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Weizen statt Schlafmohn

Steffen Leidel8. Februar 2004

In Kabul diskutieren Politiker und Vertreter internationaler Organisationen über Strategien gegen den Drogenanbau in Afghanistan. Auch deutsche Experten helfen, Alternativen zum Schlafmohn zu finden.

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Schlafmohnfeld: Rohstoff für HeroinBild: AP

Im Frühling verwandeln sich weite Landschaften Afghanistans in blühende Landschaften. Wenige Monate später wird die rote Blütenpracht des Schlafmohns abgemäht sein und tausende Kilometer weiter westlich in den europäischen Großstädten als weißes Pulver in kleinen Plastiktüten wieder auftauchen. Drogenexperten schätzen, dass 90 Prozent des afghanischen Rohopiums zu Heroin verarbeitet in Europa landen.

Nach Angaben der UN-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gab es 2003 in Afghanistan die zweitbeste Ernte an Schlafmohn, die je registriert wurde: 3.600 Tonnen Opium, Stoff für 360 Tonnen Heroin. Diese Zahl wird lediglich von der Rekordernte im Jahr 1999 von 4.600 Tonnen übertroffen. Auch dieses Jahr wird wieder eine gute Ernte erwartet. Afghanistan ist Weltmarktführer des Rauschmittels. Der Drogenanbau und –handel macht die Hälfte des afghanischen Inlandsproduktes aus, drei Viertel der Weltproduktion an Opium stammt vom Hindukusch.

Opiumgeschäft finanziert Terroristen

Landwirt bei der Mohnernte in Afghanistan
MohnernteBild: AP

Das bereitet der internationalen Gemeinschaft große Sorgen; und zwar nicht nur wegen der großen Zahl an Heroinsüchtigen weltweit. Die UNODC stellt in ihrem jüngsten Bericht fest, die Gefahr sei groß, dass Afghanistan wieder in die Hände von Drogenkartellen und Terroristen gerät. Lokale Kriegsfürsten und Terroristen profitieren am meisten vom Opiumhandel, die Kleinbauern bekommen nur ein Prozent des Endpreises ab. Trotzdem ist auch für sie der Anbau von Schlafmohn lukrativ.

Auf der Drogenkonferenz am Sonntag und Montag (8. und 9.2) soll nach Alternativen für die rund 1,7 Millionen Afghanen, die vom Opiumgeschäft leben, gefunden werden. Eingeladen haben die afghanische und die britische Regierung. Großbritannien hatte nach der Bonner Afghanistan-Konferenz die Federführung im Kampf gegen den Anbau von Schlafmohn übernommen. Die Briten befürworten eine harte Vorgehensweise zu der das Abbrennen von Mohnfeldern und das Zerstören von Opiumlaboren gehören. Dieses Vorgehen wird auch von den USA favorisiert.

Ohne Sicherheit kein Wiederaufbau

"Diese repressiven Maßnahmen entsprechen nicht unserem Konzept einer nachhaltigen Entwicklung", sagt Christoph Berg, Projektleiter des Aktionsprogramms Drogen und Entwicklung bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Allerdings räumt er ein, dass die Herstellung von Sicherheit die Grundvoraussetzung ist, dem Drogenproblem des Landes Herr zu werden. "Wir wollen den Bauern Alternativen zum Opiumanbau aufzeigen", sagt Berg im Gespräch mit DW-WORLD. Dazu gehören der Anbau von Weizen, Wein, Obst oder Gewürzen . "Wir haben mit Bauern gesprochen. Viele würden kein Opium anbauen, wenn sie mit anderen Produkten überleben könnten", sagt Berg. Denn auch in Afghanistan ist Opiumanbau eigentlich illegal.

Derzeit bereitet der GTZ-Experte von Kabul aus ein Projekt zur "Entwicklungsorientierten Drogenkontrolle" vor, für das die Europäische Union in den kommenden drei Jahren neun Millionen Euro zur Verfügung stellen wird. Dafür wolle man in den östlichen Provinzen Laghman, Kunar und Nangarhar mit Schulen und Gesundheitszentren zusammenarbeiten und landwirtschaftliche Genossenschaften stärken.

Bundeswehr kämpft nicht gegen Drogenbarone

Struck in Kundus, Afghanistan
Verteidigungsminister Peter Struck in KundusBild: AP

Mindestens zehn bis 15 Jahre werde es dauern, so Berg, bis erste Erfolge beim Kampf gegen Drogen sichtbar werden. "Dabei müssen wir versuchen auch die lokalen Warlords konstruktiv mit einzubeziehen", sagt Berg. Eine nicht ganz ungefährlich Aufgabe, schließlich profitieren die Warlords am meisten vom Drogengeschäft. Selbst höchste politische Funktionsträger wie der afghanische Verteidigungsminister Fahim Khan sollen ihre Macht über Drogengeschäfte absichern.

Mit militärischer Gewalt wird Deutschland nicht gegen den Opiumanbau vorgehen, obwohl die Bundeswehr ausgerechnet in Regionen eingesetzt ist, die zu den größten Schlafmohn-Anbaugebieten des Landes gehören. So hat der Bundestag dem Einsatz der rund 220 deutschen Soldaten zur Auflage gemacht, sich aus dem Kampf gegen Drogenbarone herauszuhalten.