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Was hält die Ampel-Regierung noch zusammen?

3. April 2024

"Bösartig und niveaulos" - die Tonlage zwischen SPD, Grünen und FDP verschärft sich. Gestritten wird ohnehin: um Waffen für die Ukraine, vor allem aber um Geld.

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Die Spitzen der Regierungskoalition, Christian Lindner (ganz links), Robert Habeck (Mitte), Olaf Scholz (rechts), sitzen im Bundestag nebeneinander
Die Spitzen der Regierungskoalition mit Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf ScholzBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Bundesfinanzminister Christian Lindner sorgt einmal mehr für Aufruhr in der Koalition. Die Tage um Ostern nutzte der FDP-Chef, um seine politischen Forderungen in den laufenden Haushaltsverhandlungen noch einmal prominent zu platzieren. Im Kern kann man sie so zusammenfassen: Deutschland soll massiv sparen und das am besten bei den Sozialausgaben. Perspektivisch sei das ohnehin der beste Weg, um die wachsenden Militär-Ausgaben zu schultern.

Deutsche Zeitungen titelten daraufhin: "Rente oder Rüstung?". SPD und Grüne, die mit der FDP zusammen die Regierung bilden, reagierten unwirsch. Schließlich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz vor Ostern gesagt: "Für mich ist ganz klar ‑ übrigens eine Vereinbarungsgrundlage der Koalition ‑, dass wir im Bereich des Sozialstaats keine Verschlechterung vorsehen werden." Ähnlich hatte sich der grüne Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck geäußert.

Finanzminister Lindner will Kürzungsvorschläge bis zum 19. April 

Doch Lindner will nicht weichen. Er muss den Bundeshaushalt 2025 entwerfen und in dem fehlen absehbar zwischen 25 und 30 Milliarden Euro. Das sind ungefähr sechs Prozent der Summe, die man bräuchte, um die politischen Vorhaben aller Ministerien umzusetzen. Lindner hat nun Obergrenzen für die Ministerien definiert und die liegen fast überall deutlich unter dem, was 2024 genehmigt wurde. Besonders drastisch soll der Rotstift bei der Entwicklungshilfe angesetzt werden, aber auch im Familien- und im Außenministerium.

Bis zum 19. April sollen die Ministerien konkrete Vorschläge machen, wo genau sie sparen wollen - und der Finanzminister wird nicht müde, Tipps zu geben. Eine "Sozialstaatswende" sei in Deutschland genauso nötig wie eine "Wirtschaftswende", meint Lindner. Angesichts der dramatisch schlechten Wirtschaftslage ist das ein Vergleich, der einer Kampfansage an die Koalitionspartner gleichkommt.

Gemeinsamkeiten der Ampelkoalition scheinen verschlissen

Seit Dezember 2021 regieren SPD, Grüne und FDP zusammen. Die nächste reguläre Bundestagswahl findet im September 2025 statt. Bis dahin sind es noch fast eineinhalb Jahre. Doch der Eindruck, dass das nach ihren Parteifarben als "Ampel" bezeichnete Bündnis ihr Potenzial längst aufgebraucht hat, wird immer stärker.

Schon im Grundsatz gibt es zwischen zwei linken und einer wirtschaftsliberalen Partei große Gegensätze. Anfangs bemühten sich alle, diese zurückzustellen und eher Gemeinsamkeiten zu suchen. Man verstand sich als Fortschrittskoalition, wollte Deutschland modernisieren. Doch dann überfiel Russland die Ukraine. Energiekrise und Inflation beutelten das Land, die Wirtschaft stürzte ab, das Geld wurde knapp.

Vor Wahlen sind sich die Parteien selbst am nächsten

Von den im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekten sind einige umgesetzt, andere angesichts der Lage wohl Makulatur. Die Koalition krankt an schlechten Umfragewerten, nie zuvor war eine Bundesregierung so unbeliebt bei den Bürgern. Vor allem SPD und FDP liegen weit unter dem Zuspruch, den sie bei der Bundestagswahl einfahren konnten. 

Im Juni wird das Europaparlament neu gewählt, im September sind in drei Bundesländern Landtagswahlen. In dieser Situation sind sich die Parteien selbst am nächsten. Christian Lindner sagte Ende März der Nachrichtenagentur dpa, die Bürger könnten bei den Wahlen entscheiden, "ob es mehr Staat, mehr Schulden und höhere Steuern geben soll oder einen schlanken Staat mit weniger Zinslasten und niedrigeren Steuern".

Die Tonlage in Deutschlands Regierungskoalition hat sich geändert

Doch das ist nicht alles, was die Ampel inzwischen trennt. Seit Monaten nehmen die Meinungsunterschiede auch beim Thema Waffenlieferungen für die Ukraine zu. Auf dieser Ebene stehen sich Grüne und FDP näher, die sich bei der militärischen Unterstützung einig sind. Die SPD zögert hingegen regelmäßig bei schweren Waffen. Das war bei den Leopard-Panzern so, das ist bei den Taurus-Marschflugkörpern nicht anders.

