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Armenien wählt

Torsten Schäfer18. Februar 2008

Armenien hat sein Staatsoberhaupt gewählt: Ex-Präsident Ter-Petrosjan hat Premierminister Sarkissjan herausgefordert. Thema im Wahlkampf war die Wirtschaftlage - denn in Armenien herrscht immer noch große Armut.

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Oppositions-Anhänger demonstrieren in Eriwan, Quelle: AP
Angespannte Lage: Oppositions-Anhänger demonstrieren in EriwanBild: AP

Eine Ära geht zu Ende: Zehn Jahre war Robert Kotscharjan im Amt, nun tritt Armeniens Präsident gemäß der Verfassung ab, um einem Nachfolger Platz zu machen. Am Dienstag (19.02.2008) haben 2,3 Millionen Armenier ihren neuen Präsidenten gewählt. Neun Kandidaten haben sich um das höchste Amt im Staat beworben, das weit reichende Kompetenzen verleiht: Der Präsident ernennt etwa den Premierminister und setzt die Provinzgouverneure ein. Mit Ergebnissen ist am Mittwoch zu rechnen. Reale Chancen haben drei Kandidaten: Premier Sersch Sarkissjan, Russlandfreund und Wunschkandidat von Kotscharjan, der europafreundliche Artur Bagdasarjan und Ex-Präsident Lewon Ter-Petrosjan, der 2007 nach neun Jahren Politpause wie Phönix aus der Asche stieg. In Umfragen führte Sarkissjan mit 53 Prozent der Stimmen. Bagdasarjan erreicht 12,6 und Ter-Petrosjan 11,3 Prozent. Allerdings bedeuten Prognosen in Armenien nicht viel, erklärt Walter Kaufmann, Leiter des Südkaukasus-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung im georgischen Tiflis. "Alles kann sich ändern. Ich halte Stichwahlen für nicht ausgeschlossen."

Sehnsucht nach Kontinuität

Premier Sersch Sarkissjan, Quelle: AP
Favorit: Premier Sersch Sarkissjan.Bild: AP

Im Wahlkampf ging es um grundsätzliche Fragen: Mehr Privatisierungen oder starker Staat ? Stabile Regierung oder politischer Wandel? Unter Sarkissjan gäbe es keinen Kurswechsel, sagt Tessa Savvidis, Armenien-Expertin an der Freien Universität Berlin. "Genau das aber wollen die Armenier. Nach Jahren der Unruhe suchen sie Kontinuität." Die kann am ehesten Sarkissjan bieten. Der Ministerpräsident steht für den Modernisierungskurs seines Ziehvaters, der ihn 2007 vom Verteidigungsminister zum Regierungschef machte.

Nicht nur die Pressefreiheit hat unter Kotscharjan Fortschritte gemacht - obwohl die OSZE immer noch Einschüchterungen kritischer Medien kritisiert. Auch die Wirtschaft floriert: Die Wachstumsraten sind zweistellig, die Arbeitslosigkeit ist auf 6,7 Prozent zurückgegangen. Nur noch ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze - in den 1990er Jahren war es über die Hälfte. Dennoch bliebt Armut das zentrale Thema. Kotscharjan hat sich nicht in den Griff bekommen. Im Gegenteil, sagt Kaufmann. "Unter ihm ist die Schere zwischen Arm und Reich auseinander gegangen."

Grenzen bleiben geschlossen

Es gibt noch einen Grund für die Armut: Das christliche Armenien leidet seit Jahren unter einer Blockade der islamischen Nachbarn Türkei und Aserbaidschan, die die Grenzen geschlossen halten. Deshalb ist Armenien auf die Hilfe Russlands und Irans angewiesen, der ein wichtiger Energielieferant ist. Hintergrund der Isolation ist der Streit um Berg-Karabach: Armeniens Armee hält die vorwiegend von Armeniern bewohnte, aber zu Aserbaidschan gehörende Region seit Anfang der 1990er Jahre besetzt.

Herausforderer: Ex-Präsident Lewon Ter-Petrosjan, Quelle: AP
Herausforderer: Ex-Präsident Lewon Ter-PetrosjanBild: AP

Der Konflikt führte zu einem blutigen Krieg. Trotz des Waffenstillstands von 1994 gibt es weiterhin Spannungen mit Aserbaidschan und dessen Verbündetem, der Türkei. Dazu trägt auch die Forderung Eriwans bei, Istanbul solle sich endlich für den Massenmord an Armeniern im Osmanischen Reich entschuldigen.

Die Rückkehr des Ex-Präsidenten

Zeichen für Entspannung gibt es nicht. Armenien bleibt isoliert - und Berg-Karabach die wichtigste politische Frage im Land. Kotscharjan war dort schon Präsident, Sarkissjan bereits Minister. "Fast alle Spitzenpolitiker kommen aus der Solidaritätsbewegung für Karabach", erklärt Savvidis. Nur einer kann sich das Etikett nicht aufkleben: Ter-Petrosjan. Der erste Staatschef musste 1998 zurücktreten, weil er zu große Zugeständnisse an Aserbaidschan machen wollte, um den Streit zu lösen. Viele Armenier verbinden mit ihm zudem Krieg und Engpässe in der Energieversorgung. Dennoch könnte er Sarkissjan gefährlich werden, glaubt Kaufmann. Ter-Petrosjan ist ein guter Redner und Taktiker: Immer wieder wirft er der Regierung Vetternwirtschaft vor. Reiche Geschäftsleute verschont er - weshalb sie ihn im Wahlkampf unterstützten.

In den vergangenen Wochen brachte Ter-Petrosjan Zehntausende auf die Straße. "Die Situation ist extrem angespannt, Eskalationen sind da nicht ausgeschlossen", sagt Kaufmann. Artur Bagdasarjan, der zweite Oppositionskandidat, habe keine echten Siegchancen, glaubt der Experte. "Er gilt für manche nur als Marionette der Regierung, der die Opposition spalten soll." Wenn es einer schaffen könne, dann Ter-Petrosjan. Es wäre, trotz seiner fulimanten Rückkehr, eine echte Überraschung - auch deshalb, weil er 1996 die Wahlen fälschte. Und das haben die leid geprüften Armenier wahrscheinlich nicht vergessen.

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