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Coronavirus: Auch für Gazprom gefährlich

13. Februar 2020

Wegen der Lungenkrankheit aus China könnte noch mehr Flüssiggas nach Europa kommen. Der LNG genannte Rohstoff wird jene Probleme verschärfen, die Russlands größte Firma zurzeit ohnehin schon hat.

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Russland China Gas-Pipeline Kraft Sibiriens - Sila Sibiri
Bild: Reuters/M. Shemetov

Es war kein guter Start für Gazprom ins Jahr 2020. Der weltweit größte Gaslieferant verzeichnete im Januar einen Rückgang der Förderung um sechs Prozent, der Exports brach um etwa ein Viertel ein. Auch die Preise gingen zurück. Die sind zurzeit in Europa, dem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt des Konzerns, auf dem niedrigsten Niveau seit etwa 15 Jahren. Die Minuszeichen haben mehrere Gründe. Und jetzt kommt noch der Covid-19, der Coronavirus, dazu.

Niedrige Nachfragen nach Erdöl und Gas wegen Covid-19

Die in China ausgebrochene Lungenkrankheit hat das Land gezwungen, beispiellose Quarantänemaßnahmen zu ergreifen: zahllose Flüge wurden gestrichen, der Straßenverkehr in Millionenstädten ist zum Erliegen gekommen, in vielen Fabriken stand die Produktion lange still - oder steht immer noch still. Das hat auf dem Weltmarkt die Energiepreise einbrechen lassen, denn China ist größter Verbraucher und Importeur von Energie.

Der LNG-Tanker Wladimir Rusanow im chinesischen Nantong
Der LNG-Tanker Wladimir Rusanow im chinesischen NantongBild: Getty Images/AFP

Nicht nur Erdöl, auch Erdgas hat sich stark verbilligt. Auf dem europäischen Spotmarkt, wo kurzfristige Käufe getätigt werden, sind die Preise auf kaum mehr als 100 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter zurückgegangen. Das ist die Hälfte von dem, was Gazprom im Durchschnitt des Jahres 2019 für seine meistens vertraglich gebundenen Pipeline-Lieferungen kassiert hat.

Der vom Kreml kontrollierten größten russischen Firma steht also ein schweres Jahr bevor. Gazprom wird mit weiter sinkenden Exporten bei niedrigen Preisen und steigender Konkurrenz konfrontiert werden. Das Hauptproblem: ein weltweites Überangebot an Gas, aber auch an Öl. Die Hauptursache dafür ist die stürmische Entwicklung des Marktes für Flüssiggas (LNG). Es hat die Branche aufgemischt und neue große Player hervorgebracht, mit denen der russische Riese nun konkurrieren muss: Katar, Australien, Malaysia, die USA, Nigeria bis hin zu Trinidad und Tobago, um nur einige zu nennen.

Warmer Winter und volle Speicher setzen Gazprom zu

Gegenwärtig wird dieses Überangebot an Gas, das ja größtenteils fürs Heizen verwendet wird und somit ein saisonales Produkt ist, durch den außerordentlich milden Winter auf der nördlichen Halbkugel, vor allem in Europa, verschärft. Der Klimawandel setzt also Gazprom in diesem Jahr besonders stark zu.

Und dann gibt es da noch eine politisch bedingte Besonderheit dieses Winters. Am 31. Dezember 2019 lief der zehnjährige russische-ukrainische Transitvertrag aus, und es gab die Befürchtung, dass danach die Lieferungen durch die Ukraine nach Europa unterbrochen werden könnten. Deshalb haben zahlreiche Firmen, auch Gazprom, im vorigen Jahr vorsorglich die europäischen Gasspeicher bis zum Rand gefüllt. 

Infografik Gewinne Öl- und Gaskonzerne

Diese Reserven vor Ort werden jetzt vorrangig abgebaut, was in den ersten Wochen des Jahres zu einem regelrechten Einbruch der Lieferungen aus Russland führte, die dank einem unmittelbar vor Silvester zwischen Moskau und Kiew ausgehandelten neuen Transitvertrag teilweise wieder durch die Ukraine gehen. Sollte das zu warme Wetter bis zum nahenden Frühling anhalten und die Speicher weiterhin relativ voll bleiben, wird die Nachfrage nach Gas auch im Sommer, wenn die Reserven aufgefüllt werden, geringer als sonst ausfallen - einfach weil weniger aufgefüllt werden muss. Das würde den Export von Gazprom längerfristiger belasten.

Steigende Konkurrenz in Europa durch LNG-Lieferanten

Zumal manche europäischen Importeure, besonders jene, die vertraglich nicht zu stark an das Pipeline-Gas von Gazprom mit seinen weniger flexiblen Preisen gebunden sind, sicher gerne auf Flüssiggas umsteigen werden: Es ist in der gegenwärtigen Situation oftmals günstiger, sogar viel günstiger.

Und das könnte länger so bleiben, denn die in China wegen Covid-19 fallende Nachfrage nach Energie und somit auch nach Flüssiggas wird weltweit die Produzenten zwingen, ihre Tanker verstärkt in Richtung Europa zu schicken. Die "Financial Times" berichtete bereits Anfang Februar, mehrere große chinesische Energieunternehmen würden schon überlegen, wie sie aus langfristigen Importverträgen mit Verweis auf höhere Gewalt aussteigen könnten.

Gazprom droht somit in diesem Jahr steigende Konkurrenz durch LNG-Lieferanten, die schon 2019 ihre Verkäufe in Europa um 88 Prozent steigern konnten, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet. Dabei werden dem Konzern seine Marktanteile nicht nur ausländische Mitbewerber streitig machen, sondern auch die private, aber staatlich unterstützte russische Firma Novatek.

Novatek: Sibirisches Flüssiggas erobert den europäischen Markt

Ihr sibirisches Verflüssigungsunternehmen Yamal LNG hat erst Ende 2018 die volle Kapazität erreicht, doch bereits 2019 wurde Russland dank Novatek zum zweitgrößten LNG-Lieferanten auf dem europäischen Markt knapp nach Katar und vor den USA und Nigeria, meldet Interfax. Novatek liefert auch nach China, und sollten dort wegen der jetzigen Epidemie die Importe von Flüssiggas zurückgehen, müsste auch dieses Unternehmen seine Tanker verstärkt nach Europa schicken.  

Erdgasspeicher in Jemgum im Emsland (Bundesland Niedersachsen)
Erdgasspeicher in Jemgum (Emsland): Betreiber ist die Astora GmbH, eine Tochter der Gazprom Germania Gruppe Bild: DW/A. Gurkov

Alles halb so schlimm, wiegelt das Gazprom-Management ab. Die Gasmengen in den europäischen Speichern würden bereits im zweiten Quartal auf ihr gewöhnliches Niveau zurückgehen, versicherte die Chefin von Gazprom Export, Elena Burmistrova, am 11. Februar auf einem Investorentag in New York. In Europa, meinte sie ferner, könne es selbst noch im März richtig kalt werden. Man müsse zudem erst einmal schauen, wohin die für China gedachten LNG-Mengen umgeleitet werden.

Sie gab allerdings zu: Die "höhere Gewalt" in China, also das Coronavirus, wird sich aus Sicht der Produzenten negativ auf die Preise auswirken. Entsprechend hat Gazprom seine Prognose der Exportpreise für 2020 korrigiert. Der Konzern erwartet nicht mehr 200 Dollar pro Tausend Kubikmeter, sondern 175 bis 185 Dollar. Das ist aber immer noch weit mehr, als jene rund 100 Dollar, die in diesen Tagen auf dem europäischen Markt für kurzfristige LNG-Lieferungen gezahlt werden.