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Europas Liebäugeln mit dem Zaun

24. Oktober 2015

Vor dem Sondergipfel zur Flüchtlingskrise ist in der EU die Debatte über Grenzzäune neu entbrannt. Mit Grenzschließungen drohen nach Slowenien nun auch Bulgarien, Rumänien und Serbien. Aus Österreich kommen Andeutungen.

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Flüchtlinge Ungarn Serbien
Bild: Alex Martin

Ein Zaun sei eine letzte Option, sagte Sloweniens Regierungschef Miro Cerar im slowenischen Fernsehen. Wenn es aber von dem Gipfel der Länder entlang der Balkanroute keine konkrete Hilfe gebe, ziehe seine Regierung aber "eine solche Option in Betracht". Slowenien erhofft sich vom Brüsseler Gipfel Finanzhilfen von 140 Millionen Euro sowie logistische und humanitäre Unterstützung, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.

"Zäune funktionieren"

Das kleine EU-Land steht seit Tagen massiv unter Druck, nachdem Ungarn seine Grenzen zum Nachbarn Kroatien dicht gemacht hat und nun Tausende Menschen versuchen, über Slowenien nach Österreich und Deutschland zu reisen. Innerhalb von sechs Tagen kamen nach Behördenangaben 50.400 Flüchtlinge in das nur zwei Millionen Einwohner zählende EU-Land.

Flüchtlingstreck durch Slowenien (Foto: Getty Images)
Flüchtlingstreck durch Slowenien - ohne Finanzhilfe will das Land seine Grenzen dicht machenBild: Getty Images/J. Mitchell

Auch in Österreich sehen Regierungsmitglieder angesichts der dramatischen Lage Zäune an den EU-Außengrenzen inzwischen als mögliches Mittel, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Die Aussage, dass Zäune nicht funktionierten, sei "schlicht und ergreifend falsch", sagte der konservative Außenminister Sebastian Kurz dem Radiosender Ö1. "Die Frage ist: Will man es tun oder nicht." Kurz verwies dabei auf einen seit Jahren bestehenden Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei und auf die von Spanien errichteten Zäune in den afrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla.

Warnung vor dem "leisen Zerfall der EU"

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte der "Kronen Zeitung", ein Zaunbau an Sloweniens Grenze zu Kroatien sei " überlegenswert", sollte die EU-Außengrenze in Griechenland nicht rasch geschützt werden. Österreich sei am Limit, weil Deutschland aktuell zu wenige Flüchtlinge aufnehme. Das Verhalten der flüchtenden Menschen werde außerdem zusehends panisch, sagte Mikl-Leitner. "Man muss mit Gewalt rechnen - und unsere Polizei wird mit Gegenmaßnahmen reagieren müssen." Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) warnt in dem Blatt vor einem "leisen Zerfall der EU", sollte keine gemeinsame Lösung gefunden werden. Dass jedes Land zum Schutz eine Mauer baue, dürfe keine Alternative sein.

Neue Allianz aus Bulgarien, Rumänien und Serbien

In Sofia, Bukarest und Belgrad dürfte man diese Äußerungen mit großem Interesse verfolgt haben. Denn auch Bulgarien, Rumänien und Serbien drohen inzwischen mit der Schließung ihrer Grenzen für Flüchtlinge. Die drei Staaten würden ihre Grenzen abriegeln, sollten Deutschland, Österreich oder andere Staaten dies tun, teilte der bulgarische Regierungschef Boiko Borissow mit. "Wir werden unsere Völker nicht zur Pufferzone für die Flüchtlingsströme werden lassen, die zwischen der Türkei und den bereits errichteten Zäunen bleiben werden", betonte der bürgerliche Regierungschef Bulgariens mit Blick auf den ungarischen Grenzzaun. Von heute an hätten Rumänien, Bulgarien und Serbien eine gemeinsame Strategie, ergänzte Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta, "damit ihre Stimmen besser gehört werden".

Karte Balkan Fluchtroute 20.10.2015 Deutsch (Quelle: DW Grafik)

Ungarn hatte als erstes EU-Land auf die stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen auf dem Balkan mit dem Bau von Zäunen reagiert: zunächst zum Nicht-EU-Land Serbien, dann auch zu Kroatien. Die Regierung in Budapest war dafür von einigen EU-Partnern scharf kritisiert worden. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte mehrfach erklärt, er halte Mauern und Zäune nicht für eine Lösung im Sinne Europas.

Hoffen auf den Brüsseler Sondergipfel

Um Wege aus der Flüchtlingskrise auf dem Balkan zu finden, rief Juncker für Sonntag einen Sondergipfel in Brüssel ein. "Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Herausforderungen nicht durch nationales Vorgehen bewältigt werden", hieß aus der EU-Kommission. Teilnehmen sollen Spitzenpolitiker aus Staaten, die von den Flüchtlingsströmen besonders betroffen sind: die EU-Staaten Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Deutschland, für das Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnimmt. Auch die Nicht-EU-Länder Mazedonien und Serbien sind vertreten.

cw/fab (dpa, afp, rtr)