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Wenig Auswahl in Japan

6. Juli 2016

Bei der Parlamentswahl am Wochenende dürfte Japans Premierminister Shinzo Abe seine Mehrheit ausbauen. Von seiner Dominanz könnten ausgerechnet die Kommunisten am meisten profitieren.

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Oberhaus in Japan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/T. Hanai

Bei der Parlamentswahl in Japan am Sonntag (10. Juli) zeichnet sich ein Sieg der Koalition von Premierminister Shinzo Abe ab. Der Hauptgrund ist die anhaltende Schwäche der Opposition. Die traditionell risikoscheuen Wähler in Japan werden daher an Abe festhalten. Seine Liberaldemokratische Partei (LDP) könnte sogar erstmals seit 27 Jahren eine eigene Mehrheit im Oberhaus des Parlaments erringen. Zur Wahl steht die Hälfte der 242 Sitze im Oberhaus, die teilweise direkt und teilweise über eine Parteienliste vergeben werden.

Eigentlich hat Abe die Wahl zu einer Abstimmung über seine Wirtschaftspolitik erklärt. Anfang Juni hatte er die für das Frühjahr 2017 geplante Anhebung der Mehrwertsteuer von derzeit acht auf zehn Prozent auf den Herbst 2019 verschoben, obwohl die Mehreinnahmen Japans Verschuldung eindämmen sollten. Ursprünglich sollte dieser Steuerschritt sogar schon im Herbst 2015 kommen. Die erneute Verschiebung begründete Abe mit drohenden Turbulenzen in der Weltwirtschaft. Dabei hatte der 61-jährige Politiker zwar nicht an das Brexit-Referendum gedacht. Aber im Nachhinein darf er sich nun bestätigt fühlen.

Premierminister Shinzo Abe hofft auf Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Häusern. (Foto: Reuters)
Premierminister Shinzo Abe hofft auf Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden HäusernBild: Reuters/T. Peter

Verfassungsreform als Ziel

Mit dem Verzicht auf den unpopulären Steuerschritt will Abe die Wahl klar gewinnen und dadurch seine Macht absichern. Sein eigentliches politisches Ziel bleibt nämlich die Überwindung der Nachkriegsordnung in Ostasien. Abe will das pazifistische Korsett für die japanische Außenpolitik lockern und das Verteidigungsbündnis mit den USA vertiefen, um den Aufstieg der Großmacht China in Ostasien zu begrenzen. Dafür hatte er bereits im vorigen Jahr trotz großer Proteste neue Sicherheitsgesetze durchgesetzt, die Japans Streitkräften erstmals die Beteiligung an bewaffneten Konflikten erlauben würden.

Gegen diese Gesetze wollen viele Juristen in Japan klagen. Nach ihrer Ansicht verstoßen sie gegen den Pazifismus-Artikel 9 der Verfassung, die Japan nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der Siegermacht den USA aufgezwungen wurde. Kriegerische Aktivitäten sowie Unterhalt von Streitkräften sind nämlich verboten.

Daher möchte Abe die jetzige Verfassung erneuern. Seit ihrem Inkrafttreten im Mai 1947 ist sie noch nie geändert worden. Ein klarer Wahlsieg würde Abe dafür die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Parlamentskammern geben. Seine LDP hat bereits eine Vorlage erarbeitet. Dabei erwarte er jedoch noch substantielle Änderungen, erklärte Abe im Juni.

Massenproteste im Sommer 2015 gegen die Sicherheitsgesetze in Tokio (Foto: Reuters)
Massenproteste im Sommer 2015 gegen die Sicherheitsgesetze in TokioBild: Reuters/Kyodo

Blutleerer Wahlkampf

Sein Regierungspartner, die kleinere Gerechtigkeitspartei Komeito, galt lange Zeit als größtes Hindernis für eine Abmilderung des Pazifismus. Aber diese Buddhisten-Partei hat sich in dieser Koalition bisher überraschend flexibel gezeigt und etwa die umstrittenen Sicherheitsgesetze unterstützt. Das wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Die Komeito will ihrerseits den Umweltschutz in der Verfassung verankern und ist daher selbst an einer Reform interessiert. Das vorgeschriebene Referendum bräuchte dann nur noch eine einfache Mehrheit.

Trotz dieser Perspektiven blieb der Wahlkampf blutleer. Die Zufriedenheit der Japaner mit der Abe-Regierung ist Umfragen zufolge gegenüber der letzten Wahl im Dezember 2014 deutlich gesunken. Der Regierungschef wirbt mit der niedrigen Arbeitslosigkeit und den gestiegenen Löhnen. Aber die meisten Japaner haben aufgrund einer Steuererhöhung und höheren Importpreisen durch den schwachen Yen weniger Geld im Portemonnaie. Davon kann die größte Oppositionspartei aber nicht profitieren. Der Demokratischen Partei (DPJ) fehlt die Glaubwürdigkeit, weil sie sich nach ihrer schwachen Amtszeit von 2009 bis 2012 nicht erneuert hat.

(Archiv) Japans U-Boot der Soryu-Klasse zur Selbstverteidigung (Foto: Kyodo)
Japans U-Boot der Soryu-Klasse zur SelbstverteidigungBild: picture-alliance/Kyodo

Kommunisten als Partner

Bei dieser Wahl tritt die Demokratische Partei nach der Fusion mit einer Abspaltung unter dem Kürzel DP an. Aber DP-Chef Katsuya Okada gehörte damals zum Führungspersonal und hat daher als Kritiker von Abe wenig Gewicht. Trotz innerparteilicher Widerstände hat Okada daher ein Bündnis von vier Oppositionsparteien geschmiedet. Erstmals gehört auch die Kommunistische Partei (KP) dazu, obwohl es inhaltlich kaum Übereinstimmungen gibt. So will die KP die Armee abschaffen und alle Atomkraftwerke abschalten. "Es ist absolut unmöglich, dass die DP das akzeptieren könnte", betonte Okada.

Dennoch tritt dieses Bündnis in Direktwahl-Bezirken mit gemeinsamen Kandidaten gegen die Regierungsparteien an. Die Kommunisten stellen nur in einem einzigen Wahlbezirk einen eigenen Kandidaten auf und verlassen sich ganz auf die Wahl über die Parteienliste. So hoffen sie möglichst viele Proteststimmen einzusammeln.

Das Kalkül könnte aufgehen. Als einzige Partei lehnen die Kommunisten konsequent die Abenomics-Wirtschaftspolitik und die Aufweichung des Pazifismus ab. "Wir brauchen Wandel auf allen Gebieten", forderte KP-Chef Kazuo Shii. Schon bei der letzten Parlamentswahl konnte die KP ihren Stimmenanteil auf den Rekordwert von über elf Prozent fast verdoppeln. Diesmal scheint noch mehr drin zu sein.