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KlimaGlobal

Warum Klimaleugner online trenden

Stuart Braun
28. Juli 2023

Eine Hitzewelle wird dem Klimawandel zugeschrieben, und sofort werden dazu viele Falschinformationen verbreitet. Dabei haben Plattformen wie TikTok Klimaleugner verbannt. Was hilft gegen Fake News zum Klima?

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Bild eines Smartphones mit diversen Apps - Facebook, Twitter, Instagram, TikTok
Soziale Medien sind zu einer Brutstätte für Klimaleugner gewordenBild: Hideki Yoshihara/AFLO/IMAGO

Mit weltweiten Temperaturrekorden begann am 3.Juli 2023 die bisher heißeste Woche seit Beginn der Wetteraufzeichnungen auf dem Planeten, von den Vereinigten Staaten, China und Mexiko bis nach Sibirien. Die Klimaforscherin Friederike Otto vom renommierten Grantham Institute for Climate Change and the Environment in London nannte die steigende Hitze "ein Todesurteil für Menschen und Ökosysteme".

Doch am nächsten Tag twitterte die britische Politikjournalistin Isabel Oakeshott: "Die Klimawandelverrückten, die wegen ein paar heißer Tage im letzten Monat in Panik geraten sind, können sich beruhigen [...] Es sind 13 Grad und es regnet." Sie schrieb weiter, dass sie "gerade dabei sei, den Kamin anzuzünden". Innerhalb eines Tages hatten über 2,2 Millionen Menschen den Tweet gesehen. Oakeshott ist Moderatorin beim konservativen Nachrichtenkanal TalkTV und zieht auf Twitter häufig her über "Klimaverrückte". Am 5. Juli twittere sie " Wo ist Greta wenn wir im Juli Wollpullis brauchen?".

Wie kommt es, dass Klimawandel-Leugnung weiter gedeiht, und das während der schlimmsten jemals gemessenen Hitzewellen weltweit, und in Anbetracht des nahezu einhelligen wissenschaftlichen Konsenses darüber, dass der Mensch für die Erderwärmung verantwortlich ist, vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe?

Die größte globale Meinungsumfrage zum Klimawandel aus dem Jahr 2021 ergab, dass fast 65 % der Menschen aller Altersgruppen in mehr als 50 Ländern den Klimawandel als "globalen Notfall" ansehen. Trotzdem stellen Wissenschaftler fest, dass Leugnung und Skepsis gegenüber der Klimakrise in letzter Zeit wieder zugenommen haben.

Zweifel an Klimalösungen schüren 

Ein kurzer Blick auf auf den DW-eigenen TikTok-Kanal Planet A zeigt: Auch hier werden Lösungen für die Klimakrise, wie zum Beispiel die Transformation zu sauberer Energie, in den Nutzerkommentaren häufig in Frage gestellt oder die globale Erwärmung wird gänzlich verleugnet.

"Der Klimawandel ist nicht real. Es geht nur ums Geld. Es ist traurig, dass ihr Kindern Angst macht. Ihr solltet euch schämen", schrieb etwa ein Nutzer, nachdem die DW ein Video über junge Aktivisten gepostet hatte, die den US-Staat Montana verklagen, weil er nicht genug gegen die Klimakrise unternimmt. 

"Wie sollen sie ihre E-Fahrzeuge aufladen, wenn es keinen Strom gibt?", schrieb ein anderer und deutete an, dass erneuerbare Energien keine zuverlässige Energiequelle seien - obwohl Wind und Sonne die billigsten und am schnellsten wachsenden Energieformen weltweit sind.   

Dies seien alte rhetorische Tricks, die derzeit vor allem Lösungen unterminieren sollen, weniger die Klimawissenschaft selber, sagt John Cook. Der Klimatologe und leitende Forscher an der Universität von Melbourne und Autor des Blogs Skeptical Science entlarvt Fehlinformationen über Klimathemen.

