Was katholische Laien vom Papst erwarten
21. September 2011Wer sich in der katholischen Kirche engagiert, muss leidensfähig sein. Mehr als 180.000 Mitglieder kehrten ihr im vergangenen Jahr in Deutschland den Rücken – fast 50 Prozent mehr als 2009. Glaubt man der progressiven Reformbewegung "Wir sind Kirche", so unterstützt die große Mehrheit der Katholiken hierzulande deren Reformanliegen. Dazu gehört der Rückbau der autokratischen Strukturen, Abschaffung des Pflichtzölibats, Zugang der Frauen zu allen kirchlichen Ämtern, das gemeinsame Abendmahl mit anderen Konfessionen und wiederverheirateten Geschiedenen oder die Weiterentwicklung der Sexuallehre.
All das mögen Gründe für den enormen Anstieg der Kirchenaustritte sein. Negativ zu Buche schlägt aber vor allem der dramatische Vertrauensverlust wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kirchenbedienstete. Stefan Vesper, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hebt allerdings hervor, dass der Papst hier eine positive Rolle gespielt hat: "Er war eine Unterstützung für all diejenigen, die aufklären wollten. Ich glaube, dass wir da deutlich weiter sind durch sein Handeln." Das Thema sexueller Missbrauch müsse Benedikt XVI. beim Deutschlandbesuch erneut zur Sprache bringen; es zu meiden, wäre ein Fehler, sagt Hannelore Bartscherer. Die engagierte Christin ist Vorsitzende des Katholikenausschusses in Köln, vertritt also die Laien der Domstadt: "Die Opfer selbst erwarten einfach, dass er sich dazu immer wieder ganz deutlich äußert."
Keine Kompromisse der Konservativen
Die Erwartungen der Laien an ihre Kirche und den Papst gehen weit auseinander. Zu breit ist das Spektrum von konservativ bis liberal. So gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten in der jahrelangen Diskussion um mehr Mitsprache für kirchliche Laien bei der Gestaltung von Gottesdiensten, Gemeindeleben und wichtigen Entscheidungen. Bei vermeintlich "heißen Eisen" wie Frauenpriestertum oder Zölibat ist überhaupt kein Konsens zu erwarten. "Ich warne vor dem Eindruck, den viele große Verbände in dieser Zeit machen, katholische Positionen seien verhandelbar oder seien in gewisser Weise eine Frage der Mehrheitsfindung" - und dazu gehöre die Frage des Frauenpriestertums, sagt Nils Sönksen.
Der 25-jährige Student ist Sprecher von "Generation Benedikt". Dieses konservative Mediennetzwerk junger Katholiken ist aus dem Weltjugendtag 2005 in Köln hervorgegangen. Er sei davon überzeugt, "dass gerade diese eine Sache Frauenpriestertum definitiv entschieden worden ist vom unfehlbaren Lehramt und damit hätte auch ein Nachfolger-Papst eigentlich keine Möglichkeit mehr, das noch zu ändern." Doch dazu wird der Pontifex in Deutschland vermutlich sowieso nichts sagen.
Mehr Einfluss für Laien
Die liberale Hannelore Bartscherer und Stefan Vesper, der Funktionär des Laiendachverbandes ZdK, hoffen allerdings darauf, dass Benedikt XVI. noch einmal auf die prekäre Lage vieler Gemeinden Bezug nehmen wird und auf die Frage: Wie können in diesen immer größer werdenden kirchlichen Organisationsbereichen bei sinkender Priesterzahl regelmäßige Gottesdienste sichergestellt werden? – unter tatkräftiger Mithilfe von Ehrenamtlichen wohlgemerkt. Auf jeden Fall müsse der Umgang von Priestern und Laien auf Augenhöhe geschehen, fordert Bartscher – und darüber hinaus mehr Mut.
Schon jetzt könnten die Ehrenamtlichen eigenverantwortlich zahlreiche Aufgaben der Gemeindearbeit in die Hand nehmen und sich dabei auf den Pontifex berufen. "Der Papst hat in einer großen Rede gesagt, wir müssen verstehen, dass die Laien nicht irgendwie Mitarbeiter des Pfarrers sind, sondern selber Vertreter von Kirche", betont auch Vesper und bemüht zusätzlich das Zweite Vatikanische Konzil, das festgestellt hat: "Die Laien sind dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen anwesend und wirksam zu machen, wo sie nur durch die Laien leben kann." Auch hier Unterschiede zu Konservativen, die in der Regel nicht an der seit Jahrhunderten hervorgehobenen Stellung des Priesteramtes rütteln. Ein erneutes deutliches Papstwort wäre also angebracht.
Streitpunkt Ökumene
In Sachen Ökumene mit der evangelischen Kirche hat der Pontifex kirchenpolitisch bereits ein unübersehbares Zeichen gesetzt. Auf eigenen Wunsch wird Benedikt XVI. in der Lutherstadt Erfurt eine Spitzenbegegnung mit den Leitern der evangelischen Kirche haben und einen ökumenischen Wortgottesdienst feiern – ohne gemeinsames Abendmahl oder Eucharistie natürlich, weil das die katholische Lehre verbietet.
Glaubt man jedoch der Vorsitzenden des Kölner Katholikenausschusses, so hat die Basis vielerorts längst das starre vatikanische Verbotsschild aus dem Weg geräumt. "In den Gemeinden, sowohl evangelisch als auch katholisch, gibt es ein selbstverständliches Miteinander-Feiern des Gottesdienstes, bis hin zum gemeinsamen Feiern des Abendmahls und der Eucharistie. Das ist die Realität. Und diese Realität wird von den Menschen gelebt und auch als richtig empfunden."
Eine Praxis, die konservative Mahner, wie der Sprecher der "Generation Benedikt", verurteilen: "Wir haben uns in Deutschland enorm darauf versteift, zu glauben, dass man nur Stellschrauben verändern und vielleicht hier und da ein bisschen rumwerkeln müsste und würde dann automatisch zueinander finden. Das halte ich für völlig ausgeschlossen." Sönksen meint, dass die Konfessionen nur auf dem Weg eines vertieften Glaubens überhaupt wieder die Gemeinsamkeiten entdecken können. Vielleicht ist die "Generation Benedikt" in Sachen Ökumene päpstlicher als Benedikt selber. Hannelore Bartscherer, die agile Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses, sieht die ökumenischen Chancen entschieden progressiver: "Wir können diese Dinge bewegen. Und wenn Papst Benedikt an der Stelle ermutigt, dann reicht das ja schon, auf diesem Weg weiterzugehen."
Autor: Klaus Krämer
Redaktion: Volker Wagener