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Weltweit überlastete Häfen

10. Mai 2022

Baustoffe, Dünger oder Stahl - es fehlt an Nachschub in Handel und Industrie. Weltweit sind die Häfen überlastet und verschärfen so die Lieferprobleme. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

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China | Containerhafen in Lianyungang
Nicht nur in chinesischen Häfen stauen sich die ContainerBild: Wang Chun/Costfoto/picture alliance

Wegen Pandemie und Ukraine-Krieg sind die großen internationalen Handelshäfen derzeit rund um den Globus überlastet. Das berichtete der zur Allianz gehörende Industrieversicherer AGCS am Dienstag. Der Krieg hat die von der Pandemie verursachten Lieferprobleme, die Überlastung der Häfen und auch die Probleme bei der Rekrutierung von Schiffsmannschaften weiter verschärft, wie die Fachleute in der neuen Ausgabe ihrer jährlichen Analyse der Schifffahrtsrisiken schreiben.

Lockdown trifft Hafen in Shanghai empfindlich

Allein der Mega-Stau im größten Containerhafen der Welt in Shanghai wird die weltweiten Lieferketten noch monatelang durcheinanderbringen. Durch den Corona-Lockdown in der chinesischen Millionenmetropole ist der Hafen weitgehend lahm gelegt.

"Das kann nicht schnell gelöst werden", sagte Justus Heinrich, der bei der AGCS weltweit für Schiffskasko zuständig ist. Es werde mindestens ein bis drei Monate dauern, bis man die Lage in der Griff bekomme. Dabei erlebe die Schifffahrt derzeit ohnehin eine noch nie dagewesene Überlastung der Häfen, derentwegen Crews und Hafenpersonal unter großem Druck stünden.

Frachtschiff-Stau vor Shanghai
Stau vor dem Hafen: Die App "Marine Traffic" zeigt die Positionen der Frachtschiffe vor dem Hafen von Shanghai. Aufgrund neuer Corona-Infektionen ist Shanghai seit Ende März weitgehend abgeriegelt.Bild: dpa/picture alliance

Zu wenig Container

Die Frachtkapazitäten in der Handelsschifffahrt sind nach Einschätzung der Allianz insgesamt zu knapp. Deswegen hätten große internationale Reedereien 7,5 Millionen neue Container bestellt, sagte AGCS-Risikoberater Anastasios Leonburg. "Man muss wesentlich mehr Container bauen, die dann in den Umlauf kommen."

Der Branchen-Boom führe dazu, dass auch Nicht-Containerschiffe zum Transport der Metallboxen eingesetzt würden, alte Schiffe länger genutzt und Wartungsintervalle nicht eingehalten würden.

Folgen des Ukraine-Krieges

Der Krieg in der Ukraine wirkt sich auch auf die Schifffahrt aus. Im Schwarzen Meer seien bereits Schiffe verloren gegangen, andere säßen in den Häfen in der Ukraine fest. Für Schiffe gibt es eine eigene Kriegsversicherung, die anders als die Kasko-Versicherung einspringt, wenn Schiffe verloren gegeben werden müssen. Nach einer festgelegten Wartefrist von sechs bis zwölf Monaten können Schiffe, die nicht mehr aus den Häfen wegkommen, als Totalverlust deklariert werden.

Sorgen macht den Allianz-Experten auch ein mögliches Öl-Embargo gegen Russland. Wenn das Schweröl knapp werde, könnten Reeder gezwungen sein, andere, vielleicht minderwertige Kraftstoffe zu verwenden, die zu Schäden an der Maschine führten.

Odesa Hafen
Getreide wird im Hafen von Odessa gelagert und kann nicht verschifft werden.Bild: imago images/unkas_photo

Brände führen immer wieder zu Ausfällen

Abgesehen von den Lieferproblemen sehen die Fachleute weitere Risiken auf die Schifffahrt zukommen, großenteils technischer Natur. Zwar habe sich die Zahl der Totalverluste im Laufe der vergangenen zehn Jahre mehr als halbiert, sagte Heinrich. 2012 gab es demnach noch 127 gesunkene oder irreparabel beschädigte Schiffe und im vergangenen Jahr nur noch 54.

Doch da Containerschiffe immer größer werden, finden sie bei Bränden an Bord häufig keinen Hafen mehr, den sie anlaufen können, wie Leonburg sagte. So sank im vergangenen Jahr der unter singapurischer Flagge fahrende Frachter "X-Press Pearl" nach einem fast zwei Wochen dauernden Brand vor der Küste Sri Lankas.

Sri Lanka MV X-Press Pearl
An Bord der im Mai 2021 vor Sri Lanka gesunkenen MV X-Press Pearl waren nach Angaben der Reederei gut 280 Tonnen Schweröl, 50 Tonnen Schiffskraftstoff sowie verschiedene Chemikalien in 81 Gefahrgut-Containern.Bild: Sri Lanka Air Force/AFP

In etwa fünf Prozent der weltweit verschifften Container werden nach AGCS-Schätzung heimlich nicht deklarierte Gefahrgüter transportiert. In den vergangenen fünf Jahren brachen demnach über 70 Brände auf Containerschiffen aus. Das beschäftigt nicht nur die Versicherungen: "Mit Sorge betrachten aber auch wir die zunehmende Zahl von Bränden auf Frachtern, insbesondere Containerschiffen und Autotransportern", sagte Christian Naegeli, Sicherheitsreferent des Verbands Deutscher Reeder (VDR).

Bei der Falschdeklaration gefährlicher Ladung an Bord seien die Verlader aufgefordert, dringend nachzubessern. Die Reeder betonten aber auch, dass die Schifffahrt immer sicherer werde. "Obwohl es immer mehr Handelsschiffe gibt und obwohl es auch immer mehr sehr große Containerschiffe gibt, nimmt die Zahl der schweren Unfälle seit Jahren kontinuierlich ab", sagte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer vom VDR.

iw/bea (dpa, rtr)