Warum Hollywoodstar Patricia Arquette Komposttoiletten baut
19. November 2023Patricia Arquette hat unter anderem einen Oscar, zwei Prime Time Emmys und drei Golden Globes gewonnen. Sie wird von der Kritik und ihrem Publikum gefeiert für Rollen wie die einer alleinerziehenden Mutter in Richard Linklaters "Boyhood" oder jene der Allison DuBois in der Serie "Medium – Nichts bleibt verborgen".
Als die Schauspielerin kürzlich das Berliner Human Rights Film Festival besuchte, ging es ihr jedoch nicht um den Roten Teppich. Vielmehr berichtete sie von den Vorzügen von Komposttoiletten anlässlich der Filmvorführung von "Holy Shit - mit Scheiße die Welt retten" von Rubén Abruña.
Sanitärarbeit ist "Punkrock"
"Ich weiß, es klingt verrückt: Eine Berühmtheit erledigt Sanitärarbeiten.' Es ist wirklich schräg, aber ich bin Punkrock, wissen Sie? Und das ist das Punkrockigste, was man machen kann", sagt Arquette im Gespräch mit der DW. Alles begann mit dem Erdbeben in Haiti im Jahr 2010. Mit dem Ziel, beim Wiederaufbau des Landes zu helfen, rief Arquette die Stiftung GiveLove ins Leben.
Bei der Suche nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Sanitärversorgung zog Arquette zunächst herkömmliche Methoden in Betracht, die große Mengen Wasser erfordern. Ein humanitärer Helfer warnte den Hollywoodstar jedoch: Solche Systeme würden viel zu hohe Wartungskosten verursachen und in Gebieten ohne Strom nur schwer umzusetzen sein.
Arquette erfuhr von einer wartungs- und energiearmen Lösung: der Komposttoilette, die menschliche Abfälle ohne Wasser biologisch verarbeitet. "Im Grunde entfernt sie alle Krankheitserreger und am Ende bleibt Kompost", erklärt Arquette. "Und sie ist erschwinglich. Man kann sie vor Ort reparieren und den Menschen beibringen, wie man damit umgeht, egal ob sie lesen oder schreiben können oder nicht. Eine großartige Möglichkeit, um Gemeinschaften zu stärken."
Die Idee funktionierte in Haiti so gut, dass GiveLove weitere Schulungsprogramme in Nicaragua, Kolumbien, Uganda, Kenia, Indien und den Vereinigten Staaten einführte – in Zusammenarbeit mit der Standing Rock Sioux Nation, bei der Arquette über einen Monat verbrachte, um beim Aufbau von 100 Komposttoiletten zu helfen.
Komposttoiletten im modernen Wohnungsbau in Deutschland
Die Arbeit von GiveLove in Uganda gehört zu jenen Projekten, die im Dokumentarfilm "Holy Shit - mit Scheiße die Welt retten" vorgestellt werden. Regisseur Rubén Abruña ist dafür in 16 Städte auf vier Kontinenten gereist, um die durch verseuchtes Abwasser verursachte Schäden zu untersuchen und zu zeigen, wie Komposttoiletten eine Alternative darstellen, die auf der ganzen Welt eingeführt werden könnte – nicht nur in ärmeren Regionen.
Die ebenfalls im Film gezeigte Ökosiedlung Allermöhe in Hamburg ist hier Vorreiter. Die Häuser in der Siedlung sind mit Trockentoiletten ausgestattet, die genauso aussehen wie "normale" Toiletten, allerdings erfolgt die Spülung ohne Wasser. Laut Website der Siedlung sparen moderne Komposttoiletten täglich etwa 50 Liter Wasser pro Person. Die lokale, ökologische Behandlung der Fäkalien ist viel kostengünstiger und umweltfreundlicher als jene in herkömmlichen Kläranlagen. Und Komposttoiletten stinken nicht einmal.
Stille Örtchen von Haiti bis Hollywood
Manche Aspekte der Arbeit mit ihrer Stiftung erinnerte Patricia Arquette an ihre eigene Armutserfahrung als Kind. "Ich bin in einer Hippie-Kommune aufgewachsen, und irgendwann lebten zu siebt in einem winzigen Zimmer. Wir hatten kein eigenes Bad, also mussten wir entweder ins Außenklo oder in ein anderes Gebäude gehen, in dem es ein Badezimmer gab“, erzählt sie.
Reisen in Länder wie Haiti hätten Arquette dazu veranlasst, ihre Privilegien auf die Probe zu stellen. "Zuerst hatte ich einen kleinen Zusammenbruch", sagt sie und bezieht sich auf ihre erste Rückkehr aus Haiti. Als jemand, der immer einfach auf die Toilette gehen und sauberes Wasser trinken konnte, sah sie sich in Haiti mit einer anderen Realität konfrontiert: Sie wurde krank, nachdem sie dort aus dem Wasserhahn getrunken hatte.
1000 Kinder sterben täglich an mangelnder Hygiene
Um das Bewusstsein für den weltweiten Mangel an Sanitäranlagen und Trinkwasser zu schärfen, haben die Vereinten Nationen den Welttoilettentag ins Leben gerufen, der jedes Jahr am 19. November begangen wird. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben derzeit 3,5 Milliarden Menschen auf der Welt ohne Zugang zu hygienisch unbedenklichen Sanitäranlagen. Durch die sogenannte "offene Defäkation" können sich Krankheiten ausbreiten. Schätzungsweise 1000 Kinder unter fünf Jahren sterben jeden Tag an Krankheiten, die durch verseuchtes Wasser oder unzureichende sanitäre Einrichtungen verursacht werden.
Wie Patricia Arquette betont, kann das Problem auch Menschen in den reicheren Regionen der Welt betreffen. Ihre Stiftung arbeitet derzeit mit dem Bundesstaat Kalifornien an einem Pilotprojekt, das Sanitärlösungen für Menschen plant, deren Zuhause bei Waldbränden zerstört wurde. Denn Naturkatastrophen werden durch den Klimawandel immer häufiger und schwerwiegender.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.