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Solarkraft für Klimaschutz nutzen

Gero Rueter27. November 2013

Solarkraft ist günstiger geworden. Eicke Weber prognostiziert deshalb einen globalen Boom, der sich weiter beschleunigt. Der Solarexperte fordert das Potential schnell zu nutzen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.

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Professor Eicke R. Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in Freiburg (ISE). Quelle: ISE
Bild: ISE

Deutsche Welle: Herr Weber, eine Klimakatastrophe bahnt sich an. Auf der anderen Seite boomt jetzt auch die Solarenergie. Welches Potenzial hat sie?

Eicke Weber: Zusammen mit der Windkraft hat die Solarenergie das Potenzial, die Transformation des globalen Energiesystems in Angriff zu nehmen und damit die schlimmsten Auswirkungen der Klimakatastrophe abzuwenden. Aber wir müssen sehr rasch handeln und das beherzt angehen.

Im Moment stoßen wir noch jährlich zwischen 30 und 35 Milliarden Tonnen an CO2 aus. Die Erde hat ungefähr noch 700 Milliarden Tonnen, bis sie die gefährliche Grenze von zwei Grad Erwärmung überschreitet. Das heißt, es ist unglaublich wichtig, dass wir schnell anfangen. Das Gute ist, dass es anfängt sich ökonomisch zu lohnen. Die Solarenergie ist so preiswert geworden, dass wir Strom für ungefähr den halben Preis im Vergleich zum Strom aus Dieselöl gewinnen können. Und wir werden jetzt auch konkurrenzfähig mit allen anderen fossilen Energieträgern.

Wird aus ökonomischen Gründen jetzt der Markt das Klimaproblem selber regeln?

Nein. Die Umstellung auf erneuerbare Energien beschneidet das Geschäft der konventionellen Stromproduzenten. Wir haben eine wirklich unglaubliche Kampagne in Deutschland und auch global in den letzten anderthalb Jahren erlebt, die versucht, das Klimaproblem systematisch zu unterminieren. Wir müssen uns darüber klar sein, dass der Übergang auf ein neues Energiesystem natürlich Gewinner, aber auch Verlierer mit sich bringt, und diese Verlierer lassen sich nicht gern ihre Pfründe wegnehmen.

Die Solarenergie ist günstig geworden. Was bedeutet das?

Die Technik der Siliziumsolarzellen profitiert von den langen Erfahrungen der milliardenschweren Mikroelektronik. Vor 20 Jahren kostete eine Kilowattstunde Solarenergie 50 Eurocent, heute in Deutschland zehn Cent und in sonnenreichen Regionen zwischen fünf und acht Cent. Weltweit sind wir also absolut konkurrenzfähig und häufig billiger als fossile Energien. Viele Länder können sich jetzt unabhängiger von der Einfuhr fossiler Energieträger machen und auch zu Hause kann man seinen eigenen Strom erzeugen.

Welche neuen Entwicklungen gibt es bei der Solartechnik?

Äußerst spannend ist die Entwicklung höchsteffizienter Solarzellen mit Linsentechnik, die sogenannte Concentrator Photovoltaic (CPV). Diese neue Technologie etabliert sich jetzt auf dem Markt, hat Wachstumsraten von mehreren 100 Prozent pro Jahr, ist konkurrenzfähig und hat auch noch großes Kostensenkungspotential. In San Diego, wo eine Fabrik jetzt diese Zellen produziert, ist ein großes Solarkraftwerk mit 300 Megawatt (MW) geplant.

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Der Solarboom geht von Deutschland und Europa aus. Wie ist die globale Entwicklung?

Wir stehen an einer Wasserschleuse, wo die Tore der Schleuse gerade geöffnet werden. Das erste Wasser prickelt durch die Ritzen, aber den richtigen Rush werden wir jetzt in den nächsten Jahren erst erleben. Wir haben eine Steigerung von etwa 20 Prozent und erwarten den Zubau von neuen Solarkraftwerken mit einer Kapazität von 37 Gigawatt (GW) in diesem Jahr. Wir sehen den Anstieg am stärksten in China. China hat dieses Jahr Deutschland als den größten PV-Markt der Welt überholt und wird dieses Jahr etwa neun GW neu installieren, Deutschland etwa 3,5 GW.

Wir sehen die Entwicklung in allen Ländern der Welt. Die interessantesten Märkte sind auf der einen Seite Saudi-Arabien und die Emirate. Sie wollen ihr Öl und Gas lieber exportieren und nicht mehr zur Stromerzeugung nutzen und bauen Solarkraftwerke. Dazu kommt Südamerika. Brasilien und Chile werden sehr aktiv, Indien ist auch sehr interessiert.

Zudem ist selbst erzeugter Solarstrom mit Modul auf dem Dach jetzt weltweit konkurrenzfähig und zum Teil bedeutend preiswerter als der Strom aus der Steckdose. Dadurch erleben wir einen sich selbst beschleunigenden Prozess und einen sehr schnell wachsenden Markt. Ich erwarte, dass Module mit einer Kapazität von 100 GW weltweit im Jahr 2020 verkauft werden und im Jahr 2025 300 GW. Im Jahr 2050 wird so mit Solarenergie vermutlich mindestens zehn Prozent des Weltstrombedarfs gedeckt werden.

Für den Klimaschutz werden zehn Prozent aber nicht reichen.

Diese Zahl von zehn Prozent ist eine Untergrenze. Ich persönlich halte auch einen Solarstromanteil von 50 Prozent im Jahr 2050 für möglich.

Herr Weber, Sie sind führender Solarexperte und weltweit unterwegs. Wie wird Ihre Expertise aufgenommen?

Es ist eine sehr interessante Situation. Praktisch alle Politiker stimmen zu. Sie sagen, ja, das Klimaproblem ist schlimm, ja, wir müssen etwas tun und wir brauchen die Energiewende. Zwischen den öffentlichen Erklärungen und den detaillierten Handlungen der Politiker ist aber ein himmelweiter Unterschied. Bei den Handlungen fließen die Lobbyinteressen und andere Dinge mit ein. Ich sehe nur sehr wenige Politiker, die auch wirklich konsequent handeln.

Trotz Klimakrise hält Polen an der Kohleenergie weiter fest. Wie bewerten Sie dies?

Polen hat eine hervorragende Wissenschaft und Hochtechnologie. Ich bedauere sehr, dass sich das Land so hat einfangen lassen von der konventionellen Energie. Vor 30 Jahren war Nordrhein-Westfalen das industrielle Powerhouse Deutschlands. Aber das Bundesland hat sich stark auf eine rückwärts blickende Technologie versteift und ist jetzt abgefallen.

Dieser Fehler des Bewahrens wird jetzt in Polen gemacht. Wenn Polen seine Technologie, seine Wissenschaft, seine Köpfe für die Zukunft einsetzen würde, für den Umstieg des Energiesystems, dann könnte es sich sehr viel besser positionieren für die Zukunft, als durch das verzweifelte Festhalten an der kohlebasierenden Energie.

Professor Eicke Weber ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesystem in Freiburg. Das 1981 gegründete Institut hat rund 1300 Mitarbeiter und ist das größte Solarforschungsinstitut in Europa.

Die Fragen stellte Gero Rueter