Papst Franziskus, der Rollstuhl, seine Pläne
4. Juli 2022Zuletzt ließ sich der Augsburger Bischof vernehmen. Bertram Meier war am Freitag zu Gast bei Papst Franziskus im Vatikan. Er habe, sagte er im Anschluss der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) den 85-Jährigen nicht als amtsmüde erlebt. "Er war sowohl körperlich als auch geistig sehr stark, er war sehr humorvoll und überhaupt nicht müde." Der Papst habe keinen Rollstuhl genutzt, nur seinen Stock.
Nun ist das so seine Sache, wenn Mitarbeiter - nichts anderes ist ein Bischof - nach einer Begegnung mit ihrem direkten Vorgesetzten dessen gesundheitliches Befinden schildern. Eine allzu distanzierte Sicht ist nicht zu erwarten. Mag der Papst auch eine der großen geistlichen und immer noch eine der moralischen Autoritäten der Welt sein, er steht auch an der Spitze eines absolutistischen Systems.
Aber seine Befindlichkeit ist seit geraumer Zeit ein Thema. Spätestens seitdem vor einem Jahr - am 4. Juli 2021 - Meldungen die Vatikan-Berichterstatter überraschten, dass Franziskus in einer Klinik unter Vollnarkose am Darm operiert worden sei.
Als sein guter Appetit ausblieb
Am damaligen Sommertag hatte der Papst mittags noch aus dem Fenster des Apostolischen Palasts mit tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz gebetet, wie es Sonntag für Sonntag üblich ist. Zum Schluss bat er die Menschen stets in italienischer Sprache "Non dimenticate di pregare per me" / "Bitte vergesst nicht, für mich zu beten". Das sonst übliche und die Italiener stets erheiternde "buon pranzo" / "Guten Appetit" blieb aus, was ungewöhnlich war.
Nur Stunden später schreckte dann ein Tweet des Direktors des Vatikanischen Pressesaals, Matteo Bruni, die gemeinhin als "vaticanisti" bezeichneten Korrespondenten rund um den Vatikan und Gläubige in aller Welt auf. Darin informierte er knapp über die Operation. Bruni setzte auf Beruhigung. Der Eingriff sei "geplant gewesen". Stunden später folgte die Info, der Papst habe gut darauf reagiert. Es sei um entzündliche Stellen in der Darmwand gegangen. Dennoch: Journalistinnen und Journalisten aktualisierten danach ihre vorbereiteten Nachrufe auf das Kirchenoberhaupt.
Nach elf Tagen kehrte Franziskus zurück in den Vatikan. Knapp zwei Monate später machte er in einem seiner üblichen Plauder-Interviews deutlich, dass die Darm-OP offenbar ernster verlief als zunächst gedacht. "Ein Krankenpfleger hat mir das Leben gerettet", sagte der aus Argentinien stammende Papst einem spanischen Sender.
Einer der ältesten Päpste der Geschichte
Und nun, ein Jahr später? Seit zwei Monaten kennt die Welt das Bild des Papstes im Rollstuhl. Am 5. Mai hatte die Szene Premiere. Anhaltende Beschwerden im Knie wurden als Grund genannt. Ärzte hätten ihm, erläuterte Franziskus, verboten, lange zu stehen oder zu gehen. Er gehört statistisch längst zu den zehn ältesten Päpsten der Kirchengeschichte.
Franziskus ist seit Amtsantritt für unkonventionelles Auftreten bekannt. Man sah ihn bei großen Konferenzen im Vatikan oft zu Fuß zum Tagungsort kommen, eine alte Aktentasche in der Hand. Da wirkte sein Gang über die Jahre beschwerlicher. Das gehört zum Alter.
Aber mit den Bildern im Rollstuhl wird wieder über die Befindlichkeit des Franziskus gesprochen. Eigentlich wollte er im Juni in den Libanon reisen - doch wegen des Knies wurden die Pläne aufs Eis gelegt, der Besuch offiziell vertagt.
Für diese Woche war der Besuch des Südsudans und Kongos geplant. Seit Jahren strebt er diese Reise an, gemeinsam mit dem Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Es sollte ein Besuch bei den ärmsten Menschen in afrikanischen Krisengebieten werden. Bei jenen, die Franziskus so am Herzen liegen. Sogar nach den ersten Rollstuhl-Bildern veröffentlichte der Vatikan das Programm der Reise; Kongo und Südsudan bereiteten sich voller Vorfreude vor.
Jetzt reist die Nummer zwei des Vatikan
Vor gut drei Wochen fiel dann die Entscheidung, nicht zu reisen. Vatikan-Sprecher Bruni nannte den dringenden Rat der Ärzte als Grund, "die Ergebnisse der Therapie" sollten nicht beeinträchtigt werden. Nun bereist statt des Papstes die Nummer zwei des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, beide Länder. Und Franziskus feierte mit Christen aus dem Kongo im Petersdom eine farbenfrohe Messe.
