Die Mongolei ruft
12. November 2009Eine Kreuzung in der Innenstadt von Ulan Bator. Mit Pfiffen aus seiner Trillerpfeife und wildem Wedeln mit einem Leuchtstab versucht ein Polizist Ordnung in das Chaos zu bringen. Alte, russischen Autos, japanische Kleinwagen, luxuriöse Geländewagen und ächzende koreanische Busse - alle wollen gleichzeitig über die Kreuzung.
Von Leverkusen nach Ulan Bator
"Es gibt so viele Eindrücke, die in den ersten zwei Wochen auf mich niedergeprasselt sind", erzählt Stefan Schulze. Bis vor ein paar Wochen blickte er nämlich noch auf ganz andere Kreuzungen: Auf geordnete Fahrzeuge in Reih und Glied - in Leverkusen. Dort kommt der 20-Jährige nämlich her. Doch er wollte was erleben und hat sich aufgemacht nach Ulan Bator, Hauptstadt des am dünnsten besiedelten Landes der Welt, der Mongolei. "Es ist alles so anders. Jedes Mal die Straße zu überqueren ist ein größeres Erlebnis.“
Sie bilden sich und andere
Stefan Schulze arbeitet nun im "Lotus-Children Centre“, einem Haus für Straßen- und Waisenkinder, als Englischlehrer. In allen Einsatzgebieten des "Weltwärts-Programms" arbeiten die Jugendlichen vorrangig im Bereich Bildung. Über 200 Entsendeorganisationen bieten über dieses Programm des BMZs (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Freiwilligenplätze an. Die werden vom Ministerium mit knapp 600 Euro pro Monat bezuschusst. Stefan Schulze ist im September mit dem DED (Deutschen Entwicklungsdienst) nach Ulan Bator gekommen - als einer von insgesamt 16 Jugendlichen.
Claudia Polzer ist in der Mongolei für die Arbeit des DED verantwortlich. Sie bestätigt, dass auch in Ulan Bator die meisten Jugendlichen im Bildungsbereich arbeiten. Dabei war dem DED wichtig, "dass man deutsch- oder englischsprachige Partner findet." Das sei vor allem deshalb so wichtig, weil die Freiwilligen ja keinen Übersetzer gestellt bekommen. Aber in Ulan Bator sei das kein Problem, so Polzer, da viele Mongolen deutsch oder englisch sprechen.
Verständigung auf allen Ebenen
Sprachliches Entgegenkommen wird aber auch Jugendlichen wie Schulze erwartet. Sein "Weltwärts-Kollege" Peter Benedikt von Niebelschütz erinnert sich noch gut an die ersten Tage in der Mongolei. Da hieß es erst mal büffeln: "Jeden Nachmittag hatten wir drei Stunden oder mehr Mongolisch-Unterricht. Und es ist immerhin genug hängen geblieben, um alle Zahlen und auch Begrüßungsformeln und Abschiedsfloskeln, sowie Richtungsangaben zu behalten und zu beherrschen.“
Sprachkenntnisse sind auch deshalb unerlässlich, weil die Jugendlichen zumeist in Gastfamilien untergebracht sind. Und wie in Stefan Schulzes Gastfamilie wird dort eher wenig Englisch gesprochen, "wobei das relativ gut ist. Ich habe schon viele Mongolen dadurch kennen gelernt und fange jetzt auch langsam an, nach und nach Mongolisch zu lernen.“
Blick über den Tellerrand… und in den Gulli-Schacht
Fragt man Schulze, was er sich von seinem Jahr in der Mongolei erhofft, kommt eine Antwort, der wohl die meisten seiner Kollegen zustimmen könnten:
"Viele, viele neue Erfahrungen sammeln und so gesehen einen Blick über den Tellerrand werfen. Weg von den Industrieländern und sehen, wie es im Rest der Welt ist.“
Wobei nicht alles schön ist, was man da sieht, meint die 21-jährige Maria aus Thale. "Gestern habe ich eine nicht so tolle Sache gesehen. Wie ein Mensch aus der Kanalisation hochgeklettert ist, weil die dort wohnen, dort unten.“
Ulan Bator ist die kälteste Hauptstadt der Welt und von großen Fernwärme-Leitungen durchzogen. In den Schächten suchen geschätzte 10.000 Menschen Nacht für Nacht Schutz. Viele von ihnen Straßenkinder - wie die, denen Stefan Schulze jetzt Englisch beibringt.
Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Miriam Klaussner