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Wenn die Flucht in die USA misslingt

Carolina Chimoy
10. März 2021

Die neue US-Regierung möchte die Flüchtlingspolitik von Ex-Präsident Trump grundlegend ändern. Für viele Geflüchtete, die auf dem Weg Richtung USA sind, weckt das Hoffnungen. Zu große? Von Carolina Chimoy, Matamoros.

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Warteraum Mexiko
Warteraum Mexiko: César Moncado und seine FamilieBild: Xavier Roca

César Moncada sitzt auf einer verlassenen Veranda. Er, seine Frau und seine zwei Kinder haben dort eine kleine Schlafnische gefunden. Drei andere Familien liegen dort ebenfalls in Schlafsäcken - und wirken erschöpft. Sie alle kommen aus Honduras und sind seit Monaten zu Fuß unterwegs gewesen. "Uns wurde gesagt, dass hier in Matamoros die Flüchtlinge endlich auf die andere Seite gelassen werden", sagt César. Mit der "anderen Seite" meint er die USA. Eine Brücke über den Rio Grande verbindet die Stadt Matamoros im Nordosten Mexikos mit Brownsville, einer Kleinstadt im Süden von Texas.

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César Moncado vor der Veranda, dem zeitweiligen Zuhause von ihm und seiner FamilieBild: Carolina Chimoy/DW

In Matamoros haben Tausende von Flüchtlingen vor zwei Jahren einen Park besetzt, der direkt an der Grenze zu den USA liegt. Mit Hilfe einzelner Personen, die Zelte und Decken spendeten, entwickelte sich dieser Ort zum inoffiziellen Flüchtlingslager von Matamoros - mit bis zu 4000 Geflüchteten. Der neue US-Präsident Joe Biden hat per Dekret entschieden, dass diese Geflüchteten, die seit Jahren auf Asyl hoffen, nun endlich über die Brücke in die USA dürfen. Das ist eine super Nachricht - für alle, die im Flüchtlingslager waren. Wer noch nicht im Flüchtlingslager von Matamoros war, hat jetzt ein Problem.

Wenn die Heimat zu gefährlich wird

César kommt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von San Pedro Sula im Norden von Honduras, über 2000 Kilometer entfernt von Matamoros. Er hat dort mit seiner Frau und seinen beiden Kindern gelebt. "Mein Land ist ein wunderschönes Land", sagt er. "Es ist unser Zuhause, aber wir sind gezwungen worden, alles hinter uns zu lassen."

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So nah und doch so fern: Diese Brücke führt auf die andere Seite - in die USABild: Carolina Chimoy/DW

César besitzt einen Friseurladen an der Hauptstraße seines Dorfes. Eines Tages erhielt er die Botschaft, dass er nun monatlich 10.000 Lempiras (rund 300 Euro) an die Gang zahlen muss, die das Drogengeschäft in der Region dominiert. Das Geld müsse er zahlen, damit er weiterhin "das Recht habe, den Laden zu behalten".

"10.000 Lempiras! Ich habe mit meinem Laden gerade einmal 20.000 Lempiras verdient, und davon musste ich noch Miete, Essen, Schulgeld zahlen", erzählt er. "Ich hätte mir das nicht leisten können. Aber ich wusste, diese Gang herrscht über mein Dorf." Dann kam die erste Drohung, sie würden seiner sechsjährigen Tochter etwas antun, wenn er nicht endlich zahle. Dann die zweite Drohung, sie würden seinen 17-jährigen Sohn in die Gang aufnehmen. "Was tust Du dann? Was tut ein Vater, ein Ehemann, ein Mensch?", fragt César.

Wenn Flucht die einzige Lösung ist

César und seine Frau packten ihre Rucksäcke und verließen ihr Haus, ihren Laden, ihr bisheriges Leben. Sie sind mit Bussen gefahren, meist aber gelaufen, erzählt er. Zuletzt waren sie in Reynosa, einem anderen Grenzpunkt zwischen Mexiko und den USA, rund 90 Kilometer entfernt von Matamoros. Doch da hätte ihnen niemand gesagt, wie und wo sie Asyl beantragen können.

