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Warum China gegen seine Tech-Elite vorgeht

Nicolas Martin
6. Juli 2021

Alibaba, Tencent, Didi - Chinas führende Technologiefirmen bekommen den langen Arm der Kommunistischen Partei zu spüren. Auch die reichsten Männer bleiben nicht verschont. Warum bremst Peking seine Unternehmen aus?

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China Fahrdienstleister Didi
Didi-Hauptquartier in XisanqiBild: Fan Jiashan/Costfoto/picture alliance

"Es zur Zeit nicht ratsam, auf der Liste der reichsten Chinesen zu stehen", sagt Maximilian Mayer, China-Experte und Professor für globale Technologiepolitik an der Universität Bonn. 

Was ist geschehen? Chinas Regierung gibt sich derzeit größte Mühe, gegen die Tech-Elite des Landes aufzubegehren. Das jüngste Opfer des Pekinger Feldzuges ist der chinesische Fahrdienst-Vermittler Didi Chuxing, der erst vor Kurzem erfolgreich an der New Yorker Börse debütierte.

China Pinduoduo CEO Colin Huang
Colin Huang wird von Forbes mit 42 Milliarden datiert. Im März hat er überraschenderweise seinen Posten als Vorsitzender der Plattform Pingduoduo abgegebenBild: MAXPPP/dpa/picture alliance

Betroffen sind auch der Lastwagen-Vermittler Yunmanman und Huochebang der Full Truck Alliance Co. sowie die Personalvermittlung Boss Zhipin. Die drei Unternehmen dürfen wie auch Didi keine neuen Kunden mehr annehmen. Bereits am Sonntag waren chinesische App-Stores angewiesen worden, keine Software mehr von Didi anzubieten.

Kartellbeschwerden und Kontrolle

"Wir erleben eine anhaltende und sehr wahrscheinlich sich noch ausweitende Kampagne mit dem Ziel, die großen Internetkonzerne und deren Umgang mit Daten stärker zu regulieren", sagt Technologieexperte Mayer im DW-Gespräch. Ähnlich wie in Europa - wo die Kartellbehörden auch gegen Amazon, Google, Facebook und Apple vorgingen,  gebe es auch in China ein Bedürfnis, Konsumenten vor der Datensammelwut und marktbeherrschenden Stellungen der Plattformfirmen zu schützen.

Doch es scheint auch, als seien einige der großen Techfirmen zu schnell zu groß und zu einflussreich geworden. So gehen Pekings Aufsichtsbehörden schon seit einiger Zeit verstärkt gegen die mächtigen Internetkonzerne des Landes vor.

China Jack Ma Alibaba Group
Knapp 50 Milliarden Dollar schwer: Der Alibaba-Gründer Jack Ma ist für viele Chinesen ein Vorbild. Mittlerweile äußert er sich nicht mehr so häufig in der Öffentlichkeit.Bild: Liewig Christian/ABACA/picture alliance

Bisher stand vor allem der Internetdienstleister Alibaba im Visier. Im April erhielt der Internetgigant eine Rekord-Geldstrafe wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. Im vergangenen Jahre musste Alibaba zudem kurzfristig auf Anordnung der Behörden den Börsengang seiner Fintechtochter Ant Group absagen. Auch gegen den Lieferdienst-Konzern Meituan laufen Kartellermittlungen. Meituan gehört mittlerweile wie Alibaba und Tencent zu den wertvollsten Unternehmen des Landes.

Neben der Datensicherheit ginge es der Kommunistischen Partei aber auch um Kontrolle, so Mayer. "Die KP hat es in 100 Jahren auf 90 Millionen Mitglieder gebracht, ein Ökosystem wie der Messenger-Dienst der Firma Tencent hat nach zehn Jahren 1,2 Milliarden aktive Nutzer. Und über diese Nutzer besitzt Tencent mehr Real-Time-Daten als die Partei jemals haben wird."