Im heißen römischen Sommer wird es nun ruhiger für den Papst. Im Juli gibt es, wie üblich, keine großen Generalaudienzen für Gläubige. Die öffentlichen Auftritte von Franziskus werden seltener. Allerdings wirkt seine Terminplanung durchaus originell. Am Freitag traf er nicht nur den Augsburger Bischof Meier, sondern auch den Unternehmer Elon Musk, einen der reichsten Menschen der Welt. "Geehrt, den Pontifex gestern getroffen zu haben", twitterte der 51-Jährige tags drauf. Das Foto im Tweet zeigt Musk mit seriösem Blick neben dem lächelnden Papst, daneben vier der Kinder Musks.
Tage zuvor konnte Franziskus ein länger geplantes Treffen mit Mitgliedern des "International Jewish Committee for Interreligious Consultations" nicht wahrnehmen. Wegen akuter Schmerzen, wie es hieß. Immerhin wurde der Redetext mit den einleitenden Worten "Liebe ältere Brüder und Schwestern, shalom!" verteilt. Ein Termin im päpstlichen Kalender, der sicher relevanter war als das Treffen mit Musk.
Ende Juli - an diesen Reiseplänen hält der Vatikan fest - will der Papst nach Kanada. Ein Transatlantik-Flug, insgesamt vier Starts und vier Landungen, Begegnungen mit indigenen Menschen, die in kirchlichen Einrichtungen gelitten haben.
Die Ernennung neuer Kardinäle in Rom
In wenigen Monaten wird Franziskus länger im Amt sein als sein Vorgänger Papst Benedikt. Für Ende August hat er sich kirchlich eminent wichtige Termine in den Kalender gestellt. Am 27. August, zu einem ungewöhnlichen Termin, nimmt er 20 Geistliche neu in das sogenannte Kardinalskollegium auf; 16 der neuen Kardinäle sind noch keine 80 Jahre alt, dürften also im Falle eines Konklaves den Nachfolger des Franziskus mit wählen. Die feierliche Aufnahme von Kardinälen fand seit vielen Jahren immer entweder Ende November oder Ende Februar/Anfang März statt.
Für den 29. und 30. August hat Franziskus alle Kardinäle der Weltkirche zu Beratungen in den Vatikan gerufen. Es geht, heißt es stets, um die Reform der Kurie. Auch der Rahmen dieses Termins ist ungewöhnlich. Als wäre er jung wie beim Start in sein Pontifikat, plant Franziskus für den 28. August, während die meisten Kardinäle der Weltkirche in Rom sind, eine Hubschrauber-Tour nach L'Aquila in die Abruzzen. Dort will er das Grab von Papst Coelestin besuchen, der 1294 vom Amt zurücktrat - er ist der letzte Papst vor Benedikt XVI., der diesen Schritt 2013 wählte.
Die von Franziskus während seiner römischen Jahre beständig angetriebene Reform der Kurie sieht übrigens vor, dass alle Kleriker im Vatikan maximal zehn Jahre im Amt sein sollen, zwei Amtszeiten von fünf Jahren. Darauf wies Christopher Lamb im britischen "The Tablet" vor Wochen hin. Mit einer solchen Regelung hätten die nicht unüblichen langjährigen römischen Biographien ohne Bezug zu einer kirchlichen Basis ein Ende.
2023 ist Franziskus zehn Jahre im Amt
Zehn Jahre im Amt - Franziskus könnte das im März 2023 feiern. Dann wäre er 86 Jahre alt. Wenn auch alle Offiziellen jede Andeutung eines Rücktritts von Franziskus entschieden zurückweisen: Längst laufen die Spekulationen, ob Franziskus, körperlich angeschlagen, Ende August 2022 ankündigt, irgendwann im Jahr 2023 zurückzutreten. Das wäre dann ein heißer römischer Spätsommer.
Mit den Gerüchten wurde der Papst selbst direkt konfrontiert. Am Montag wies er in einem Interview der Agentur Reuters alle Spekulationen über einen Rücktritt zurück. "Das ist mir nie in den Sinn gekommen", sagte er. Und weiter: "Für den Moment nein, für den Moment, nein. Wirklich."
Franziskus wiederholte seine oft geäußerte Position, wonach er eines Tages zurücktreten könnte, anstatt auf Lebenszeit sein Amt zu bekleiden - sollte es seine Gesundheit ihm unmöglich machen, die Kirche zu leiten. Auf die Frage, wann dies der Fall sein könnte, sagte er: "Wir wissen es nicht. Gott wird es sagen." Die Zeit mag kommen. Auch die Zeit für neue Spekulationen.