Der Ansatz "Lösungen sind schädlich" oder "Lösungen funktionieren nicht" sei eine Neuauflage früherer Angriffe auf die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen in den 1990er Jahren.

"Die Zielmarken haben sich verschoben", sagte Callum Hood, Forschungsleiter am globalen Center for Countering Digital Hate (CCDH) im Vereinigten Königreich. Klimaleugner setzen heute eher auf Ablenkung und "säten Zweifel", um die Energiewende zu verzögern. Dabei solle vermittelt werden, dass es  "schlimmer ist etwas zu tun als gar nichts zu tun", erklärte Hood und bezog sich dabei auch auf den Begriff des "Klima-Inaktivismus", der von dem Klimaforscher Michael Mann geprägt wurde.

Mehr Fehlinformationen mit Klimabezug im Internet 

"Es gibt eindeutige Schwachstellen darin, wie soziale Medienplattformen gestaltet und verwaltet werden. Sie ermöglichen es, dass solche Inhalte an die Oberfläche gelangen", sagt Jennie King. Sie leitet die Abteilung Klimaforschung und -politik am Institute of Strategic Dialogue (ISD), einer globalen Denkfabrik, die Extremismus und Desinformation erforscht. 

Die Plattformen werden mit einem "Bias der Algorithmen", also einer algorithmischen Voreingenommenheit konstruiert, erklärt Kathie Treen von der Universität Exeter, sie war 2020 Co-Autorin einer Studie über Online-Fehlinformationen und den Klimawandel. Die von den Plattformen konstruierten Verzerrungen durch die Algorithmen schaffe "Echokammern", um die Nutzer "anfällig dafür zu machen, Fehlinformationen zu konsumieren, zu akzeptieren und zu verbreiten".

Faktencheck: Wie erkenne ich Fake News?

Aber was ist die Quelle dieser Fehlinformationen? Laut einer Studie des CCDH gibt es zehn "Super-Spreader", die Fake News weltweit verbreiten. Dazu gehören unter anderem russische Staatsmedien und die rechtsgerichtete US-Nachrichtenseite Breitbart. Letztere ist für 69 Prozent der Interaktionen mit klimaleugnenden Inhalten auf Facebook verantwortlich. Diese "toxischen Zehn" veröffentlichen offenkundige Falschinformationen über Klimathemen und verstärken sie auf Facebook, um "einen Konsens über Fakten und Lösungen zu verhindern", heißt es in dem Bericht. 

Dies ist möglich, da Facebook es bisher versäumt hat, sein Versprechen aus dem Jahr 2021 umzusetzen, Beiträge von Klimaleugnern mit Links zu korrekten Informationen zu kennzeichnen, so Callum Hood, Mitautor des Berichts. Nur acht Prozent der beliebtesten Beiträge auf Facebook, die Fehlinformationen der "toxischen Zehn" enthielten, waren entsprechend gekennzeichnet.

Google vergrößert Reichweite und Einnahmen mit Fake News zum Klimawandel  

"Google hat versprochen, die Monetarisierung von Klimaleugnung nicht zuzulassen", so Hood. Trotzdem zahlte der Technologieriese innerhalb von sechs Monaten 3,6 Millionen Dollar an Werbeeinnahmen an die "toxischen Zehn", die weiter Fake News zum Klimawandel verbreiteten.

Mittlerweise haben Wissenschaftler aufgedeckt, dass "Unternehmen die mit der Fossilindustrie zusammenhängen" im Vorfeld der UN-Klimaverhandlungen COP27 rund 4 Millionen Dollar für Anzeigen an Meta gezahlt haben, den Eigentümer der Social-Media-Plattformen Facebook, Instagram und WhatsApp.