Nationale Sicherheit und rollende Köpfe

"China sieht seine Wirtschaft vor allem durch die Brille der nationalen Sicherheit", so Kirsten Tatlow von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) auf DW-Anfrage. Sie vermutet, die Maßnahmen gegen die Konzerne könnten auch damit zusammenhängen, dass China nicht möchte, dass die Daten seiner Bevölkerung in den Händen von amerikanischen Sicherheitsbehörden landeten. Dass Didi in den USA an die Börse gegangen ist, könnte diese Bedenken durchaus verstärkt haben.

Die Muskelspiele der politischen Führung haben auch Einzelpersonen zu spüren bekommen. Allen voran der Alibaba-Gründer Jack Ma. Öffentlich hatte er sich von Peking mehr wirtschaftliche Freiheiten für die Finanzbranche gewünscht. Anscheinend hatte er damit eine rote Linie überschritten. Kurz darauf verschwand er für Wochen völlig aus der Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich war es so ruhig, dass etliche Beobachter sogar eine Entführung durch die Staatsspitze nicht mehr ausschlossen.

Nun ist Jack Ma zurück, doch es ist still um ihn geworden. Das Beispiel zeigt: Auch einer der reichsten Männer kann sich nicht ohne Konsequenzen mit der Führung in Peking anlegen.

Zhang Yiming I Bytedance
Der Gründer des Tiktok Mutterkonzerns Bytedance Zhang Yiming wird Ende des Jahres zurücktreten. Sein Vermögen schätzt Forbes auf 35 Milliarden Dollar Bild: Shannon Stapleton/REUTERS

Auch andere chinesische Gründer haben angekündigt, ihre Posten abgegeben. So zum Beispiel Zhang Yiming, der Chef der Tiktok-Mutter Bytedance. Auch der Chef der Online-Shopping-Plattform Pinduoduo, Huang Zheng gab im März seinen Posten ab. Klare Gründe für die Rücktritte gab es keine. Der Verdacht liegt aber nahe, dass Druck aus der Peking eine Rolle gespielt hat.

"Das Signal der Partei ist mehrdeutig", sagt Mayer. Zum einen ginge es darum, deutlich zu machen, dass sich die Unternehmen den Zielen der Partei unterzuordnen haben. "Zum anderen geht es auch um die Personen selbst, diese megareichen Firmenlenker, die oftmals in China auch eine Art Kultstatus genießen." Sie sollen jetzt stärker als bisher in die Pflicht genommen werden, sorgsam mit ihren Daten umzugehen.

Zunehmende wirtschaftliche Entkopplung?

Mittlerweile führen die unkalkulierbaren Aktionen der Regierung auch zu harten Gegenreaktionen. So hat die weltweit größte Investmentgesellschaft Blackrock anscheinend keine Lust mehr auf chinesische Tech-Aktien. "Wir werden uns von den großen, dominanten Plattformen vorerst etwas fern halten", ließ Blackrock-Managerin Lucy Liu erst kürzlich verlauten. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung, sei Pekings harter Kurs, mit dem den eigenen Internetfirmen strengere Regeln auferlegt werden. Liu sprach dabei von einem Vorgang, der noch locker mehrere Jahre in Anspruch nehmen könnte.

China Meituan Lieferdienst
Fahrer des Lieferdienstes Meituan Bild: Wang Gang/Costfoto/picture alliance

Auch US-Unternehmen sind von den Manövern der chinesischen Regierung betroffen. So ist beispielsweise der Elektronikkonzern Apple am abgestraften Fahrdienstleister Didi beteiligt. "Es gibt ganz klare Risiken für Investoren, die in die chinesischen Datenkonzerne investieren" schreibt China-Expertin Kirsten Tatlow von der DGAP. "Der Staat wird immer machen, was nötig ist, um die Kontrolle über die Daten zu behalten.”

Trotz der abschreckenden Signale geht Maximilian Mayer von der Universität Bonn aber nicht davon aus, dass sich der chinesische Markt vom Rest der Welt entkoppeln könnte. "Das Potenzial ist einfach zu verlockend, um nicht weiter in China zu investieren."