Weltjugendtag: Polens globale Pilgerparty
27. Juli 2016Seine 15. Auslandsreise führt den Papst in ein Land, zu dem er in einem merkwürdigen Verhältnis steht. Nie zuvor war er im östlichen Mitteleuropa. Und viele Polen wittern im Kurs der Reformen, die Franziskus anstoßen will, und auch in der schonungslosen Aufarbeitung von Skandalen eine Schmälerung "ihres" großen Papstes Johannes Paul II, dem polnischen Karol Józef Wojtyła.
Wojtyla begegnet Franziskus allerorten in diesen Tagen, in Krakau, Auschwitz und Tschenstochau. Seine Maschine landete auf dem "Flughafen Johannes Paul II.", in der Stadt sieht man auf Plakaten und Fahnen wohl zehn Mal öfter den Polen als den Argentinier. Und zum Leitthema des 31. Weltjugendtages, der Barmherzigkeit, passen beide beispielhaft. Und doch ist Franziskus für viele Polen eben der andere Papst.
"Habt keine Angst!"
Begonnen hatte der Weltjugendtag bereits am Vorabend. Da versammelten sich hunderttausende Jugendliche auf der Blonia-Wiese am Rande der Innenstadt und feierten Messe. Beschwingt, mit Tanzeinlagen, fromm, mit Kniebeugen.
Und doch lag etwas sehr ernstes über diesen Stunden. Irgendwie hatte jeder der Smartphone-Generation von der brutalen Ermordung des 85-jährigen französischen Priesters Jacques Hamel durch Islamisten gehört. Krakaus Kardinal Stanislaw Dziwisz verurteilte den "blinden Terrorismus" und sprach vom Gegensatz von Gut und Böse.
Die Ankunft von Papst Franziskus war noch einmal ein neuer Start. Dabei mussten die Jugendlichen bis zum späten Abend warten, um den Papst aus der Ferne zu bejubeln. Tausende hatten vor seinem Quartier in der Franciszkanska Straße 3 ausgeharrt, um den Gast am sogenannten "Papstfenster" zu feiern.
Hier hatte der mittlerweile heilig gesprochene Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bei jedem seiner Heimatbesuche mit der Jugend gefeiert und geplaudert, hier grüßte Benedikt XVI. bei der Hommage an das Land seines Vorgängers 2006.
Und nun Franziskus. "Habt keine Angst! Gott ist groß, Gott ist gut, und wir haben alle etwas Gutes in uns." Ja, und "Buona notte" und "Betet für mich." Nie sah er gelöster aus, als an diesem Tag in der Abendstunde.
"Nehmt Flüchtlinge auf!"
Als sich das Fenster um 21.14 Uhr öffnete, hatte das Kirchenoberhaupt schon eine wichtige und heikle Etappe seiner Reise absolviert. Im Wawel, dem Warschauer Königsschloss, war er den Spitzen von Staat und Gesellschaft begegnet und hatte – hinter verschlossenen Türen, ohne ein veröffentlichtes Redemanuskript – die polnischen Bischöfe getroffen.
Öffentlich hielt Franziskus eine Rede, die ganz auf seiner politischen Linie lag. So las er seinen Gastgebern die Leviten. Er ermahnte die neue Regierung der nationalkonservativen PiS-Partei, bei Grundfragen des Gemeinwohls des ganzen Volkes auf Einigkeit aller zu setzen. Und vor allem stellte er sich gegen die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung und mahnte eine "zusätzliche Portion an Weisheit und Barmherzigkeit" an.
Es sei "die Bereitschaft zur Aufnahme derer notwendig, die vor Krieg und Hunger fliehen". Es gehe darum, das Mögliche zu tun, um Leiden zu lindern…. Da schaute Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo, die sich so vehement gegen Brüssel und Berlin stellt, den Gast aus dem Vatikan phasenweise wie bei einem Pflichttermin an.
"Gott leidet mit uns"
Trotz der großen politischen Rede - für den Weltjugendtag und seine rund 356.000 Teilnehmer bleibt die Gemeinschaft untereinander und die Begegnung mit Franziskus wesentlich. "Ich möchte diese Energie hier spüren", sagt Rosa aus Südkorea. Sie genieße "jeden Moment, jeden Augenblick".
Und Jonas Lixenfeld vom Bodensee, zum ersten Mal in Polen zu Gast, ist tief beeindruckt von der Herzlichkeit der Menschen. "Dieses Land ist so was von gastfreundlich - ich kann es kaum in Worte fassen", schwäbelt er.
Enge Gassen, große Menschenmassen – zeitweise wirkt das jugendliche Treiben wie eine einzige Party. Da singen Portugiesen und Argentinier, US-Amerikaner und Spanier mit und gegeneinander und um die Wette. Bis in die Nacht.
Und doch gibt es so viele ruhige, ernste Momente. Da ist Carolina Alrahib, 23, aus einem Ort bei Homs. "Ich möchte der Welt berichten", sagt sie im Gespräch. Sie erzählt von Waisen und Witwen, von Zerstörung, und ist bei politischen Fragen ganz zurückhaltend. "Wo ist Gott?", die Frage stelle sich in Homs. "Er leidet mit uns." Die syrische Katholikin hofft, dass die Jugend "eines Tages das Haus wieder aufbauen kann".
Es sei, sagt Carolina Alrahib, "so bewegend zu sehen, wie viele Menschen hier für Syrien beten". Die maronitische Christin ist eine von nur 22 Syrern, die es geschafft haben, aus dem Kriegsland bis nach Krakau zu kommen. 22, das scheint ihr fast etwas peinlich angesichts der großen Menge. "Aber wenn wir hier am Abend beten, sind in Aleppo tausend in Gedanken bei uns."