Dann hätten sie von Matamoros gehört, dass die Flüchtlinge hier endlich rüberkommen. Zusammen mit drei anderen Familien aus Honduras sind sie von Reynosa nach Matamoros gelaufen. Nun liegen sie hier auf der Straße - und werden nicht in das Flüchtlingslager gelassen. "Sie wollen das Lager schließen, sagten sie. Wir haben gefragt, ob wir zumindest ein paar Decken bekommen können, bevor sie weggeschmissen werden. Aber selbst das haben sie uns verweigert", erzählt César.

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Der Eingang zum provisorischen Flüchtlingscamp in Matamoros soll für immer geschlossen werdenBild: Carolina Chimoy/DW

In den nächsten Tagen kommen noch mehr Familien in Matamoros an. Aktuell sind es rund 50 Personen, die sich innerhalb weniger Tage den ersten vier Familien angeschlossen haben. Eine von ihnen ist Josselin. Sie erzählt unter Tränen, ihr Schwager sei vor ihren Augen von einer Gang in Honduras erschossen worden. Da hätte ihr Mann entschieden, sie müssen weg. Die meisten Familien kommen aus Honduras. Sie alle haben ähnliche Geschichten. Sie flüchten vor dem Tod - und hoffen auf ein besseres und vor allem sichereres Leben in den USA.

Wenn Geflüchtete keine Bleibe finden

José Luis (er möchte seinen Nachnamen nicht nennen, weil er Nachteile durch die Polizei befürchtet) ist ein unabhängiger Helfer. Er ist amerikanischer Staatsbürger und wohnt auf der US-amerikanischen Seite der Grenze in der Nähe von Brownsville. Zusammen mit seiner Frau und anderen Helfern hat er damals schon den Flüchtlingen im Lager von Matamoros geholfen. Er ist ein Macher und versucht jetzt auch César und den anderen Familien zu helfen. "Das Wichtigste ist, dass wir erstmal eine Unterkunft für sie finden", sagt er.

"Matamoros ist eine gefährliche Stadt. Dort nutzen viele die Verwundbarkeit der Familien aus. Die 'Polleros' beispielsweise nehmen Geld dafür, dass sie den Migranten zeigen, wo sie angeblich am besten den Río Grande überqueren können." In Matamoros seien viele Kriminelle unterwegs. Gerade Kinder würden Gefahr laufen, in ihre Fänge zu geraten. Es sei sehr gefährlich, sagt er und wiederholt: "Sie brauchen jetzt eine Bleibe!" 

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Bald Geschichte? Das Flüchtlingscamp von MatamorosBild: Carolina Chimoy/DW

José Luis hat auch schon bei sich zu Hause in den USA Migranten aufgenommen, die zwar in die USA gelassen wurden, aber erst einmal nicht wussten wohin. Denn auch die Asylbewerber, die jetzt in die USA gelassen werden, landen erst einmal bei den Nichtregierungsorganisationen, es sei denn, sie haben Familie oder Freunde in den USA. "Die Aufnahmezentren auf der mexikanischen Seite sind alle voll", sagt José Luis. "Nicht einmal der Pastor in der Kirche von Matamoros kann mehr Leute aufnehmen. Wegen COVID-19 hat auch er sein Limit erreicht." 

Wenn die Flucht keinen Erfolg hat

Ein paar Tage später treffen wir José Luis wieder, er wirkt frustriert und traurig zugleich. "Es gibt so viele Männer wie César", sagt er. "Wir können sie nicht alle retten." Er erzählt, dass er vor einigen Stunden mit César gesprochen habe. Die Polizei hätte Césars Familie und die anderen Familien von der Veranda verscheucht. Die Familien hätten Angst bekommen und seien in unterschiedliche Richtungen geflüchtet, statt zusammen zu bleiben.

Und César? Er und seine Familie seien von der mexikanischen Polizei festgenommen worden. "Sie werden zurückgeschickt - nach Honduras."