Während die Panzer inzwischen rollen, lehnt Scholz eine Taurus-Lieferung ab. "Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das!", sagte er im März. Doch die Debatte geht trotz des Vetos weiter und sie wird immer giftiger geführt. In der letzten Sitzungswoche des Bundestags vor Ostern fielen bei der SPD Worte wie "bösartig" und "niveaulos", womit Äußerungen der FDP gemeint waren. Der SPD-Kanzler wetterte, er finde es "peinlich" und "lächerlich", wie Grüne und FDP argumentierten. 

Dem SPD-Fraktionsvorsitzenden wurde von der FDP unterstellt, er wolle die Ukraine fallenlassen und sich Russland wieder annähern, weil er von einem "Einfrieren" des Krieges sprach. Als er im Bundestag redete, schüttelte die grüne Außenministerin für alle sichtbar missbilligend den Kopf. Führende Köpfe der FDP stimmten im Bundestag für einen Antrag der Opposition, den Taurus zu liefern und damit gegen das Veto des Kanzlers. 

Bei Neuwahlen würden alle zu Verlierern

In dieser Situation mutet es fast märchenhaft an, dass Scholz weiterhin auf die Ampel-Koalition setzt. Da sei "noch etwas drin mit Unterhaken", sagte er auf einer SPD-Jubiläumsfeier. Er wünsche sich, dass "der Spirit für die ganze Regierung noch einmal neu gezündet" werden könne. Wenn es "unterschiedliche Einsichten" gebe, müsse man sich eben "zusammenraufen".

Ob das mehr sein kann als nur Wunschdenken? Dass sich die Koalition vorzeitig auflöst und es zu Neuwahlen kommt, ist eher unwahrscheinlich. Die SPD würde Gefahr laufen, das Kanzleramt räumen zu müssen, die FDP müsste um den Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Wahrscheinlicher ist, dass die drei Parteien so weitermachen wie bisher. Also streiten und irgendwie versuchen, das eigene Profil zu schärfen.

Erinnerungen an die SPD als "Friedenspartei" werden wach

Für die SPD heißt das, sich auf ihre Tradition als Friedenspartei zu besinnen. Als 2002 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg verweigerte, fand er damit viel Zuspruch in der Bevölkerung. Die SPD gewann später die schon verloren geglaubte Bundestagswahl.

Das Foto zeigt im Oktober 2002 den damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schroeder, der Arm in Arm mit seinem grünen Bundesaußenminister Joschka Fischer vor dem sitzenden Olaf Scholz steht. Scholz applaudiert, Schröder und Fischer, die jeweils eine rot-grüne Mappe in der Hand halten, schauern auf ihn herab.
2002 war Olaf Scholz auch schon dabei - applaudierend, während sich der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder (li.), und der damalige grüne Bundesaußenminister Joschka Fischer nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags umarmenBild: Thomas Koehler/photothek/picture alliance

Eine Parallele zu heute? Als der französische Präsident Emmanuel Macron davon sprach, dass man selbst den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließen dürfe, beeilte sich Olaf Scholz festzustellen, dass er niemals Bundeswehrsoldaten in die Ukraine schicken würde. 

Ist die SPD doch nicht so einig, wie es scheint?

Wo andere ihm Zögerlichkeit, ja Feigheit vorwerfen, spricht der Kanzler von Besonnenheit und sieht sich im Einklang mit der Mehrheit der Bürger. Die befürworten zwar Waffenlieferungen an die Ukraine, haben aber gleichzeitig Angst davor, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Ein Brandbrief von fünf Historikern an den SPD-Vorstand lässt aber daran zweifeln, dass die zögerliche Linie des Kanzlers in der SPD unwidersprochen ist. Die Professoren, alle SPD-Mitglieder, werfen dem Kanzler in dem Schreiben vor, die "unzweideutige Solidarität" mit der Ukraine vermissen zu lassen. Die Äußerung zum "Einfrieren" des Kriegs sei "fatal", es würde von Seiten der SPD "immer wieder willkürlich, erratisch und nicht selten faktisch falsch" argumentiert. 

Die Professoren, unter ihnen der renommierte Wissenschaftler Heinrich-August Winkler, kommen zu einem Schluss, der einer Ohrfeige für Olaf Scholz gleichkommt: "Wenn Kanzler und Parteispitze rote Linien nicht etwa für Russland, sondern ausschließlich für die deutsche Politik ziehen, schwächen sie die deutsche Sicherheitspolitik nachhaltig und spielen Russland in die Hände."

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