man in München wohnt, will man tatsächlich an einer Station für 2100 Euro anfangen, wo man faktisch sich gar nichts von leisten kann. Das macht die Lufthansa unattraktiv", sagte Behle im Inforadio. Es sei deswegen wichtig, jetzt zu investieren: "Nicht nur in neue Flugzeuge, modernes Gerät, sondern auch in die Menschen."

Erstmal keine weiteren Streiks geplant

Lufthansa-Kunden müssen nach dem Warnstreik des Bodenpersonals am Mittwoch zumindest bis zur nächsten Gesprächsrunde in der kommenden Woche keine weiteren Aktionen der Gewerkschaft Verdi fürchten. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle sagte am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin auf eine entsprechende Frage: "Das kann ich ausschließen." Verdi und die Lufthansa wollen wieder am 3. und 4. August über Gehälter und Arbeitsbedingungen der rund 20.000 Bodenbeschäftigten sprechen. 

Verdi-Warnstreik bei Lufthansa - Hamburg
Kaum Trost für die jetzt betroffenen Passagiere: Nach diesem Warnstreik sind keine weiteren Streiks in der kommenden Woche geplantBild: picture alliance/dpa

Festgefahrene Tarifverhandlungen zwischen Verdi und Lufthansa

Der erste Streik bei Lufthansa nach dem Corona-Schock kommt vor dem Hintergrund eines teilweise chaotisch verlaufenen Neustarts der Branche. Personalengpässe und eine starke Urlaubsnachfrage haben schon ohne Streiks zu erheblichen Abfertigungsproblemen in diesem Sommer geführt. Verdi macht dafür vor allem Missmanagement bei Flughäfen und Airlines verantwortlich. Der Lufthansa-Airline-Chef Jens Ritter sieht die erreichten Fortschritte durch die Streikankündigung in Frage gestellt. Der Ausstand werde Kunden und Personal über den Streiktag hinaus belasten, sagte Ritter auf der Plattform LinkedIn.

Die Tarifverhandlungen zwischen der Lufthansa und Verdi für die rund 20.000 Beschäftigten am Boden waren in der zweiten Runde Mitte Juli ohne Ergebnis geblieben. Lufthansa hat nach eigenen Angaben bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine zweistufige pauschale Gehaltserhöhung um zusammen 250 Euro angeboten, zu der ab Juli kommenden Jahres noch eine gewinnabhängige Steigerung um 2 Prozent käme. Bei einem monatlichen Grundgehalt von 3000 Euro ergäbe sich daraus eine Steigerung von 9 bis 11 Prozent, rechnete das Unternehmen vor. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle bezeichnete das Beispiel als "schöngerechnet". Für andere Gehaltsbereiche betrage die Steigerung nur rund vier Prozent und bringe damit für die Beschäftigten Reallohnverluste, sagte sie der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Die Gewerkschaft fordert bei 12 Monaten Laufzeit 9,5 Prozent mehr Geld in den Lohntabellen, mindestens aber 350 Euro.

iw/hb (dpa, afp, rtr)