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DFB-Reform: Fehlt der Leistungsgedanke im Nachwuchsfußball?

21. September 2023

Das DFB-Nachwuchskonzept sorgt für hitzige Diskussionen. Kritiker befürchten, das Leistungsprinzip bei Kindern werde abgeschafft. Befürworter erklären, das Gegenteil sei der Fall. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Zwei Jungen beim Fußballspielen, im Hintergrund ein kleines Tor
Funino wird die neue Spielform für Nachwuchsfußballer genanntBild: Zink/IMAGO

Nach dem zweimaligen Vorrunden-Aus der Männer-Nationalmannschaft bei der Fußball-WM, dem Achtelfinal-Aus der U21, ebenfalls bei deren WM und dem WM-Vorrunden-Aus der deutschen Frauen muss man konstatieren, dass Deutschland momentan nicht mehr zur Fußball-Weltspitze gehört. Der Deutsche Fußball-Bund, immerhin der größte Sportverband der Welt, stößt nun Reformen an - auch im Jugendfußball. Nicht alle sind damit einverstanden.

Ab wann und für wen ändert sich was im Nachwuchsfußball?

Ab der Saison 2024/2025 werden in Deutschland neue Spielformen im Kinderfußballeingeführt. Sie gelten für Nachwuchskicker, die sich vorwiegend im Kindergarten- und Grundschulalter befinden (U6 bis U11, also G-, F- und E-Jugend) und ersetzen die bisherigen Wettbewerbsformate. Vor allem an dieser Reform reiben sich die Kritiker. 

Zudem gibt es Änderungen für ältere Nachwuchskicker (U17 bis U19, also A- und B-Jugend): Die A- und B-Junioren-Bundesliga wird durch eine Nachwuchsliga ersetzt. Vereine mit Nachwuchs-Leistungszentren - zumeist Fußball-Profiklubs - sind automatisch qualifiziert und können nicht absteigen. Bis zu elf Amateurvereine können sich zudem während einer Saison für die nächste Spielzeit in der Nachwuchsliga qualifizieren.

Bei den Mädchen wird die B-Juniorinnen-Bundesliga umstrukturiert. Hier sollen neue Förder-Leistungszentren (FLZW) eingeführt werden, dazu gibt es einen zusätzlichen DFB-Pokalwettbewerb auf Bundesebene und einen gemischtgeschlechtlichen regionalen Spielbetrieb.

Was ändert sich genau im Kinderfußball und was bedeutet Funino?

In der G- und F-Jugend wird es keine Meisterschaftsrunden mehr geben, stattdessen Spielenachmittage in Turnierform. Je größer die Kinder werden, desto größer werden die Teams und die Tore. Bei den Jüngsten wird im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Minitore gespielt. Jedes Team verteidigt also je zwei Tore, es gibt keinen festen Torwart. Dieses Spielsystem nennt sich Funino.

Ergebnisse und Tabellen gibt es nicht mehr, Schiedsrichter kommen nicht zum Einsatz: Die Entscheidungen während des Spiels sollen von den Kindern weitestgehend selbst getroffen werden. Es gibt Regeln für Auswechslungen (nach jedem Tor), Torschussdistanzen und Spielzeiten (maximal 15 Minuten). Die siegreiche Mannschaft rückt ein Spielfeld vor, die unterlegene geht ein Feld zurück. Die E-Jugend spielt entweder im Fünf-gegen-Fünf oder im Sieben-gegen-Sieben, letzteres auf zwei Kleinfeldtore.

Was verspricht sich der DFB von der Reform?

Ziel der Reform ist es laut DFB, "mit einer kindgerechten Art des Fußballs den Spaß am Spiel nachhaltig zu fördern". Die neuen Spielformen sollen allen Kindern auf dem Platz so häufig wie möglich die Chance geben, den Ball selbst am Fuß zu haben, aktiv am Spiel teilzunehmen, Tore zu erzielen und damit persönliche Erfolgserlebnisse zu sammeln.

