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Weltweiter Antibiotikamangel nimmt drastisch zu

Fabian Schmidt | Gudrun Heise
14. November 2023

Antibiotikaresistente Bakterien bedrohen unsere Gesundheit. Nur noch wenige forschende Pharmaunternehmen versuchen, neue Antibiotika auf den Markt zu bringen. Das ist ein globales Problem.

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MRSA - Antibiotika-Resistenz
Ein multiresistenter Staphylococcus Aureus KrankenhauskeimBild: picture-alliance/BSIP/NIAID

Große forschende Pharmaunternehmen ziehen sich immer stärker aus der Antibiotika-Entwicklung zurück. Der Grund: Die Investitionskosten für Forschung und Vermarktung sind hoch und die Medikamente werfen kaum Profit ab.

Dafür, dass passende Medikamente für betroffene Patientinnen und Patienten möglichst weltweit verfügbar sind, setzt sich die "Access to Medicine Foundation" ein. Die unabhängige, gemeinnützige Organisation mit Sitz in den Niederlanden sieht eine große Bedrohung durch Arzneimittelresistenzen und fordert stärkere Anstrengungen innerhalb der Pharmabranche und intensivere Forschung an neuen Antibiotika.

Nach Angaben des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, Vfa, befinden sich weltweit lediglich 68 Wirkstoffe in der klinischen Prüfung, 292 Projekte sind in der präklinischen Phase. Das aber reicht bei weitem nicht aus.

Mehr Todesfälle wegen Antibiotikaresistenzen

Das größte Problem sind die immer häufigeren Antibiotikaresistenzen, die viele Todesopfer fordern. Eine Publikation in der Fachzeitschrift  "The Lancet" von 2022 fasst die Ergebnisse einiger Studien zu Mortalität und Morbidität bei diesen sogenannten antimikrobiellen Resistenzen (AMR) zusammen.

Eines der Ergebnisse: Die Zahl der Todesfälle, die im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen stehen, werden auf weltweit fast fünf Millionen Menschen geschätzt. Dabei ist nicht klar, ob der Verursacher der ursprüngliche Erreger war oder die Resistenzen. Am härtesten betroffen ist dabei die westliche Sub-Sahara-Region.

Aber nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer sind Antibiotikaresistenzen und der Mangel an neuen Wirkstoffen ein großes Problem. Auch die Industrieländer haben damit zu kämpfen. Und so fordert die "Access to Medicine Foundation" dringend neue Antibiotika und Impfungen. Viele der großen Unternehmen aber forschen nicht mehr an neuen Wirkstoffen und an neuen Medikamenten. Es lohnt sich einfach nicht.

Frau im Labor mit verschiedenen Reagenzgläsern
Nur noch wenige Pharmaunternehmen forschen nach neuen AntibiotikaBild: Ismael Diallo/MSF

Die Produktion liegt nur bei wenigen Firmen

Nicht nur die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika stagniert, mit der Produktion der Medikamente verhält es sich ähnlich.

Die Mehrheit der Firmen, die Antibiotika produzieren, sind laut der "Access to Medicine Foundation" große Unternehmen, die oft für mehr als 200 Produkte verantwortlich sind und diese weltweit ausliefern. Wenn diese Firmen ihre Strategie ändern und keine Antibiotika mehr herstellen, haben gerade die Menschen in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen, keinen Zugriff darauf. So sterben weltweit mehr Menschen, weil sie nicht das passende Medikament bekommen und nicht an den Keimen selbst.

Insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind viele Wirkstoffe gar nicht registriert. Über 100 Länder weltweit hat die "Access to Medicine Foundation" als problematisch identifiziert. Dort sei ein besserer Zugang zu Medikamenten dringend erforderlich.

Nur wenige der neuartigen Antibiotika sind in mehr als zehn dieser Länder überhaupt verfügbar. Daher sind auch die Chancen, dass neue Antibiotika die Menschen erreichen, gering.

Mutter gibt ihren vier Kindern etwas zu essen
In vielen afrikanischen Ländern haben die Menschen keinen Zugang zu AntibiotikaBild: imagebroker/IMAGO

Selbstbeschränkung bei der Vermarktung

Mindestens genauso wichtig wie die Entwicklung neuer Antibiotika ist es, Ärzte vom übermäßigen Gebrauch herkömmlicher Antibiotika abzubringen. Denn es gilt, die Bildung von Resistenzen von Anfang an zu vermeiden.

Auch hier engagiert sich die Organisation "Access to Medicine Foundation" und versucht auf die Firmen einzuwirken, damit sie ihrer Verantwortung bei Vermarktung und Vertrieb gerecht werden und beispielsweise Ärzte nicht dazu verleiten, übermäßig oft und große Mengen Antibiotika zu verschreiben. Denn ein solches Vorgehen öffnet Resistenzen Tür und Tor.

Mehr Transparenz bei der Resistenzbildung

Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, Erkenntnisse über Resistenzen mit Kliniken und Forschenden zu teilen. Der große amerikanische Pharmakonzern Pfizer beispielsweise hat Rohdaten aus seinem firmeninternen Kontrollprogramm in einem frei zugänglichen Register veröffentlicht. Das ist zumindest ein Schritt. 

Einige forschende und produzierende Pharmaunternehmen haben für bereits erprobte Medikamente eine Marktstrategie entwickelt, sodass die Medikamente relativ schnell verteilt und eingesetzt werden können.

Trotz derartiger kleiner Fortschritte ist das Problem noch lange nicht gelöst. Realität ist, dass sich Antibiotikaresistenzen sehr schnell entwickeln - schneller als neue Antibiotika bereit stehen. Auch wenn die Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion hoch sein mögen - eine Welt ohne wirksame Antibiotika käme uns alle noch teurer zu stehen.

Dieser Artikel wurde am 14.11.2023 aktualisiert.

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen