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Von Juncker zu Dijsselbloem

Christoph Hasselbach22. Januar 2013

Mit Jean-Claude Juncker ist nach acht Jahren ein politisches Schwergewicht vom Vorsitz der Eurogruppe zurückgetreten. Als sein Nachfolger wurde Jeroen Dijsselbloem gewählt. Er wird es nicht leicht haben.

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Juncker zeigt mit dem Finger auf Dijsselbloem (Foto: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images)
Bild: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images

Lange galt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble als sicherer Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker. Doch als im Frühjahr vergangenen Jahres der Sozialist François Hollande französischer Präsident wurde, sperrte sich Paris gegen den als unnachgiebigen Sparer bekannten Schäuble. Dessen französischer Amtskollege Pierre Moscovici war aber wiederum den stabilitätsorientierten Nordländern nicht vermittelbar. Die Sache zog sich hin. Schäuble spottete einmal, langwierige Personalentscheidungen seien doch schön für Journalisten, "da haben Sie und ihre Kollegen etwas, womit Sie sich beschäftigen können".

Dijsselbloem gilt als Sparer

Nun haben die Euro-Finanzminister Junckers Nachfolger als Chef der Eurogruppe gekürt - den Niederländer Jeroen Dijsselbloem. Viel Erfahrung bringt er jedenfalls nicht mit. Dafür ist er, Jahrgang 1966, wohl auch nicht alt genug. Dijsselbloem sieht mit seinem gegelten Lockenkopf jungenhaft aus, die gedeckten Anzüge wollen nicht so recht zu seiner lockeren Erscheinung passen. Er war mal Assistent für seine Partei, die Partei der Arbeit, im Europaparlament und hat einen Forschungsaufenthalt an der irischen Universität Cork hinter sich. Im Amt des niederländischen Finanzministers ist er auch erst seit dem vergangenen Herbst. Deswegen konnten sich seine Amtskollegen bisher auch kaum einen Eindruck von ihm machen.

Demonstrant wirft Molotow-Cocktail (Foto: Reuters)
Schwieriges Lavieren: Proteste in Athen gegen die SparpolitikBild: Reuters

Jedenfalls hat sich Dijsselbloem bereits klar zu einer harten Konsolidierungslinie bekannt. Gleich bei seinem ersten Brüsseler Auftritt als Minister im November meinte er zu den EU-Haushaltsverhandlungen: "In den Niederlanden muss so hart gespart werden, und nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in fast allen anderen europäischen Ländern, da wäre es unbegreiflich, wenn das in Brüssel nicht funktionieren sollte."

Ironische Sprüche in vier Sprachen

Wenn es darum geht, aus dem Schatten eines Vorgängers herauszutreten, könnte es Dijsselbloem gar nicht schwerer haben. Jean-Claude Juncker ist geradezu eine europäische Legende. Unvergessen sind vor allem seine Sprüche. Bei den meisten weiß man nicht, ob sie ironisch gemeint sind oder nicht, etwa bei diesem: "Wenn die Deutschen denken, man hört ihnen nicht zu, machen sie unstatthafte Bemerkungen über die Größe meines Landes."

Manche seiner Bemerkungen - wahlweise auf Deutsch, Französisch, Englisch oder auch mal Luxemburgisch - haben lange Sitzungsnächte aufgelockert. Bei einem zeitweiligen Tonausfall während einer Pressekonferenz plauderte Juncker einmal drauflos: "Ich existiere nicht mehr. Ich habe nie existiert. Ich werde wieder auferstehen. Ich bin da!" Schon jetzt sagen viele, sie würden in Zukunft vor allem diese Bonmots vermissen.

Multiple Gratwanderungen

Doch meist gab es in den letzten Jahren wenig zu lachen. Die Eurokrise hielt und hält alle in Atem. Dabei musste Juncker eine Gratwanderung in gleich mehrfacher Hinsicht vollbringen: Er übte Druck auf die schwachen Länder aus, zu sparen und sich zu reformieren. Angesichts der gefälschten griechischen Haushaltszahlen sagte er einmal: "Das Spiel ist aus!" Doch er äußerte auch immer wieder Verständnis für die Belastungen der Bevölkerung. Und als Stimmen laut wurden, Griechenland aus der Eurozone herauszudrängen, entgegnete er scharf: "Ich denke nicht eine einzige Sekunde an die Möglichkeit, dass Griechenland die Eurozone verlässt."

Juncker legt seine Hände um den Hals seines spanischen Amtskollegen de Guindos (Foto: Reuters)
"Man muss andere lieben" sagt Juncker - und geht mit gutem Beispiel voranBild: Reuters

Immer wieder galt es, von den stabilen Ländern Solidarität einzufordern, aber sie auch nicht mit überzogenen Forderungen zu verprellen. So lavierte Juncker zum Beispiel in der heftig umstrittenen Frage einer Vergemeinschaftung der Schulden hin und her. Auf die Frage, wie groß die Risiken für den deutschen Steuerzahler seien, gab er eine typische Juncker-Antwort: "Wer kein Risiko eingeht, geht das größte Risiko ein." Mindestens einmal lag er definitiv falsch: Im November 2010 war er sich sicher, "im Falle Griechenlands wird es bis Mitte 2013 keine Beteiligung privater Gläubiger geben". Nur um einige Monate später zuzugeben: "Es wird eine Beteiligung privater Gläubiger geben". Schließlich muss auch der Eurogruppenpräsident aufpassen, den Gegensatz der 17 Länder der Währungsunion zu den übrigen zehn nicht zu groß werden zu lassen.

Zuhören, sich auf andere einlassen

Alle diese Aufgaben hat Juncker nach allgemeiner Einschätzung gut gemeistert. Offene Kritiker hatte der Luxemburger kaum. Wenn Kritik kam, ging es um die Sache. Und dann hat er sich fast immer kompromissbereit gezeigt. Der unabhängige Europaabgeordnete Hans-Peter Martin rief Juncker sogar kürzlich in einer Ausschusssitzung begeistert zu, er solle nächster Kommissionspräsident werden, was Juncker mit der Antwort "yes" quittierte - und schmunzelnd offen ließ, ob er das ernst meinte.

Juncker wollte weder eine Bilanz seiner Arbeit als Eurogruppen-Chef ziehen, noch seinem Nachfolger Ratschläge erteilen. Und dann tat er es doch: Europa sei kompliziert, resümierte er, und die meisten ließen sich zu wenig auf andere Denkweisen ein. Wenn er etwas gelernt habe, dann dies: "Das Wissen um die Schwierigkeiten anderer ist essentiell, um europäische Dinge in Fluss zu bringen. Und das wäre mein Ratschlag: Man muss die anderen lieben, um selbst zurechtzukommen." Und was ist in Zukunft von Juncker zu erwarten? Nach jahrzehntelanger politischer Arbeit habe Macht für ihn "jede erotische Dimension verloren", bekannte der 58-Jährige vor wenigen Tagen. Als luxemburgischer Ministerpräsident ohne Eurogruppenvorsitz werde er sich viel freier zu europapolitischen Dingen äußern können. "Sie werden noch von mir hören."