"Kinder werden viel mehr Aktionen haben und unmittelbar die Rückmeldung, ob sie gewonnen haben oder verloren. Und deswegen ist das top", erklärte Hannes Wolf, DFB-Direktor für Nachwuchs, das neue Konzept. 

Zudem erhofft sich der DFB von den neuen Wettbewerbsformen, dass Kopfbälle "nahezu ausgeschlossen" werden: Das Spielfeld ist merklich kleiner, Einwürfe sowie Abschläge werden durch das Eindribbeln ersetzt. Torwart-Abschläge sind selten.

Welche Kritik gibt es am Kinderfußball-Konzept?

Zuletzt hat es teils heftige Kritik gegeben, weil mit dem neuen Konzept angeblich das Leistungsprinzip abgeschafft werde. Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC Köln, sagte im WDR: "Wir sind eine Generation, die nur noch den weichen und seichten Weg geht". Ähnlich argumentierten Ralf Rangnick, Nationaltrainer von Österreich, Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann und der ehemalige Nationalspieler Thomas Helmer. 

Die deutlichste Kritik kam von unerwarteter Stelle: Ausgerechnet DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke bezeichnete das Kinderfußball-Konzept beim DUP-Unternehmertag als "unfassbar". Er sprach von einem "grundsätzlich falschen Ansatz. Demnächst spielen wir dann noch ohne Ball. Oder wir machen den eckig, damit er den etwas langsameren Jugendlichen nicht mehr wegläuft."

Der DFB reagierte mit einer längeren Klarstellung. U21-Trainer Antonio Di Salvo erklärte, es handele sich um ein Missverständnis, das inzwischen ausgeräumt worden sei. Die Reformen setzten stark auf das Wettkampfprinzip. DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich von der Kritik "überrascht". Die neuen Spielformen seien 2022 nach einer mehrjährigen Pilotphase unter enger Einbeziehung der DFL vom DFB-Bundestag einstimmig beschlossen worden.

Vonseiten der Vereine kommt Kritik bezüglich der Torwartausbildung und der Organisation der vielen kleinen neuen Tore. 

Welche Spielformen im Nachwuchsfußball gibt es in anderen Ländern?

In den letzten Jahren haben viele Länder Reformen im Kinderfußball durchgeführt. Sie setzen ebenfalls vermehrt auf Turniertage mit Kleinfeldern und weniger Spielern. Beispiele dafür sind England, die Niederlande, Belgien und die Schweiz. Der Fokus liegt auf Spaß, vielen Ballkontakten, Dribblings und Toren, während Ergebnisse und Tabellen weniger wichtig sind.

Auch die Reform von der A- und B-Junioren-Bundesliga zur DFB-Nachwuchsliga hat Vorbilder, wie etwa die geschlossenen Ligen in England und Belgien. Dadurch können die vielversprechendsten Talente und ihre Trainer ohne Abstiegsängste ihre Entwicklung in den Fokus nehmen.

Jamal Musiala bei einem Spiel der U21 für England
Nationalspieler Jamal Musiala wurde in der Jugend in England ausgebildet - ohne festgelegtes Spielformat oder LigensystemBild: Matt West/BPI/Shutterstock/imago images

Die Kritik am DFB, dass die Reform den Leistungsgedanken abschwäche und Kinder zu "Verlierern" mache, wird im internationalen Vergleich nicht bestätigt. Viele europäische Länder haben bereits ähnliche Konzepte, die positive Ergebnisse zeigen.

Ein Beispiel dafür ist der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala, der größtenteils in England ausgebildet wurde. Der Profi des FC Bayern München erklärte der BBC: "In Deutschland gibt es schon für unter Zehnjährige ein Ligensystem, wohingegen das in England bis zur U18 nicht üblich ist. Da hat man viel weniger Druck und mehr Zeit, sich zu entwickeln, man kann viel freier spielen."