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Was Abe mit Poroschenko-Einladung bezweckt

Martin Fritz4. April 2016

Japans Premier Shinzo Abe will sich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine positionieren, um schon bald persönlich mit Präsident Wladimir Putin über die umstrittenen Kurilen-Inseln verhandeln zu können.

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Presskonferenz Petro Poroschenko Jan. 2016 in Kiew (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Chuzavkov

Von Dienstag bis Donnerstag (5. bis 7.4.) weilt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Japan. Der Anlass für seinen ersten Staatsbesuch im Land der aufgehenden Sonne ist der bevorstehende G-7-Gipfel Ende Mai mit Japan als Gastgeber. Bei dem Gipfel wird der anhaltende Streit zwischen Ukraine und Russland auf der Tagesordnung stehen. Japan hat der Ukraine bereits insgesamt 1,8 Milliarden Dollar Finanzhilfe zugesagt. Poroschenko erwidert einen Besuch von Abe in Kiew vor einem Jahr. Dabei hatte der Japaner auf die Einhaltung des Waffenstillstands zwischen der Ukraine und pro-russischen Gruppen gedrängt.

Doch bei dem Treffen in Tokio steht die Ukraine nur scheinbar im Vordergrund. Vielmehr will Abe seine Position als G-7-Gastgeber nutzen, sich in eine Vermittlerrolle zwischen Russland und Ukraine zu manövrieren. Dadurch könnte er eine persönliche Begegnung mit Präsident Wladimir Putin begründen. Dabei könnte Abe auch seine eigentliche Herzensangelegenheit, den Territorialstreit mit Russland um die Kurilen, ansprechen. Die Vermittlungsmission würde Abe aus der Zwickmühle befreien, einerseits den lange vorbereiten Durchbruch mit Russland in der Kurilen-Frage zu versuchen und andererseits die anti-russische Haltung seines Sicherheitspartners USA zu berücksichtigen. US-Präsident Barack Obama soll Abe bei einem Telefonat im Februar persönlich von einem Treffen abgeraten haben.

Infografik Kurilen (DW)
Russisch-japanische Ansprüche in den südlichen Kurilen

Russland-Besuch im Mai

Dennoch plant Abe eine Begegnung mit dem russischen Präsidenten für Mai kurz vor dem G-7-Gipfel. Wahrscheinlicher Treffpunkt ist der Austragungsort der Winterspiele 2014, Sotschi, am Schwarzen Meer. Dort will Abe den japanisch-russischen Verhandlungen über die Kurilen-Frage neuen Schwung geben. Dabei geht es um die vier Japan-nahen südlichen Inseln der Kurilen-Gruppe, die von der damaligen Sowjetunion 1945 besetzt wurden. Japan verlangt bis heute vergeblich die Rückgabe seiner "nördlichen Territorien". Daran scheiterte bisher der Abschluss eines Friedensvertrages. Diesen Vertrag würde Abe gerne zustande bringen, weil er in seiner Amtszeit einen Schlussstrich unter das Erbe des Weltkrieges ziehen möchte.

Fünf Mal haben sich Abe und Putin seit März 2013 getroffen und wurden so etwas wie Freunde. Abe fuhr als einziger G-7-Regierungschef zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi. Doch die Annäherung der Nachbarländer wurde durch die russische Annexion der Krim im März 2014 gestoppt. Die USA und die EU verhängten Strafen gegen Russland. Japan folgt seitdem der Isolations- und Sanktionspolitik des Westens, wenn auch nur halbherzig, um seine ausgeglichene Position zu signalisieren. Dafür gibt es außer der Kurilen-Frage noch mehr Gründe: Wirtschaftlich gesehen braucht Japan russisches Gas und möchte Infrastruktur verkaufen. Russland wünscht sich japanische Investitionen und Technologien für eine moderne Wirtschaft.

Putin mit Abe 08.02.2014 Sotschi (Foto: picture alliance/AP Photo)
Symbolträchtiger Alleingang: Abes Treffen mit Putin bei den Winterspielen 2014 in SotschiBild: picture alliance/AP Photo

Machtspiele im Fernen Osten

Politisch gesehen möchte Japan durch die Annäherung an Russland seine Isolation in Ostasien überwinden. China und Südkorea halten Abe wegen dessen Nationalismus auf Abstand. Natürlich weiß Russland um die japanischen Probleme. Daher ist es für Moskau ein Leichtes, die chinesische Karte zu spielen, um Japan vorzuführen. Japan streitet mit China um Inseln im Ostchinesischen Meer. Da ist es unschön, wenn auch Russland auf Chinas Seite steht. Doch so geschah es nach den ersten Sanktionen. Da schloss Moskau einen Liefervertrag mit China über Erdgas ab. Und nach der zweiten Sanktionsrunde im August 2014 stimmte Russlands Außenminister Sergei Lawrov in die chinesische Klage über Abe ein: Es sei eine Schande, dass einige Politiker immer noch den Militarismus unterstützen, wenn es um regionale Streitigkeiten geht.

Japanische und chinesische Schiffe überwachen sich gegenseitig im Ost Chines. Meer (Foto: Reuters)
Nicht zuletzt wegen der Spannungen mit China im Ostchinesischen Meer (Foto) sucht Japan den Schulterschluss mit RusslandBild: Reuters

Der Besuch von Ukraine-Präsident Poroschenko soll Bewegung in diese Fronten bringen. Mitte April kommt Lawrov nach Japan und trifft sein japanisches Gegenüber Fumio Kishida, offenbar um das Treffen von Abe und Putin vorzubereiten. Auf Beamtenebene laufen die Kurilen-Gespräche bereits wieder seit dem Herbst des Vorjahres. Dabei stört jedoch nicht nur die japanische Finanzhilfe für die Ukraine. Russland hat sein Eingreifen auf der Krim mit dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung gerechtfertigt. Daher wäre eine Rückgabe der von 30.000 Russen besiedelten Kurilen-Inseln an Japan schwer zu erklären.

Russland sondiert derzeit sogar, auf den Kurilen eine Marinebasis aufzubauen. In diesem Monat sollen Schiffe der russischen Pazifikflotte mögliche Standorte sondieren. Möglicherweise gehört dies aber zur russischen Verhandlungstaktik. Jedenfalls scheinen die Nationalisten Abe und Putin eine Lösung des Dauerstreits für denkbar zu halten. Am wahrscheinlichsten gilt eine Besitzteilung. Russland würde Shikotan und die Habomai-Eilande nach einem Friedensvertrag womöglich zurückgeben. Diese Aussicht ist für den ansonsten so amerikaorientierten Regierungschef Abe offenbar so verlockend, dass er dafür einen Rüffel von Obama und dem Rest der G-7 riskiert.