Weltwirtschaftsforum versucht Rundumschlag
19. Januar 2016Klaus Schwab, der Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, hat ein Buch geschrieben, Teilnehmer und Medienvertreter erhalten es als Begrüßungsgeschenk. "Die vierte industrielle Revolution" heißt der Band von 188 Seiten, in dem Schwab die Auswirkungen einer Entwicklung analysiert, die in seinen Worten "anders ist als alles, was die Menschheit bisher erlebt hat".
Die zunehmende Digitalisierung im industriellen Produktionsprozess, auch "Industrie 4.0" genannt, hat in der Tat das Potenzial, ein großer Umbruch zu sein. Laut einer WEF-Umfrage unter Managern könnten dadurch in den Industrieländern bis zum Jahr 2020 unterm Strich fünf Millionen Arbeitsplätze wegfallen.
Zu den prominenten Teilnehmern des WEF, die die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben, gehören Jack Ma Yun, Gründer des chinesischen Onlinehändlers Alibaba, Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, Eric Schmidt, Chef der Google-Mutter Alphabet, Ya-qin Zhang, Chef des chinesischen Suchmaschinenbetreibers Baidu, Microsoft-Boss Satya Nadella und Hiroaki Nakanishi, Chef des japanischen Elektronik- und Maschinenbaukonzerns Hitachi.
Seltsame Themenwahl
Dennoch erscheint es seltsam, die "vierte industrielle Revolution" zum Hauptthema des diesjährigen WEF zu machen. Schließlich es gibt gleich eine ganze Reihe von Themen, die ungleich drängender erscheinen.
Da sind zum einen die blutigen Terroranschläge von Paris, Istanbul, Jakarta und Ouagadougou. Da ist die Flüchtlingskrise, die die Europäische Union derzeit vor eine Zerreißprobe stellt. Da ist das nachlassende Wachstum der chinesischen Wirtschaft und die Rezession in großen Schwellenländern wie Brasilien und Russland. Da sind das Pulverfass Naher Osten, die ungeklärte Lage in der Ukraine, die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Russland und auch die Frage, wie es nach dem erfolgreichen Klimagipfel von Paris nun weiter geht beim Schutz der Umwelt.
Über all das wird natürlich auch in Davos diskutiert, versichern die Veranstalter. 300 Veranstaltungen, Vorträge und Diskussionsrunden wird es bis zum Wochenende geben, teilnahmen werden rund 2500 Politiker, Manager und Wissenschaftler aus mehr als 100 Ländern
Darunter sind auch 1500 Vertreter der 1000 Firmen, die das WEF mit ihren Jahresbeiträgen von bis zu einer halben Millionen Schweizer Franken (458.000 Euro) finanziell erst möglich machen.
Auch kommen mehr als 300 "Personen des öffentlichen Lebens", darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs, Minister, Notenbankpräsidenten, hochrangige Funktionäre internationaler Organisationen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds und Vereinte Nationen, sowie Hollywoodstars wie Leonardo di Caprio und Kevin Spacey.
Zentrale Akteure fehlen
Es mangelt also nicht an Prominenz und wichtigen Themen. Ob das WEF damit seiner selbst gewählten Mission, "den Zustand der Welt zu verbessern", etwas näher kommt, wird sich zeigen. Wahrscheinlich ist aber, dass ganz außergewöhnliche Momente und Begegnungen in diesem Jahr Mangelware sein werden.
Denn einige wichtige Akteure fehlen in diesem Jahr, darunter die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, eine zentrale Figur in der europäischen Flüchtlingskrise, und ihre Amtskollegen aus Ungarn und Polen, erklärte Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik.
Statt Merkel reisen der deutsche Präsident Joachim Gauck und Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Davos. Russlands Präsident Wladimir Putin schickt den stellvertretenden Premier Juri Trutnev zum WEF, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan lässt sich durch Premierminister Ahmet Davutoglu vertreten.
Die USA sind durch Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry präsent. US-Präsident Barack Obama wird wohl auch im letzten Jahr seiner Amtszeit nicht nach Davos kommen, auch wenn darüber im Vorfeld viel spekuliert wurde. Ranghöchster Chinese beim WEF ist Li Yuanchao, Vizepräsident der Volksrepublik.