Ziel war es, "vor und während der COP27 falsche und irreführende Behauptungen über die Klimakrise, die Netto-Null-Ziele und die Notwendigkeit fossiler Brennstoffe zu verbreiten", das zeigt ein Bericht der internationalen Forschungsgruppe Climate Action Against Disinformation (CAAD). Die meisten dieser Behauptungen stammten von Energy Citizens, einer Lobbygruppe der US-amerikanischen Ölindustrie, finanziert vom American Petroleum Institute.

Eine junge Frau hält bei Kundgebung ein Schild hoch "Planet not Profit"
Extreme Klimaleugnung versucht, den wachsenden globalen Konsens über die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu verzögernBild: Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/picture alliance

Auftrieb von Klimaleugnern durch COVID-19 und den Ukraine-Krieg  

Fehlinformationen würden laut Jennie King in Krisenzeiten besonders gut gedeihen. In den vergangenen Jahren hätten sich Gesundheits-, Lebenshaltungskosten-, Energie- und Inflationskrisen überschnitten. 

Das, was sie als "globales Ökosystem für Desinformation" bezeichnet, wurde durch eine "historische Ungleichheit des Wohlstands" und eine "historische Erosion des Vertrauens in Institutionen" noch verschärft. 

Dabei wurde das "tatsächliche Trauma" instrumentalisiert für eigene Interessen, wie etwa in den ersten Wellen der Pandemie deutlich wurde, als der Begriff "Klima-Lockdown" in den sozialen Medien auftauchte und die Verfechter behaupteten, der "Klimalockdown" sei eine Generalprobe für eine kommende Welle der "grünen Tyrannei", so King.  

Typisch für das Wiederaufleben der Klimaleugnung im Internet sei der Hashtag #ClimateScam, der Mitte 2022 bei der Suche nach dem Stichwort "Klima" auf Twitter unerklärlicherweise an erster Stelle stand - der Eigentümer Elon Musk wurde seitdem mehrfach für Klima-Fehlinformationen kritisiert.   

Die steigenden Lebenshaltungskosten und die Energiekrise seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine werden dabei instrumentalisiert, um die Bedeutung der Klimakrise zu verdrängen, sagt King. Das sei eine bewährte Strategie politischer Parteien, die sich für fossile Brennstoffe einsetzen, darunter auch die rechtsextreme deutsche AfD (Alternative für Deutschland). 

Am 3. Juli sagte die Co-Vorsitzende der AfD, Alice Weidel, dass die Energiewendepläne der deutschen Regierung zu weit verbreiteter Armut führen würden und behauptete, die Umstellung der Heizung von Gas auf erneuerbare Energien kämen einem "Massaker" gleich. Ihre Beliebtheit hat nach nationalen Umfragen zuletzt stark zugenommen.

Mit Fakten gegen Klimaleugnung im Internet 

Wie Facebook versprach auch TikTok im April, künftig klimaleugnende Inhalte zu verbieten. Jennie King hält solche Versuche der Inhaltsmoderation jedoch für "plump" und "nicht durchsetzbar" und fügt hinzu, dass "es nicht kriminell ist, den Klimawandel zu leugnen". 

Die ultimative Lösung wäre ihrer Meinung nach, die Leugnung des Klimawandels zu "demonetarisieren" und damit Klimaleugnern den Geldhahn abzudrehen - etwas, was die großen Technologieunternehmen bisher weitgehend versäumt haben. 

John Cook plädiert seit langem für präventive Gegenmassnahmen, eine "Impfungen mit Informationen". Sie könnten in seinen Worten gegen "Klima-Irrglauben" immunisieren. So könnten falsche Annahmen und Falschinformation über Klimathemen neutralisiert werden, wenn man "die fehlerhafte Argumentationsstrategie der Falschinformationen" erklärt und den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel bekräftigt. 

"Es gibt kein Patentrezept im Kampf gegen Klima-Fehlinformationen, und es braucht einen vielschichtigen Ansatz, der Aufklärung, Gegenmaßnahmen, Korrekturen und Aktionen der Plattformen selber umfasst", so Kathie Treen.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Redaktion: Tamsin Walker

 

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.