Karstadt gerettet
3. September 2010Die rund 25.000 Karstadt-Beschäftigten können aufatmen: Der Weg für eine Rettung der insolventen Warenhauskette ist frei. Der Kaufvertrag mit Investor Nicolas Berggruen kann in Kraft treten. Nach monatelangem Tauziehen hat er nun die Zugeständnisse bei den Mieten bekommen, die er zur Bedingung für seinen Einstieg gemacht hatte. Der Karstadt-Vermieter Highstreet bekam von seinen Gläubigern bereits am Donnerstag grünes Licht, allerdings hatten zunächst noch einige Unterschriften gefehlt.
Gericht billigt Insolvenzplan
Nach Leistung der letzten Unterschriften konnte das Essener Amtsgericht am Freitagnachmittag (03.09.2010) den Insolvenzplan genehmigen. Mit der Zustimmung der Essener Richter ist eine Zerschlagung des Unternehmens vom Tisch, Karstadt kann als Einheit in die Zukunft gehen.
"Karstadt steht. Karstadt wird jetzt, glaube ich, ein sehr aufregendes Leben haben", sagte Berggruen am Freitag im Karstadt-Haus am Kurfürstendamm in Berlin. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sieht eine gute Überlebenschance für den Konzern mit seinen 25.000 Mitarbeitern. "Karstadt ist zwar noch nicht überm Berg", sagte sie. Aber es gebe eine realistische Chance dafür, dass das Unternehmen erfolgreich arbeiten werde. Die Ministerin hatte sich mehrfach im Hintergrund in das monatelange Tauziehen eingeschaltet.
Die Konzern-Mutter Arcandor hatte am 9. Juni 2009 Insolvenz angemeldet. Seit Frühjahr dieses Jahres hat Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg nach einem Investor gesucht, der die verbliebenen Warenhäuser als Ganzes übernimmt.
Jünger und modischer
Nach bisherigen Angaben will Berggruen die 120 Filialen und rund 25.000 Arbeitsplätze erhalten. Der 49-jährige Sohn des legendären jüdischen Kunstsammlers Heinz Berggruen will dafür 70 Millionen Euro eigenes Kapital in die Hand nehmen. Die Marke Karstadt soll nach seinen Vorstellungen verjüngt und modischer werden. Der Warenhauskette bliebe damit das Schicksal des Schwesterunternehmens Quelle erspart. Dem Versandhändler blieb vor fast einem Jahr nach gescheiterten Rettungsversuchen nur die Schließung.
Berggruen hatte den Kaufvertrag bereits Anfang Juni unter Vorbehalt unterschrieben, nachdem er als Sieger aus einem Bieterverfahren hervorgegangen war. Die Einigung zwischen Berggruen und Highstreet zog sich jedoch über Monate hin. Das Konsortium hatte unter der Ägide des früheren KarstadtQuelle-Chefs Thomas Middelhoff, der den Konzern in Arcandor umbenannt hatte, die meisten der Karstadt-Warenhäuser gekauft und dann an das Unternehmen zurückvermietet. Dieses "Sale and lease back"-Verfahren wird häufig angewendet, um klamme Konzernbilanzen kurzfristig aufzufrischen. Doch man kann seine Immobilien nur einmal verkaufen - und ist dann auf Gedeih und Verderb dem Vermieter ausgeliefert.
Ungewisse Zukunft
Doch auch mit Berggruens Einstieg steht Karstadt nach Einschätzung von Experten eine ungewisse Zukunft bevor. Das Kaufhaus-Konzept für Innenstädte gilt als überholt, für die gesamte Warenhaus-Branche rechnen Fachleute in den kommenden Jahren allenfalls mit einer Stagnation. In die Zange genommen werden die Dinosaurier des Einzelhandels von den neuen Shopping-Centern. Die vereinen das Angebot von Spezialisten aus allen Branchen unter einem Dach. Über 400 dieser neuen Shoppingcenter gibt es schon in Deutschland. Die Betreiber sind nicht die traditionellen Handelskonzerne, sondern Finanzinvestoren, die das Gebäude errichten und für ein gutes Management sorgen.
Früher waren Kaufhäuser Magneten, die die Menschen in die Innenstädte zogen. Jede achte D-Mark, die im deutschen Einzelhandel umgesetzt wurde, landete in den 1970er Jahren noch in den Kassen der Warenhauskonzerne. Ihr Marktanteil summierte sich auf rund zwölf Prozent. Doch das Konzept, alles unter einem Dach anzubieten, funktioniert nicht mehr. Heute bleiben die Kunden weg und der Marktanteil ist auf rund 3,5 Prozent gefallen. Die Warenhauskonzerne stecken in der Krise - auch wenn Karstadt vorläufig gerettet ist.
Autor: Rolf Wenkel (dpa, rtr, apn)
Redaktion: Henrik Böhme/Ursula Kissel