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Kohlestrom statt Gasstrom

22. Dezember 2017

In Deutschland gibt es reichlich Braunkohlestrom, daher wird viel ins Ausland exportiert. Klimaverträglichere Gaskraftwerke aber stehen still, und Deutschland gefährdet so seine Klimaziele. Was läuft schief?

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Deutschland | Proteste gegen den Abbau von Braunkohle
Bild: REUTERS/T. Schmuelgen

Deutschland torpediert seine Klimaziele und die saubere Energie: Das zeigen aktuelle Zahlen zur Stromproduktion und den damit verbundenen CO2-Emissionen im Jahr 2017. Die Daten sind erschreckend und erfreulich zugleich.

Deutschland wird Schätzungen nach in diesem Jahr wieder so viel CO2 ausstoßen wie im vergangenen Jahr und auch 2009: rund 906 Millionen Tonnen CO2. Das liegt trotz steigenden Anteil von Erneuerbaren Energien vor allem an der Braunkohle. Bei deren Verstromung werden auch in diesem Jahr wieder etwa 162 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, das sind 18 Prozent aller deutschen Treibhausgasemissionen.

Mindestens 12 Prozent weniger CO2 wären möglich

Dabei braucht Deutschland den klimaschädlichen Braunkohlestrom kaum noch. Würde Deutschland auf den hohen Stromexport ins Ausland verzichten (immerhin neun Prozent des erzeugten Stroms) und seinen Strom vorrangig durch sauberere Gas- und Steinkohlekraft generieren, ließen sich "über 80 Prozent des Braunkohlestroms und die damit verbundenen Emissionen einsparen", erklärt Bruno Burger, Stromsystemexperte am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) der DW.

Gaskraftwerke erzeugen im Vergleich zu Braunkohle mindestens 70 Prozent weniger CO2 pro Kilowattstunde (kWh), Steinkohlekraftwerke etwa 25 Prozent weniger. Beide Kraftwerkarten stehen in Deutschland und anderen EU-Ländern aber häufig still, Gaskraftwerke besonders oft.

Das CO2-Minderungspotenzial durch den Verzicht auf Stromexport und den vorrangigen Ersatz des Braunkohlestroms durch Gas und Steinkohle liegt nach Burgers Überschlagsrechnung bei über 110 Millionen Tonnen CO2 im Jahr.

Gaskraftwerk
Gaskraftwerk: Durch Braunkohle kaum in Betrieb. Bild: picture-alliance/dpa

Dies entspricht einer Minderung von über 12 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen. Würde der Strom so produziert, hätte Deutschland ein Großteil seiner gesetzten Klimaziele schon erreicht und enspricht einer CO2-Minderung um 36 Prozent im Vergleich zu 1990.

Deutschland hat international angekündigt und versprochen, seine Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. 

Klimaschutz braucht die Saubersten zuerst!

In Deutschland und anderen EU-Staaten gilt bei der Deckung des Strombedarfs bisher eine Rangfolge: Nach der Einspeisung von erneuerbaren Energien wird der fehlende Restbedarf derzeit vorrangig von Braunkohle und Atomkraft, dann von der Steinkohle und erst zuletzt von der relativ sauberen Gaskraft gedeckt.

"Für den Klimaschutz brauchen wir die Umkehrung der Rangfolge", erklärt Burger. "Nach Einspeisung der Erneuerbaren muss der fehlende Strombedarf deshalb vorrangig mit Gaskraft und dann mit Steinkohle gedeckt werden, also mit den Kraftwerken, die am wenigsten CO2 emittieren." Erst wenn dann alle diese Kraftwerke zusammen nicht genug Strom produzieren, solle man auf Braunkohle als Stromerzeuger zurückgreifen dürfen.

CO2-Preis könnte Rangfolge verändern

Stromerzeuger bezahlen derzeit für Umwelt- und Klimaverschmutzung fast nichts. Die Schäden werden vom Staat und Bürger in Form von Steuern oder Krankenkassenbeiträgen bezahlt. Werden die Kosten durch Gesundheits- und Materialschäden den einzelnen Stromerzeugern hinzugerechnet, wird laut Umweltbundesamt Braunkohlestrom in der Gesamtbetrachtung Braunkohle zur teuersten fossilen Energie und Gaskraft um etwa ein Drittel günstiger.

Infografik Stromproduktion Kosten Deutschland DEU
Der derzeitige Strommarkt betrachtet nur die Erzeugungskosten. Die Schäden zahlen bislang Bürger und Staat.

Im aktuellen Strommarkt, der nur die reinen Erzeugungskosten betrachtet, spielen die Gesamtkosten jedoch keine Rolle. Strom aus Braunkohle kostet deshalb hier nur etwa halb so viel wie aus Gas und ist gegenüber der Steinkohle ebenfalls deutlich günstiger. In entsprechender Reihenfolge produzieren die Kraftwerke den Strom.

Energie- und Klimaexperten fordern deshalb schon lange Korrekturen im Stromarktsystem: einen Preis für die Verschmutzung mit CO2. "Ein CO2-Preis macht erstens CO2-freie Technologien im Markt wettbewerbsfähig", erklärt der Klimaökonom Otmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im DW-Interview. "Zweitens bestraft ein CO2-Preis die Nutzung der fossilen Energieträger, entsprechend ihres Gehalts an Kohlenstoff. Kohle wird so mehr bestraft und Erdgas weniger."

Ein schöner Nebeneffekt außerdem: Ein CO2-Preis würde Einnahmen generieren. Mit diesen Einnahmen ließen sich an anderen Stellen Steuern und Abgaben senken sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz finanzieren, sagt Edenhofer.

UN-Klimakonferenz 2017 in Bonn Proteste
Bürgerprotest für mehr Klimaschutz, Energiewende und Kohleausstieg in Bonn.Bild: DW/K. Wecker

Bürger wollen Wende, Politik hadert noch

In Deutschland will seit Jahren eine deutliche Mehrheit der Bürger eine schnelle Energiewende. Bei der letzten repräsentativen Umfrage plädierten rund 57 Prozent der Bürger auch für ein Ende der Kohleverbrennung und einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, 31 Prozent waren dagegen. Ebenso hoch war der Wunsch nach mehr Klimaschutz in der künftigen Politik (56 Prozent), weniger Klimaschutz wollten dagegen nur rund 14 Prozent.

Doch trotz Bürgerwunsch und ökonomischen Vorteilen tut sich die Politik mit der Umsetzung schwer. Maßnahmen wie die Einführung eines CO2-Preises auf fossile Energien und der zügige Ausstieg aus der Braunkohle wird von vielen Politikern nicht thematisiert.

"Deutschland muss die Stromerzeugung aus Kohle schnellstens reduzieren und mittelfristig beenden, sonst sind die Klimaziele in Deutschland nicht zu erreichen", warnt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung bei der Vorstellung des Gutachten zum Kohleausstieg für Deutschland. 

Der Umstieg hin zu erneuerbaren Energien verändere das Energiesystem allerdings auch grundlegend und dies "löst Ängste und Unsicherheiten", so Kemfert gegenüber der DW. Problematisch seien bei den notwendigen Veränderungen auch die Lobbyisten, die um den Erhalt des alten Energiesystems und deren Pfründe "sehr agressiv kämpften". Sie seien bisher immer stärker als die Lobbyisten der Zukunft und sauberen Energien.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion