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Warum über Transitzonen gesprochen wird

Kay-Alexander Scholz, Berlin12. Oktober 2015

Werden Flüchtlinge demnächst direkt an der Grenze "eingesperrt"? In dieser Woche wird der Bundestag ein effektiveres Asylrecht beschließen. Doch damit wird es nicht getan sein. Der Druck ist weiterhin enorm. Was tun?

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Ungarn Transitzone (Symbolbild)
Bild: picture alliance/JOKER

Wo sollen die vielen tausenden Flüchtlinge, die noch immer nach Deutschland kommen, eigentlich untergebracht werden? Die Kapazitäten seien erschöpft, die Belastungsgrenze erreicht. Einzelne Kommunen würden sich inzwischen aus "purer Verzweiflung" weigern, noch weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Das sagten unisono Vertreter der kommunalen Verbände, also der Städte, Gemeinden und Landkreise bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestags zur Asylrechtsreform, die in dieser Woche verabschiedet werden soll.

Es fehle inzwischen ganz praktisch an Gebäuden, Feldbetten und Personal, sagte Uwe Lübking vom Städte- und Gemeindebund.

Eine spürbare Verbesserung der Lage vor Ort durch das Gesetzespaket erwarten die Kommunen nicht. Kritisiert wird vor allem, dass die Bundesländer nicht wirklich dazu verpflichtet würden, Asylbewerber so lange in den so genannten Erstaufnahmeeinrichtungen zu behalten, bis der Asylantrag entschieden ist. Im Moment würden manche Asylbewerber schon nach ein bis drei Tagen an die Kommunen weitergereicht, beschwerte sich Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag. Die Kommunen würden ihre Aufgabe aber eigentlich darin sehen, nur diejenigen Asylbewerber zu beherbergen, die auch in Deutschland bleiben dürfen.

Kommunen und Bundesländer sind überfordert

Die Bundesländer stehen vor ähnlichen Herausforderungen. In Berlin funktioniert nicht einmal die Erst-Registrierung der Flüchtlinge. Damit ist noch nicht der eigentliche Asylantrag gemeint. Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, warnt dieser Tage immer wieder, dass es keine Plätze mehr in den Erstaufnahme-Einrichtungen gebe. Von der Absicht, den dortigen Aufenthalt der Asylbewerber auf sechs Monate auszudehnen, hält sie wenig. Das würde noch mehr Plätze erfordern, die es nicht gibt.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Diskussion über Transitzonen zu verstehen, die allerdings noch nicht Teil des jetzigen Gesetzespakets sind. CDU/CSU wollen damit - zusätzlich zu Kommunen und Bundesländern - eine weitere Möglichkeit schaffen, Flüchtlinge unterzubringen. In den Transitzonen soll in einem zeitlich verkürzten Prozess entschieden werden, ob jemand eine Aussicht auf Asyl hat oder nicht. Wenn nicht, dann soll ein abgelehnter Kandidat Deutschland umgehend wieder verlassen müssen. Damit würden Kommunen und die Länder entlastet, weil Bewerber gar nicht erst aus den Transitzonen zu ihnen durchgeleitet würden. Entsprechend positiv äußerten sich die kommunalen Vertreter in der Sitzung des Innenausschusses.

In Transitzonen würde zudem die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber einfacher zu handhaben sein. Die Hoffnung: Flüchtlinge aus den als sicher eingestuften Westbalkan-Staaten würden so erst gar nicht aus den Transitzonen heraus ins Land kommen.

Solche Pläne kritisiert Martina Renner von der oppositionellen Linkspartei und ebenfalls Mitglied im Innenausschuss, als Fortsetzung einer falschen "Abschottungspolitik". Doch diese Abschottung wünschen sich die Kommunen gerade. "Wir brauchen eine Atempause", forderte Uwe Lübking vom Deutschen Städte und Gemeindebund.

Deutschland Flüchtlingskrise Zeltstadt in Dresden Foto: Arno Burgi/dpa
Wer ohne Papiere und aus Westbalkan-Staaten kommt, soll Transitzonen künftig gar nicht erst verlassen dürfen.Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Asylverfahren sollen schneller ablaufen

Wie genau diese Transitzonen aussehen sollen ist noch unklar. Sie würden zum Beispiel an der bayerischen Grenze zu Österreich errichtet werden. Dort wo weiterhin die meisten Flüchtlinge ankommen. Auf den bayerischen Ministerpräsidenten, CSU-Chef Horst Seehofer, könnte Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls bauen. Er erhofft sich damit eine echte Beschleunigung der Verfahren.

Vorbild wären Transitzonen an Flughäfen, wie es sie bereits in Berlin oder Frankfurt gibt. Die Flüchtlinge würden dann gar nicht nach Deutschland einreisen, sondern erst einmal festgehalten, um zu prüfen, ob sie überhaupt einreisen dürfen oder nicht. Keine Chance auf Einreise mehr hätten dann wohl auch diejenigen, die keine gültigen Papiere bei sich haben.

Koalitionspartner SPD ist skeptisch

Ob es solche Transitzonen geben wird, ist noch nicht entschieden. Denn Merkels dritter Koalitionspartner neben der CSU, die SPD, ist noch nicht überzeugt. "Eine Einrichtung von Haftanstalten an der Grenze", lehne er ab, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Bundesjustizminister Heiko Maas, auch SPD, hält das Vorhaben für "praktisch undurchführbar".

CDU-Generalsekretär Peter Tauber wirbt deshalb gerade aktiv um Zustimmung der SPD. "Jede Entlastung, die wir jetzt schaffen können, um Ressourcen frei zu machen, hilft uns weiter", sagte Tauber. Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Ansgar Heveling, sieht darin eine mögliche Antwort auf die derzeitige Situation. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert würden jetzt schnellstmöglich Gespräche innerhalb der Koalition geführt. Einen konkreten Umsetzungsvorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere liege vor.

Das von der Koalition bereits beschlossene Asylpaket jedenfalls begrüßten die Sachverständigen. Neben den kommunalen Vertretern waren das vor allem Rechtswissenschaftler. In der Innenausschuss-Anhörung bezeichneten sie das Gesetzespaket als einen richtigen Schritt. Auch wenn darüberhinaus noch viel zu tun sei. "Humanitäre Entscheidungen sind nur gut, wenn sie schnell erfolgen", mahnte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt Dieter Wiefelspütz angesichts der noch immer viel zu lange dauernden Asylverfahren und der Unterbringungsprobleme. Auch angesichts des kommenden Winters, der dieser Tage schon einmal mit Frost in Deutschland angeklopft hat.