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Warum in Bahrain die Schiiten protestieren

18. Februar 2011

Lange galt die kleinste Golfmonarchie Bahrain als liberales Musterland in der Region. Doch ähnlich wie zuvor in Ägypten und Tunesien gibt es auch dort eine Protestwelle, getragen auch von konfessionellen Spannungen.

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Demonstranten am auf dem 'Platz der Perle' (Foto: AP)
Demonstranten auf dem "Platz der Perle" in Bahrains Hauptstadt ManamaBild: AP

Seit Anfang dieser Woche protestieren in dem kleinen Golfstaat Bahrain tausende Menschen gegen die Politik der Regierung. Die Demonstranten fordern politische Reformen und den Rücktritt der Regierung. Einige von ihnen verlangen inzwischen auch den Sturz des Regimes. Inspiriert vom ägyptischen Vorbild harrten Hunderte in Zelten auf dem zentralen "Platz der Perle" in Manama aus. Die Versammlung wurde am Donnerstagmorgen von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Schiiten versus Sunniten

Karte von Bahrain (Grafik: DW)
Bahrain liegt vor der Küste Saudi-Arabiens, in der Nähe Katars

Der kleine Inselstaat vor der Küste Saudi-Arabiens ist ein Sonderfall in der Region: Er ist kulturell, religiös und politisch sowohl vom schiitischen Iran, als auch von den sunnitisch ausgerichteten arabischen Staaten der Region geprägt. Dies führt traditionell zu Verwerfungen.

Schiiten stellen zwar schätzungsweise bis zu 70 Prozent der bahrainischen Bevölkerung - sie werden aber seit 1971 von einer sunnitischen Herrscherfamilie unter König Scheich Hamad bin Issa al-Chalifa regiert. Genau diese religiösen Gegensätze sind es, die für die Proteste verantwortlich sind, meint der politische Analyst und Sicherheitsexperte des Gulf Research Center in Dubai, Mustafa Alani: "Die bahrainische Gesellschaft ist konfessionell in Schiiten und Sunniten gespalten. Die meisten Proteste werden von den Schiiten organisiert. Und ich glaube, dass die bahrainische Regierung diese Proteste letztlich unter Kontrolle bringen kann, weil die Hälfte der sunnitischen Bevölkerung sie dabei unterstützt."

Wie groß ist die Rolle der Religion?

Andere Experten sind der Ansicht, dass die Unruhen in Bahrain nicht religiös motiviert oder gar vom Iran aus ferngesteuert sind – wie dies von einem Teil des sunnitischen Establishments und einigen arabischen Medien dargestellt wird.

Teilnehmer eines Trauermarsches strecken ihre Fäuste und Bilder des Getöteten in die Höhe (Foto: AP)
Regierungsgegner bei einem Trauermarsch für einen von den Sicherheitskräften getöteten 22-JährigenBild: AP

Die deutsche Islamwissenschaftlerin Sabine Damir-Geilsdorf hat die vergangenen drei Wochen in Bahrain verbracht und weist darauf hin, dass die Proteste nicht nur ganz unmittelbar den Ereignissen in Tunesien und Ägypten folgen. Sie ereignen sich auch am zehnten Jahrestag eines nicht eingelösten Versprechens des Herrscherhauses, das seinen Untertanen ein Referendum über demokratische Reformen in Aussicht gestellt hatte.

Korruption und Perspektivlosigkeit

Porträt von Bahrains König Scheich Hamad bin Issa al-Chalifa (Foto: AP)
Bahrains König Scheich Hamad bin Issa al-ChalifaBild: AP

Nach Überzeugung von Sabine Damir-Geilsdorf sind Frustration über Korruption und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit die Hauptgründe für die Protestwelle. Davon seien die Schiiten besonders betroffen: "Die Diskriminierung der schiitischen Mehrheit, die durch eine sunnitische Herrscherfamilie regiert wird, ist allgegenwärtig. Schiiten werden diskriminiert. Sie haben weniger Arbeit und Aufstiegmöglichkeiten. Sie erhalten keine Positionen in der Polizei und in der Armee." Auch hätten schiitische Dörfer eine schlechtere Infrastruktur als sunnitische Wohnviertel. Das könne man überall in Bahrain sehen, sagt Sabine Damir-Geilsdorf.

Bahrains Schiiten beklagen sich seit langem darüber, als "Bürger zweiter Klasse" behandelt zu werden. Die religiösen Spannungen seien das Resultat dieser Degradierung, meint die deutsche Islamwissenschaftlerin, nicht jedoch deren Ursache: "Diese konfessionellen Spannungen werden natürlich aufgrund dieser politischen Diskriminierungen erst erschaffen. Es geht hier sehr um Verteilungskonflikte, die sich an konfessionellen Bruchlinien dann zeigen".

Die Regierung versucht derweil, die Protestwelle durch Zugeständnisse und Geschenke an die Bevölkerung einzudämmen. So sollen alle bedürftigen Familien eine einmalige Zuwendung von 3000 US-Dollar erhalten. Der König kündigte auch eine Lockerung der staatlichen Medienkontrolle an. Bisher hat dies die Proteste jedoch nicht beruhigen können.

Autor: Loay Mudhoon
Redaktion: Rainer Sollich / Marco Müller