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Ausgerechnet Weißrussland

Christoph Hasselbach1. August 2014

Weißrussland unter seinem autokratischen Präsidenten Alexander Lukaschenko ist Gastgeberland des jüngsten Ukraine-Dialogs. Darauf kann sich sogar die ukrainische Regierung einlassen.

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Weißrusslands Präsident Lukaschenko
Bild: Andrej Isakovic/AFP/Getty Images

Der westorientierte ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gebeten, Gastgeber einer internationalen Ukraine-Vermittlungskonferenz zu sein. Und Lukaschenko, der im Westen oft als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird, hat offenbar gern zugesagt. Bisher haben die Verhandlungen in Minsk, an denen Vertreter der Ukraine, Russlands, der Moskau-orientierten Separatisten in der Ost-Ukraine und der OSZE beteiligt sind, zwar kaum zu greifbaren Ergebnissen geführt. Doch bereits die Tatsache an sich, dass Weißrussland als Vermittler auftritt, wirft Fragen nach der Rolle des Landes und ihres umstrittenen Präsidenten auf. Amanda Paul von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre ist Expertin für die Region.

DW: Frau Paul, warum hat man sich ausgerechnet an Lukaschenko gewandt?

Paul: Zunächst einmal ist Weißrussland ein direkter Nachbar der Ukraine. Wichtig ist auch, dass hier alle Beteiligten zusammenkommen können einschließlich - und das ist ganz wichtig - der Vertreter (der Separatisten, die Red.) aus Lugansk und Donezk, die woanders vielleicht um ihre Sicherheit fürchten würden. Außerdem akzeptiert Russland das Gastgeberland. Und niemand muss weit anreisen. Das alles sprach wohl vor allem für Weißrussland. Natürlich ist Lukaschenko nicht der ideale Staatschef, er unterhält keine guten Beziehungen mit den USA oder der EU. Aber ich glaube, wir sollten das im Moment beiseite lassen. Es geht mehr um die geostrategische Lage und die Möglichkeit, die Separatisten an den Verhandlungstisch zu bringen, wo sie sich sicher fühlen.

Amanda Paul Foto: Amanda Paul
Amanda Paul: "Menschenrechte mal beiseite lassen"Bild: Amanda Paul

Aber kann Lukaschenko, der als einer der engsten Verbündeten des russischen Präsidenten Putin gilt, wirklich unparteiisch sein?

Lukaschenko persönlich ist meines Wissens nach gar nicht an den Verhandlungen beteiligt. Weißrussland ist nur Gastgeber, Lukaschenko wird nichts sagen. Die Verhandlungen haben nichts mit ihm zu tun. Das dürfte also nicht das Problem sein.

Kann man das denn trennen? Lukaschenko ist klar antidemokratisch und antiwestlich, und dennoch akzeptiert ihn die westlich orientierte ukrainische Regierung. Wie kann das sein?

Wie gesagt, Lukaschenko soll nicht vermitteln. Und Poroschenko und die Ukraine insgesamt haben gute Beziehungen zu Weißrussland. Die Ukrainer sehen Weißrussland nicht wie wir es sehen. Sie sehen das Land nicht nur unter dem Aspekt der Demokratie und Menschenrechte. Sie haben gute wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Weißrussland. Und auch die Russen haben enge Kontakte zu Minsk. Aber klar, wenn es um Demokratie und Menschenrechte ginge, wäre Lukaschenko kein Kandidat, um als Vermittler aufzutreten. Doch darum geht es eben nicht.

Könnte Lukaschenko, indem er Gastgeber der Verhandlungen ist, trotzdem seinen Ruf ein wenig aufpolieren und seine internationale Isolation aufbrechen?

Nein, seine Isolation kann er damit wohl nicht aufbrechen. Denn an seiner Politik ändert sich ja nichts. Und wir wissen alle, wie verabscheuenswert seine Politik ist. Aber wenn Weißrussland Gastgeber dieser Gespräche sein kann und diese Gespräche zu einer Lösung der Krise beitragen können, dann sollte man seine Politik einmal beiseite lassen. Wir sollten uns hier auf das Wichtigste konzentrieren, und das ist nicht die Menschenrechtsfrage in Weißrussland. Lukaschenko wird seine eigene Position nicht im geringsten verbessern. Er könnte seine Isolation nur durch demokratische Reformen beenden.

Sie meinen also, der Westen sollte dieser Konferenz eine Chance geben?

Unbedingt sollten wir ihr eine Chance geben. Denn wir greifen ja schon jetzt nach jedem Strohhalm. Zu sagen, wir wollen das Treffen in Weißrussland nicht, nur weil uns Herr Lukaschenko nicht passt, wäre, offen gesagt, lächerlich. Das Wichtigste hier ist, so schnell wie möglich den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, und dazu brauchen wir mehr Dialog und Verständigung zwischen allen Beteiligten. Und egal ob diese Verhandlungen nun Früchte tragen werden - woran ich ehrlich gesagt zweifle -, sollte man sie dennoch führen, und wenn sie nun gerade in Weißrussland stattfinden, dann sei's drum.